# taz.de -- Werbung im Umbruch: Versteckte Botschaften | |
> Das neue Marketingmodell Native Advertising ist für Firmen sehr lukrativ. | |
> Für Journalisten ist es gefährlich, weil sie überflüssig gemacht werden. | |
Bild: Buzzfeed besteht fast komplett aus Native Ads. Da kriegt der Chef leuchte… | |
Das Internet entmachtet den Journalismus. Politiker, Künstler, Sportler und | |
Unternehmen funken ihre Zielgruppe inzwischen direkt an. Auf die Gunst der | |
klassischen Medienmacher kommt es nicht mehr an. Dank der Digitalisierung | |
sind die Zeiten vorbei, in denen sie wie Türsteher die Nachrichtenlage | |
checkten und dabei entscheiden konnten, welche Nachrichten und Produkte das | |
Publikum interessieren sollten. Mittlerweile entern auch Unternehmen | |
redaktionelle Angebote – oder bauen gleich selbst eigene auf. | |
Das Zauberwort lautet „Native Advertising“. Verlagsvertreter bekommen schon | |
mal funkelnde Augen, wenn es fällt. Mit dieser Werbeform, die nach der | |
Ausbreitung in den USA auch hierzulande an Boden gewinnt, könnten | |
Unternehmen schließlich „Geschichten erzählen, die letztendlich das Herz | |
der Konsumenten erobern“, schwärmte unlängst ein leitender Mitarbeiter der | |
Flensburger Medienholding Nord auf einem Verlegerkongress. | |
Vor allem auf mobilen Plattformen und in Apps für Smartphones funktioniert | |
das klassische Geschäft mit großflächigen Werbebannern nicht mehr. Deshalb | |
loten viele Verlage aus, wie sie „Native Ads“ in ihre Angebote integrieren | |
können. Das Prinzip ist dabei so simpel wie gefährlich: Unternehmen | |
platzieren ihre Botschaften nicht mehr nur neben den Texten, sondern | |
liefern gleich eigene Geschichten. Der Verlegerverband BDZV charakterisiert | |
die Form als „redaktionell anmutendem Inhalt“, der sich „nahtlos in | |
redaktionelle Umfelder“ einfügen lasse. | |
Für Werbetreibende geht damit ein Traum in Erfüllung. Was das heißt, zeigt | |
der Listenjournalismus von Buzzfeed deutlich. Zwischen den „12 | |
Ebay-Kleinanzeigen-Fails für die Ewigkeit“ und „21 Stars, deren Jugendfotos | |
Dir Hoffnung fürs Alter geben“, finden sich dieser Tage auch „13 kleine | |
Dinge, die einfach rocken“. Dort wiederum steht ganz am Ende, nach | |
massentauglichen Beispielen wie „Luftpolsterfolie zum Platzen bringen“, der | |
Hinweis: „Willst du wissen, was sonst noch klein ist und richtig rockt? Der | |
Opel ADAM ROCKS.“ | |
## Werbebanner haben ausgedient | |
Der US-Import Buzzfeed setzt wie kein anderes Portal auf Native | |
Advertising. Klassische Werbebanner haben auf dem Portal nicht nur | |
ausgedient, sondern spielen bereits seit dem Start des deutschen Ablegers | |
vor einem Monat überhaupt keine Rolle. Konsequent ist auch dies: Buzzfeed | |
betreibt in London eine eigene Agentur, die für Werbekunden | |
Native-Kampagnen produziert, die beim Publikum bestmöglich ankommen. | |
„Als wir mit ein paar Leuten in den USA anfingen, hat natürlich jeder alles | |
gemacht – auch die Konzeption der Kampagnen“, erinnert sich Scott Lamb, der | |
die internationale Expansion von Buzzfeed vorantreibt. „Heute achten wir | |
aber darauf, dass unsere Teams getrennt arbeiten.“ Das gilt auch für | |
Deutschland, wo diese Werbeform für Firmen noch Neuland ist. „Ein | |
schwieriger Markt“, sagt Lamb. Trotzdem: Native Advertising kommt. | |
Auch die deutsche Ausgabe der Huffington Post setzt auf Native Advertising, | |
wenn auch vorerst nur als zweite Säule neben klassischen Bannern. Weltweit | |
kommt bei der HuffPo inzwischen jeder dritte Dollar aus den Umsätzen, die | |
das Medienhaus mit dem Verkauf der neuartigen Werbekampagnen generiert. | |
Beim deutschen Ableger, so ist zu hören, war der Anteil bisweilen größer. | |
Schon allein deshalb werden auch etablierte Verlage nachziehen – langsam, | |
aber sicher. | |
Derartige Reklame ist dabei stets gekennzeichnet, meist mit dem Sticker | |
„Sponsored“ oder auch dem Label „Advertorial“. Diese Begriffe passen be… | |
in die internationalen Strategien der US-Portale und klingen schicker als | |
„Anzeige“ oder „Werbung“. Verbraucherschützer wie Michaela Zinke von d… | |
Arbeitsgemeinschaft „Surfer haben Rechte“ mahnen hingegen, das Publikum | |
könne die Motivation der Kampagnen allenfalls erahnen: „Oft ist nicht mehr | |
erkennbar, was redaktioneller Teil ist und was Werbung.“ | |
## Nebulöse Transparenz | |
Buzzfeed stellt die Absender der Botschaften sogar mit dem jeweiligen Logo | |
des Unternehmens klar heraus. Viele Kampagnen führen direkt auf die | |
Unternehmerseite in den sozialen Netzwerken und wollen so mehr Likes | |
erhalten. Transparenz ist damit – mitunter – unerlässlicher Teil des | |
Konzepts. Werbung soll dem Verbraucher auch Spaß machen. Stupide | |
Botschaften, wie sie in der Welt der analogen und digitalen Banner üblich | |
waren, haben hier verloren. | |
Ersten Unternehmen reicht es nicht, dass die Werbung dem redaktionellen | |
Inhalt immer ähnlicher wird. Sie schaffen eigene Plattformen. Wie das geht, | |
zeigt „Curved“. Die Seite stellt neue Handys und besonders portable | |
Computer vor, getestet und besprochen von IT-Journalisten. Die aber sitzen | |
nicht in einem Verlag, sondern – in einem Glaskasten – im Hinterhof der | |
Hamburger Agentur SinnerSchrader. Deren Auftraggeber ist wiederum die | |
E-Plus-Gruppe. | |
„Das ist sicherlich ein Spagat – und da experimentiert ja auch die ganze | |
Branche mit“, sagt Werbeprofi Matthias Schrader. Wichtig sei ihm, dass die | |
Motivation entsprechend gekennzeichnet werde. „Und da kann man sich am Ende | |
des Tages immer darüber streiten, wie groß das passieren muss.“ Genau | |
darüber kann man auch bei „Curved“ streiten, denn der Hinweis zur | |
Transparenz findet sich ganz am Ende der Seite und dürfte für Laien | |
einigermaßen nebulös sein. Die Rede ist von einer „Initiative der | |
E-Plus-Gruppe“. | |
## Schon seit Jahrzehnten Praxis | |
Andererseits: Der mündige Verbraucher dürfte sich einen Reim darauf machen, | |
auch weil er unter den Besprechungen zum Kauf der Geräte samt passendem | |
Mobilfunkvertrag eingeladen wird und das eben nur im Shop von E-Plus | |
beziehungsweise der Hausmarke Base. Das ist am Ende auch der Auftrag an die | |
Redaktion, wie Schrader erzählt: „Lust machen auf mobilen Lifestyle, auf | |
mobile Endgeräte“. Es geht eben um den Verkauf der Geräte und vor allem der | |
dazu passenden Verträge. | |
Die Konstellation, dass Unternehmen redaktionelle Angebote auf den Markt | |
bringen, sei im Onlinebereich vielleicht noch ungewöhnlich, sagt Schrader. | |
Ansonsten sei das aber seit Jahrzehnten gelebte Praxis. Sein Vergleich: der | |
Reifenhersteller Michelin. Auch dessen Restaurantführer versuche letztlich, | |
Lust zu machen, 200 Kilometer zu fahren, um ein Sternerestaurant zu | |
besuchen – und nebenbei die Reifen abzutragen. Doch im Gegensatz zu E-Plus | |
tischt Michelin dem Gourmet nicht auch noch das Essen auf. | |
Wie Native Advertising so steht hierzulande auch das Geschäft mit dem | |
sogenannten Content Marketing noch ganz am Anfang. Aber auch diese Branche | |
wächst. Curved bekommt zum Beispiel dieser Tage Gesellschaft: Auch der | |
Mobilfunkanbieter Vodafone startet ein eigenes „Magazin“, betreut von der | |
Kölner Agentur Convidera. Anders als die Konkurrenz aus Hamburg schweigen | |
die Kölner allerdings. So viel aber ist am Markt in Erfahrung zubringen: | |
Vodafone will als Absender klar erkennbar sein. Damit geht die | |
Gratwanderung zwischen PR und Journalismus weiter. | |
16 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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