| # taz.de -- Unruhe beim „Flensburger Tageblatt“: Zwangsversetzte Redakteure | |
| > Das „Flensburger Tageblatt“ hat drei langjährige Lokalredakteure | |
| > versetzt. Die Hintergründe sind unklar, einige vermuten Interessen aus | |
| > der lokalen Wirtschaft. | |
| Bild: Warum versetzt der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag drei gut inform… | |
| Flensburg taz | Als „leidenschaftlicher Lokaljournalist“ hat sich Stefan | |
| Kläsener, der Chefredakteur des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages | |
| (SHZ), in einem Interview mit dem Branchendienst-Newsletter | |
| „Netzwirtschaft“ bezeichnet. Aktuell dürfte die Leidenschaft getrübt sein: | |
| Eine Personalentscheidung in seiner Redaktion sorgt seit Wochen für Unruhe | |
| am Hauptsitz des Verlags in Flensburg. | |
| Gleich drei langjährige Lokaljournalisten des Flensburger Tageblatts | |
| inklusive des Redaktionsleiters wurden versetzt, die Struktur der | |
| Stadtredaktion ist zerschlagen. Gemunkelt wird über Einflüsse der lokalen | |
| Wirtschaft und lokaler Vereine. | |
| In der Zeitung selbst klingt es, als wäre die Entscheidung vom Himmel | |
| gefallen: „Es ist zu personellen Veränderungen gekommen“, stand Anfang | |
| September in dem Blatt. Die drei Journalisten, die teilweise seit | |
| Jahrzehnten in Flensburg tätig gewesen waren, „übernehmen andere | |
| redaktionelle Aufgaben“ an anderen Standorten des Verlages, der trotz | |
| sinkender Auflagen das größte Medienhaus im Land ist. | |
| Über die Gründe hüllen sich der SHZ und die hinter ihm stehende | |
| Medienholding Nord in Schweigen. Gegenüber der taz verweist Chefredakteur | |
| Kläsener auf das schwebende juristische Verfahren: Die zwangsversetzten | |
| Redakteure haben geklagt, in der kommenden Woche tritt einer von ihnen dem | |
| Verlag vor dem Arbeitsgericht gegenüber. Nur so viel sagt Kläsener: | |
| „Einflüsse von außen schließe ich aus, das gibt es nicht.“ | |
| „Die Stimmung in der Redaktion ist unterirdisch“, sagt ein Mitarbeiter, der | |
| anonym bleiben will. Auch gegenüber der Belegschaft sei nur von | |
| „Verjüngung“ und „Generationswechsel“ die Rede gewesen. Tatsächlich h… | |
| Verlag, der aus der Tarifbindung ausgestiegen ist, mehrfach ältere | |
| RedakteurInnen entlassen und jüngere zu schlechteren Konditionen | |
| eingestellt. Dennoch hat es nie einen Komplettaustausch einer Redaktion | |
| gegeben. Außerdem ist der zwangsversetzte Redaktionsleiter mit 55 Jahren | |
| weit von der Rente entfernt. | |
| „Nebulös“ nennt Arnold Petersen, der Vorsitzende des | |
| Schleswig-Holsteinischen Journalistenverbandes, die Vorgänge. In einer | |
| Pressemitteilung spekuliert der Verband über Druck, der möglicherweise von | |
| der örtlichen Wirtschaft auf den Verlag ausgeübt worden sei. Das | |
| Branchenblatt Journalist, das der Journalistenverband herausgibt, fand aber | |
| keinen Beleg dafür. | |
| Dennoch bleibt die Unruhe in der Stadt. Mehrere PressesprecherInnen, unter | |
| anderem von der Stadt und der Europa-Universität Flensburg, haben ihre | |
| Verwunderung in einem offenen Brief ausgedrückt. Rathaus-Sprecher Clemens | |
| Teschendorf sagt auf Nachfrage: „Klar, es steht uns nicht zu, | |
| Personalentscheidungen einer Zeitung zu kommentieren. Aber wir fanden es | |
| schade, dass es keine Erklärung gab.“ Aus seiner Sicht habe kein Grund für | |
| die Versetzungen bestanden. Es sei bedauerlich, dass mit den drei | |
| Redakteuren Wissen über lokale Zusammenhänge verschwunden sei. | |
| „Bedauerlich, befremdlich, intransparent“ nennt auch der Vizepräsident des | |
| Schleswig-Holsteinischen Landtages, Rasmus Andresen (Grüne), die | |
| Personalie. Er sehe die Vorgänge „mit Sorge, vor allem weil es keine | |
| Kommunikation mit der Leserschaft gibt“. | |
| ## Generation Internet | |
| Vielleicht ging es tatsächlich nur darum, neue Köpfe mit neuen Ideen | |
| anzustellen. Da die NachrückerInnen qua Geburt der Generation Internet | |
| angehören, schafft die Redaktion mit ihnen vielleicht einfacher den Sprung | |
| ins digitale Zeitalter. Auffallend ist allerdings, dass einer der Neuen bis | |
| vor Kurzem der ehrenamtliche Pressesprecher des örtlichen Fußballvereins | |
| Flensburg Weiche 08 war. | |
| Mitte August sei er ausgeschieden, im September in die Lokalredaktion | |
| gewechselt, bestätigt er gegenüber der taz. Schwierig ist daran, dass das | |
| Flensburger Tageblatt, besonders deren Sportchef und stellvertretende | |
| Chefredakteur, Jürgen Muhl, eng mit dem Fußballverein verbunden ist. So | |
| trommelt Muhl, der selbst Sportveranstaltungen organisiert, für ein neues | |
| Stadion und stellt sich gegen die Stadt – seinen Artikeln ist das | |
| anzumerken. | |
| Der ehemalige Vereinssprecher dürfte gute Kontakte mitbringen. „Allerdings | |
| läuft niemand, auch kein Journalist, als Jungfrau durch die Welt“, sagt ein | |
| Gesprächspartner aus dem Umfeld der Lokalredaktion. „Jeder ist irgendwo | |
| engagiert, hat eine Meinung und eine Haltung.“ | |
| ## Fußball-Berichterstattung in der Kritik | |
| Auch der Landtags-Vize Andresen kritisiert die Berichterstattung über | |
| Fußball-Themen als „nicht ausgewogen.“ „Das trägt nicht dazu bei, das | |
| Vertrauen zur Zeitung zu bewahren.“ Er traue den Neuen zu, das Vertrauen | |
| wiederherzustellen, aber dafür müsse sich die Redaktion erst finden. | |
| Ob diese Zeit bleibt? Laut Arbeitnehmeranwalt Andreas Bufalica, der die | |
| Redakteure vertritt, „lassen die Arbeitsverträge eine einseitige Versetzung | |
| gar nicht zu“. Im Prozess muss der Verlag zumindest Gründe für die | |
| Entscheidung nennen. | |
| Esther Geißlinger hat beim SHZ das Journalistenhandwerk gelernt und wurde | |
| 2004 im Zuge einer größeren Umstrukturierung entlassen – aus heutiger Sicht | |
| ein Glücksfall. Sie ist Mitglied des DJV-Landesvorstands. | |
| 11 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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