| # taz.de -- Kolumne Besser: Dresden ist scheiße, aber … | |
| > Hate Poetry, Pegida, Antifa, Hapogepegida. Über einen Abend im anderen | |
| > Dresden. Und das Positive an Pegida. | |
| Bild: Varieté, Demo und Gruppentherapie in einem: Hate Poetry in Dresden, hier… | |
| Seit fast drei Jahren habe ich die Ehre, Teil von [1][Hate Poetry] sein. | |
| Hate Poetry ist eine Leseshow, bei der wir, Kolleginnen und Kollegen aus | |
| verschiedenen deutschen Zeitungen und Zeitschriften, Leserzuschriften | |
| vorlesen. Besser gesagt: Orchestriert von meiner taz-Kollegin [2][Doris | |
| Akrap] oder der Hate-Poetry-Erfinderin Ebru Taşdemir machen wir eine Party | |
| daraus. „Wir schicken den Scheiß zurück in die Umlaufbahn“, sagen wir | |
| immer. | |
| Dieser „Scheiß“ besteht nicht bloß aus unflätigen Beschimpfungen, die je… | |
| Lokaljournalist erhält. Vielmehr geht es um Briefe mit einem ganz | |
| bestimmten Zungenschlag, die man nur bekommt, wenn man Namen wie Özlem | |
| Gezer, Özlem Topçu oder Hasnain Kazim trägt. | |
| Als wir von Pegida hörten, war uns klar: Da müssen wir hin. „Pegida redet | |
| vielleicht nicht mit ‚den Medien‘“, [3][formulierte es meine Kollegin Mely | |
| Kiyak]. „Aber mit uns Journalisten und Machern von Hate Poetry stehen sie | |
| seit Jahren in regem Briefkontakt. Jeder Brief, den wir vorlesen, schildert | |
| die Ängste und Nöte der braven, schweigenden Demonstranten. Hate Poetry | |
| nimmt diese Sorgen ernst und trägt sie in angemessenem Rahmen | |
| vor.“[4][#HAPOGEPEGIDA] nannten wir die Veranstaltung, Hate Poetry gegen | |
| Pegida, die taz und Zeit sprangen freundlicherweise als Medienpartner ein. | |
| ## Oh Abendland, oh Abendland | |
| Am Freitagabend waren wir da. Und mit uns 350 Leute in der [5][Scheune | |
| Dresden], die auf dem Boden sitzend oder im Stehen die über vier Stunden | |
| lange Show verfolgten. | |
| Dresden, dieses Dresden, schien auf uns gewartet zu haben. Ein paar | |
| Stunden, in denen die Leute ihre Wut auf Pegida in lautes Lachen verwandeln | |
| konnten. Varieté, Demo und Gruppentherapie in einem. Und ein bisschen | |
| Urlaub von Dresden. Denn die hiesigen Antifas, so ist mein Eindruck, würden | |
| der Annahme, dass Dresden überall sei, nicht zustimmen. Für sie ist es kein | |
| Zufall, dass eine ressentimentgeladene Massenbewegung hier entstanden ist: | |
| in Ostdeutschland, in Sachsen, in Dresden. | |
| Das klingt alles schwer. Doch der Abend war alles andere als das. Die | |
| Dresdner waren die Ersten, die uns zum Lachen brachten. So begannen sie | |
| irgendwann, den Wendepunkt, die Peripetie, vieler Briefe zu antizipieren: | |
| das Aber. In Reinform aus dem Satz „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, | |
| aber …“ bekannt, in diesen Briefen, so mannigfaltig variiert wie die | |
| Gerüche auf einem orientalischen Basar. Jedes Mal, wenn die Leute merkten, | |
| dass ein Brief auf seinen Wendepunkt zusteuerte, skandierten sie „Aaa-ber, | |
| aaa-ber, aaa-ber“. Diese Dresdner kannten den Sprech der Klammrassisten | |
| sehr genau. Und sie hatten die Idee der Show verstanden. Am Ende sangen wir | |
| alle zusammen eine von meinem Kollegen Yassin Musharbash umgedichtete | |
| Version eines Weihnachtsklassikers: [6][„Oh Abendland, oh Abendland / Wie | |
| schön sind Deine Werte“]. | |
| Viele Besucher erzählten oder schrieben uns hinterher, es sei ihnen ein | |
| Bedürfnis gewesen, uns – den Journalisten, den Großstädtern, den Auslände… | |
| – zu zeigen, dass ihre Stadt nicht nur aus Idioten bestehe. Pegida sei ein | |
| guter Grund, nicht nach Dresden zu kommen, schrieb beispielsweise die | |
| 24-jährige Studentin Linh, deren Familie aus Vietnam stammt. Umso mehr habe | |
| sie sich gefreut. | |
| Denn Pegida sei, so schrieb Linh weiter, für sie „ein Schlag ins Gesicht“ | |
| gewesen. Für sie ist klar: Es geht nicht allein um „Islamisierung“, es ist | |
| eine rassistische Bewegung. Und Rassismus kenne sie aus ihrem Alltag, sogar | |
| aus ihrem Freundeskreis. Immerhin kann Linh dem Spuk inzwischen etwas | |
| Positives abgewinnen: Pegida zwinge die Dresdner dazu, sich mit Rassismus | |
| zu beschäftigen. Dresden ist nicht scheiße. Aaa-ber. Aaaa-ber. Aaa-ber… | |
| Besser: Dresden nazifrei. | |
| 23 Dec 2014 | |
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| [1] http://hatepoetry.com/ | |
| [2] /!a92/ | |
| [3] http://kolumne.gorki.de/kolumne-25/ | |
| [4] http://twitter.com/search?f=realtime&q=%23HAPOGEPEGIDA%20&src=typd | |
| [5] http://www.scheune.org/ | |
| [6] http://hatepoetrydotcom.files.wordpress.com/2014/12/hapogepegida_6__gerade2… | |
| ## AUTOREN | |
| Deniz Yücel | |
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