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# taz.de -- Kolumne Besser: Meine Mudda gehört zu Deutschland
> Eine E-Mail von „Emma“. Oder noch mal zur Islamisierung der Türken und zu
> Zahlen, die man nicht kennt und die man doch so gerne benutzt.
Bild: Adile Naşit in ihrer Paraderolle als strenge und leicht schräge, aber f…
Aus einer E-Mail: „Emma macht eine Umfrage bei ein, zwei Dutzend
fortschrittlichen Frauen und Männern in Deutschland aus dem muslimischen
Kulturkreis. Wir wollen damit dazu beitragen, dass der ‚Dialog‘ zwischen
Politik und MuslimInnen nicht länger auf muslimische Verbände beschränkt
bleibt, in denen nur Minderheiten organisiert sind, sondern dass dieser
Dialog auch mit der Mehrheit der demokratischen MuslimInnen geführt wird.
Dafür steht eine Stimme wie die Ihre. Wir würden uns darum sehr freuen,
wenn Sie uns (…) auf die zwei folgenden Fragen antworten:
1. Welche Rolle sollten MuslimInnen in Deutschland jetzt spielen bei dem
Schulterschluss von DemokratInnen aller Provenienzen gegen den Islamismus
in Deutschland und die Terrorismusgefahr?
2. Kanzlerin Merkel hat erklärt: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Stimm…
Sie dem zu?“
Nun, von dieser Anrede („Demokratische MuslimInnen“, „Dialog“) fühlte …
mich nicht angesprochen. Andernfalls hätte ich geantwortet:
1. Damit der Schulterschluss ins Rollen kommt und ihn niemand auf die
leichte Schulter nimmt, dürfen die Provenienzen ihm nicht die kalte
Schulter zeigen, sondern müssen jetzt eine Vorreiter- bzw. Außenseiter-
bzw. Frühlingsrolle übernehmen, so dass die Opferrolle auf alle Schultern
verteilt werden kann und keine Schultern zucken bzw. keine Köpfe rollen.
2. Meine Mudda gehört zu Deutschland.
Wo diese Sache inschallah ein für allemal geklärt ist, kommen wir dazu,
warum ich keine Lust hatte, an dieser „Umfrage“ mitzuwirken – und warum i…
diese E-Mail dennoch relevant finde. Es geht dabei weder um Emma noch um
mich. Vielmehr ist diese E-Mail exemplarisch für das, wovon an dieser
Stelle [1][bereits neulich die Rede war]: ein kleines Beispiel dafür, wie
in der öffentlichen Wahrnehmung Türken zu Muslimen und Ausländer zu
Andersgläubigen geworden sind.
## Allah ist mir egal
Denn es gibt keinen – keinen – Text von mir, aus dem man folgern könnte,
ich entstammte dem „muslimischen Kulturkreis“. Ich bin in einem
katholischen Krankenhaus geboren, habe über den [2][zeitgenössischen
Katholizismus geschrieben]. Trotzdem würde weder die Emma noch sonst jemand
auf die Idee kommen, mich als „demokratischen Katholiken“ nach meiner
Meinung zu fragen.
Ich trage nur das Z, Y und Ü im Namen. Diese Buchstaben gefallen mir gut.
Allah, sein Prophet und der Prophet sein Buch hingegen interessieren mich
zwar als gesellschaftliches und politisches Thema, sind mir persönlich aber
völlig egal. Und ungefähr so geht es den meisten meiner türkischen bzw.
deutschtürkischen Freunde, ob in Istanbul oder in Berlin.
Sie sind keine „säkularen Muslime“, die sich an der in der Türkei früher
amtlichen Auslegung des Islams orientieren oder ihre [3][eigene Definition
gefunden haben]. Sie sind auch keine Aleviten, jedenfalls nicht im
religiösen Sinn, und so betrachtet gibt es unter ihnen auch keine Christen,
Juden oder Jesiden. Die meisten in meinem Umfeld stammen aus
sozialdemokratischen, kommunistischen, liberalen, kemalistischen,
kurdisch-nationalistischen oder sonst wie ungläubigen Familien oder hatten
semi-fromme Eltern, die jedoch keinen Wert darauf legten, ihre Kinder
religiös zu erziehen oder sie haben irgendwann den Glauben ihrer Kindheit
abgelegt. Sie sind Atheisten, Agnostiker oder glauben an eine Form von
Transzendenz, ohne sich als Muslime zu begreifen.
## Muslim nur für Arschgeigen
Zu Muslimen werden sie allenfalls, wenn irgendwelche Arschgeigen danach
fragen – also im Sinne Ilja Ehrenburgs, der mal sagte, solange es
Antisemitismus gebe, sei er Jude (womit nicht gesagt ist, dass die
Islamophobie dasselbe ist wie der klassische Antisemitismus, aber wohl,
dass es ein spezifisches antimuslimisches Ressentiment gibt.)
Die Zahl von weltweit [4][1,6 Milliarden Muslimen] jedenfalls ist Unfug, da
sie auf einer simplen Addition beruht: die Bevölkerung der „muslimischen
Länder“ (abzüglich der nichtmuslimischen Minderheiten) plus die ethnischen
Minderheiten in anderen Ländern.
Ebenso Unfug ist die amtliche Zahl von [5][4,3 Millionen Muslimen in
Deutschland], die Journalisten [6][gerne übernehmen] und welche der
Großexperte Thilo Sarrazin auch schon mal auf [7][„fünf bis sechs
Millionen“] hochrechnet.
So unklar die wirkliche Zahl, so klar ist, wer ein Interesse daran hat,
dass sie möglichst hoch ausfällt: Jene, deren Geschäft in der Verbreitung
von Ressentiments besteht, und jene, die beanspruchen, für die Muslime zu
sprechen. Blind unterstützt werden sie von Leuten, auf deren privaten
Geburtstags- oder Silvesterfeiern man keine Zetts, Ypsilons und Üs trifft,
weil sie, außer vielleicht ihren Gemüse-Ali, keine kennen. Sonst würden sie
nicht so blöd fragen.
Besser: Wir wiederholen das Wichtigste: [8][#Meine
MuddaGehörtZuDeutschland].
3 Feb 2015
## LINKS
[1] /!153143/
[2] /!112813/
[3] /!148653/
[4] http://www.pewforum.org/2009/10/07/mapping-the-global-muslim-population/
[5] http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Forschungsberichte/f…
[6] /!148653/
[7] http://www.handelsblatt.com/politik/international/antisemitischer-banker-sa…
[8] http://twitter.com/hashtag/MeineMuddaGeh%C3%B6rtZuDeutschland?src=hash
## AUTOREN
Deniz Yücel
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Besser
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Schwerpunkt Rassismus
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