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# taz.de -- Kolumne Ausgehen und Rumstehen: Ich habe nichts gegen Ausländer
> „Assimilierte Wichser“, die hingehen sollen, wo sie herkommen. Im
> Berliner Theater Hebbel am Ufer feierte „Hate Poetry“ dritten Geburtstag.
Bild: „Gesichter von Ausländern“: Hate Poetry, hier mit Mohamed Amjahid, �…
Am Montagmorgen zurück nach Mitte, es herrscht Rückenwind. Im Kopf läuft in
Endlosschleife [1][“Deutsche Freunde“ von Ozan Ata Canani]: „Sie nennen u…
Gastarbeiter, unsre deutschen Freunde. Sie haben am Leben Freude.“ Der Text
ist so einfach wie genial, weil er die Perspektive des Erzählers in jeder
Zeile mit der Erwähnung der deutschen Freunde kreuzt. Am Ende heißt es:
„Ich bin Ata und frage euch, wo wir jetzt hingehören?“
Klar, wo Ozan Ata Cananis Arabesken jetzt herkommen, um zwei auf dem
Fahrrad. [2][“Hate Poetry“] hatte im Hebbel am Ufer Geburtstag gefeiert und
Malek Samo eingeladen, den rechtmäßigen Nachfolger Cananis. Der Mann aus
der Nähe von Hannover spielte seine YouTube-Hits [3][“Zehn Jahre hier“] und
[4]["Jobcenter“], während die Vortragenden die große Tafel auf der Bühne
mit Postern von Claudia Roth, Mesut Özil, Thilo Sarrazin, Bushido und
anderen Protagonistinnen des großen Integrationstheaters schmückten. Wein
wurde aufgetischt, Tabletts mit Süßigkeiten ins Publikum gereicht.
Es war klar, dass das „Hate Poetry“-Jubiläum der Höhepunkt des Wochenendes
werden würde. Die Vorstellung war Wochen vorher ausverkauft. Im vergangenen
Jahr seien sie zu [5][Journalisten des Jahres 2014] gekürt worden, erzählte
Moderatorin [6][Doris Akrap] von der taz. Allerdings nicht „als richtige
Journalisten“, sondern „nur als Sonderpreis“.
Ich war noch nie bei „Hate Poetry“ gewesen, hatte mir aber ungefähr
vorgestellt, wie das sein würde, wenn Journalistinnen mit Nachnamen, die
manchen zu undeutsch vorkommen, aus Leserbriefen vorlesen würden. Worüber
ich nicht nachgedacht hatte, war die Frage, was man als Zuschauer macht,
wenn Texte zum Vortrag kommen, in denen Freizeithitlers den Kolleginnen von
Zeit, Spiegel, Tagesspiegel und taz ([7][Deniz Yücel] kam mit pinkfarbener
Krawatte) ankündigen, die Germanen würden an den Ausländern „das Werk
fortsetzen, das wir mit den Juden begonnen haben“. Man lacht viel, hin und
wieder aber verschlägt es einem das Lachen.
## Sorgfalt, Liebe und Irrsinn
Mit Sorgfalt und Liebe las [8][Özlem Topçu] von der Zeit den Brief einer
Frau vor, die kurz nach dem Krieg geboren wurde. Sie erklärt darin der
Journalistin, warum die Deutschen keine Heimatliebe mehr aufbringen
könnten: Selbst in den kleinsten Dörfer blicke man in die Gesichter von
Ausländern.
„Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“ Man kennt die Formel, die der
Rechtfertigung des eigenen Rassismus dient, weil der Deutsche an sich ein
toleranter, aufgeklärter und weltoffener Mensch ist, die Tierliebe nicht zu
vergessen. Aber bei dem Brief dieser deutschen Frau, die versichert, dass
sie die Adressatin nicht verletzen möchte, hat man das Gefühl, dass die
Schreiberin das wirklich so meint: im anderen stets den Menschen sehen zu
wollen. Die eigene Entfremdung muss irgendwohin projiziert werden, um sie
greifbar zu machen.
Das Krasse an der Sache ist, dass dasselbe auch für die migrantische
Leserschaft gilt. Die sinniert gern mal darüber nach, ob eine auf den
ersten Blick muslimische Journalistin mit türkischem Nachnamen nicht in
Wirklichkeit Armenierin oder gar Jude ist. Anders kann man es sich nicht
erklären, dass jemand mit so einem Namen in einem journalistischen Text
eine Ansage macht, die einem nicht ins Weltbild passt.
Die Kinder und Enkel der Gastarbeiter können es keinem recht machen. Als
„assimilierte Wichser“ werden sie von den einen wie den anderen gehasst:
„Sie können zwar gut schreiben“, wird etwa [9][Mohamed Amjahid] vom
Tagesspiegel in einer E-Mail mitgeteilt, „müssen aber Deutschland trotzdem
verlassen.“ Mit viel Charme und Humor blasen Amjahid und seine Kolleginnen
diesen ganzen Irrsinn ins Theater, um nicht damit allein zu bleiben.
Nachher wird im Wau um die Ecke noch gemeinsam getrunken. Ein schöner
Abend, auch wenn, wie Idil Baydar [10][(aka Jilet Ayşe)] sagt, die
Ausländer immer ein bisschen zu laut sind.
17 Feb 2015
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=o2QITWrBkFE
[2] http://hatepoetry.com/
[3] http://www.youtube.com/watch?v=CCxLGvGjlKY
[4] http://www.youtube.com/watch?v=a02EJCCmC6U
[5] http://blogs.taz.de/hausblog/2014/12/19/hate-poetry-sonderpreis-des-medium-…
[6] http://twitter.com/dorisakrap
[7] http://twitter.com/Besser_Deniz
[8] http://twitter.com/OezlemTopcu
[9] http://twitter.com/mamjahid
[10] http://www.facebook.com/pages/Jilet-Ayse/240674499337938
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Ausgehen und Rumstehen
Schwerpunkt Rassismus
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Integration
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Mauerfall
Journalist
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