# taz.de -- Kommentar Pegida und AfD: Aufstand gegen irgendwas | |
> Merkel muss Pegida und die AfD nicht fürchten. Denn die Wutbürger leiden | |
> unter Phantomschmerzen. Bald sitzen sie trotzig wieder zu Hause. | |
Bild: Vor allem dagegen: Pegida-Anhänger am 22. Dezember in Dresden | |
Seit zehn Jahren gibt es in der Union immer mal die Kritik, dass die Partei | |
nicht mehr konservativ genug sei. Angela Merkel, heißt es dann, habe die | |
Partei zu weit in die Mitte geführt. Doch zu einem ordentlichen | |
Flügelstreit reicht es nie. Dazu fehlt es den Rechten in der Union an einer | |
leidlich bekannten Führungsfigur und an einem Ziel. | |
Dieses Dilemma zeigte sich vor zwei Jahren, als der konservative „Berliner | |
Kreis“ versuchte, seine Ideen zu Papier zu bringen. Manche waren für | |
Mindestlohn und Atomkraft, andere dagegen. Am Ende war man sich einig, dass | |
man sich nicht einig war. | |
Der Konservativismus war seit seinem Beginn, der Französischen Revolution | |
1789, reaktiv und hatte nie viel eigenes Gewicht. In der Ära des | |
Postideologischen scheint er überflüssig geworden zu sein. Seit 1990 fehlen | |
ihm die Feinde. „Konservativ“ ist in der Union zum Label für alle | |
Unzufriedenen geworden, die mal über Merkel nörgeln wollen. Ein Nullwort. | |
Aber stimmt das angesichts von AfD und Pegida noch? Anscheinend formiert | |
sich außerhalb der Union eine Bewegung, die die verwaiste Landschaft rechts | |
in Beschlag nimmt. Das, so die Lesart, sei der Preis des Erfolgs von | |
Merkel, in deren Ära sich die Union vorsichtig kulturell modernisiert habe. | |
Für Schwule ist in der Union 2015 Platz, für Fremdenhasser eher nicht. Das | |
war mal anders. | |
## Die neue Rechte bleibt vage | |
Haben wir es also mit einer Art achsensymmetrischer Wiederholung von 2004 | |
zu tun, als die SPD mit Hartz IV Teile ihres linken Flügels aus der Partei | |
trieb – nun auf der Rechten? Eher nicht. Die SPD zerstörte mit der Agenda | |
rüde einen Teil ihrer Kernidentität. Wer 2004 der SPD den Rücken kehrte, | |
hatte dafür klare, politische Gründe. Die Linkspartei, die gegen die Rente | |
mit 67, Afghanistan und Hartz IV ins Feld zog, war das präzise Echo dieser | |
Wende. | |
Das kann man von der neuen Rechten nicht sagen. Lässt man die | |
Rechtsextremen und einen kleinen, autoritär-bürgerlichen Kern in der AfD | |
beiseite, erkennt man vor allem Vages. Man ist euroskeptisch, gegen | |
Migranten, aber nicht gegen alle. Man möchte kein Rassist sein, redet aber | |
so. | |
Zusammengehalten wird die Bewegung von dem ausgehärteten Gefühl, zu kurz zu | |
kommen. Man fühlt sich übervorteilt von Medien, Politikern, Ausländern. Es | |
ist eine Sammlung von Wütenden, deren Zorn auf die Schwächsten, die | |
Flüchtlinge, zielt. Diese Rage hat etwas seltsam Zufälliges. Sie könnte | |
auch der EU oder Putin, niedrigen Zinsen für deutsche Sparer oder | |
Griechenland gelten. | |
Es ist daher kein Zufall, sondern typisch, dass Pegida dort gegen eine | |
muslimische Bedrohung demonstriert, wo es kaum Muslime gibt. Kurzum: Die | |
Bewegung liebt ihre Wut mehr als alles andere. Sie leidet an | |
Phantomschmerzen, gegen die es kein Medikament gibt. Wer glaubt, sie wäre | |
mit einem verschärften Asylrecht oder Law-and-Order-Rhetorik zu | |
besänftigen, hat nichts begriffen. | |
## Eine deutsche Besonderheit | |
Die Prognose, dass der Bundesrepublik eine europäische Normalisierung | |
bevorsteht, ist jedenfalls verfrüht. Von Österreich über Dänemark bis | |
Frankreich existieren ähnlich ressentimentgeladene Rechtsparteien. | |
Allerdings gibt es eine deutsche Besonderheit. Die meisten Rechtsparteien | |
haben ein Anliegen: Die Lega Nord oder Blochers SVP sind | |
Wohlstandschauvinisten, die den Habenichtsen nichts abgeben wollen. | |
Geert Wilders kann man als bösartige Antwort auf die Schwächen des | |
holländischen Integrationsmodells begreifen. Doch AfD und Pegida? | |
Wahrscheinlich werden die Zornigen demnächst wieder zu Hause bleiben. Im | |
trotzigen Bewusstsein, dass es ja doch nichts nutzt, auf die Straße oder | |
wählen zu gehen. | |
Merkel hat sich von den Rechtspopulisten klar abgegrenzt. Das hat wohl | |
weniger mit politischer Moral zu tun. Die Kanzlerin kennt die Schwäche der | |
Rechten in und außerhalb der Union. Ihr eindeutiges Nein zur Bewegung fußt | |
auf machtkühler Analyse: Mit diesen windigen Wutkonservativen ist kein | |
Staat zu machen. | |
4 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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