| # taz.de -- taz-Dossier „Comeback der Folter“: „Strafrechtliche Aufarbeit… | |
| > Das Schweigen der Deutschen zur Folter in Guantánamo war ein Fehler, sagt | |
| > der Ex-Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning. | |
| Bild: Stacheldraht in Guantánamo. Im Hintergrund ein Symbol der Freiheit. | |
| taz: Herr Löning, haben Sie die Inhalte des CIA-Folterberichts überrascht? | |
| Markus Löning: Nein, denn im Wesentlichen wurde ja bestätigt, was man | |
| bereits wusste. | |
| Kannten Sie die Inhalte schon, als Sie der Menschenrechtsbeauftragte der | |
| Bundesregierung waren? | |
| Ja, die Informationen waren schon vor meiner Zeit als | |
| Menschenrechtsbeauftragter bekannt. Präsident Obama hat ja aufgrund der | |
| Erkenntnisse bei seinem Amtsantritt 2009 die Folterpraktiken gestoppt. | |
| Wie sind Sie mit diesen Informationen umgegangen? | |
| Bei meinem Besuch in Guantánamo und meinen Gesprächen in Washington standen | |
| die Haftbedingungen im Vordergrund. Und die Tatsache, dass die Menschen | |
| dort ohne eine rechtskräftige Verurteilung und ohne Zugang zum Recht | |
| festgehalten werden. Und nicht so sehr die Folterfragen. | |
| Folter war also gar kein Thema in der Bundesregierung? | |
| Ich habe mich in dieser Zeit darauf konzentriert, jemanden herauszuholen | |
| und den Bundestag davon zu überzeugen, den Amerikanern klarzumachen: | |
| Guantánamo muss geschlossen werden. Auch bei meinen Gesprächen mit dem | |
| US-Außen- und dem Verteidigungsministerium oder Vertretern des Kongresses | |
| ging es eher um die Auflösung von Guantánamo als um Strafverfolgung von | |
| jenen, die gefoltert haben. Präsident Obama hatte ja bei seinem Amtsantritt | |
| die Strafverfolgung ausgeschlossen. Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, | |
| dass die Bundesregierung dazu praktisch nichts gesagt hat. | |
| Müsste die Bundesregierung jetzt klar fordern, dass die USA die Folterer | |
| strafrechtlich verfolgen? | |
| Ja, nach der Veröffentlichung des Berichts muss es unbedingt eine | |
| strafrechtliche Aufarbeitung geben. Die Amerikaner fordern ja an anderer | |
| Stelle selbst zu Recht, dass es keine Straflosigkeit bei | |
| Menschenrechtsverletzungen geben darf. | |
| Welche Möglichkeiten hat eine Bundesregierung, Druck auf Staaten auszuüben, | |
| die foltern? | |
| Es muss klar sein, dass wir in diesen Ländern nicht mit Polizei und Militär | |
| arbeiten und sie auch nicht ausrüsten. Genauso ist klar, dass ganz | |
| grundsätzlich für Polizeiarbeit und in Gerichtsverfahren keine erfolterten | |
| Geständnisse verwendet werden. Die Bundesregierung muss Folter in den | |
| Medien und in UN-Gremien immer wieder anprangern. Und wir müssen in | |
| Deutschland zeigen, dass Geheimdienste vollumfänglich in jeder Situation | |
| die Regeln des Grundgesetzes einhalten und trotzdem beim Schutz von | |
| Sicherheit effektiv sind. Und wir müssen in Europa zeigen, dass Schutz von | |
| Bürgerrechten und Sicherheit zusammengehen können. | |
| Wie arbeitet Europa zusammen im Kampf gegen Folter? | |
| Die letzte Außenbeauftragte war ein Totalausfall, was das Thema | |
| Menschenrechte anging. Ich hoffe, das wird jetzt besser. Denn es ist ja ein | |
| Kern der Europäischen Union, dass wir gegen Folter und | |
| Menschenrechtsverstöße sind. Dass wir also unsere eigenen Bürger schützen, | |
| das macht den Unterschied aus zu vielen anderen Ländern. | |
| Nach den Anschlägen in Frankreich rufen aber viele nach schärferer | |
| Überwachung. | |
| Ich kann nur sagen, wer jetzt die Bürgerrechte in Europa einschränkt, der | |
| spielt das Spiel derjenigen, die Hass gesät haben. Und er verletzt genau | |
| das, wofür 3 Millionen Franzosen auf die Straße gegangen sind, nämlich für | |
| ihre republikanischen Werte. Es wird jetzt darauf ankommen, dass wir unser | |
| Zusammenleben anders organisieren und der terroristischen Bedrohung eine | |
| rechtsstaatliche Antwort entgegensetzen. Dass wir unsere Dienste so | |
| organisieren, dass sie einer vollen parlamentarischen Kontrolle | |
| unterliegen, die von Gerichten überprüft werden können. Dass wir also ganz | |
| entschieden einen anderen Weg gehen als den, den die Amerikaner gegangen | |
| sind nach den Anschlägen auf das World Trade Center. | |
| Es scheint aber eher in Richtung Homeland denn Transparenz zu gehen. | |
| Der reflexhafte Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung ist nahezu lächerlich | |
| und trägt überhaupt nicht zu mehr Sicherheit bei. Das wird den Opfern nicht | |
| gerecht. Und passt auch nicht zu dem, was in der vergangenen Woche passiert | |
| ist. Wir brauchen jetzt eine substanzielle Diskussion, wie Dienste auf der | |
| Basis von einer überprüfbaren Rechtsstaatlichkeit gut funktionieren können. | |
| Die Antwort muss sein: Wir können in einer freien Gesellschaft Sicherheit | |
| organisieren. | |
| 19 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ines Pohl | |
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