| # taz.de -- Tagebuch eines Guantanámo-Häftlings: Stimme aus einer geheimen We… | |
| > Mohamedou Ould Slahi wurde in Guantanámo inhaftiert und gefoltert. | |
| > Darüber hat er ein Buch geschrieben, das nun erscheint – zensiert. | |
| Bild: Nichts für die Öffentlichkeit: der Bruder des Autors mit geschwärzten … | |
| LONDON taz | Zwei Seiten mit schwarzen Balken, das Resultat der Zensur der | |
| US-Behörden. Larry Siems schlägt eine Seite des „Guantanamo Tagebuchs“ von | |
| Mohamedou Ould Slahi auf. „Hier sollte ein Gedicht stehen“, erklärt er. | |
| „Dass man es zensiert hat, stört mich als ehemaligen Dichter besonders.“ | |
| Schwarze Balken finden sich auf vielen Seiten. | |
| Der New Yorker Siems ist nach London gekommen, um der Welt das „Guantanamo | |
| Tagebuch“ vorzustellen. Seit dem Jahr 2012 ist Siems, Direktor der | |
| Menschenrechtsorganisation Pen, mit dem Buch befasst. 466 Seiten | |
| freigegebene Aufzeichnungen des inhaftierten Mauretaniers Slahi hat er zur | |
| Publikation vorbereitet. Es war dabei nicht das erste Mal, dass er Berichte | |
| aus Guantánamo gelesen hatte. Schon vor drei Jahren brachte er das Buch | |
| „Der Folterreport“ heraus. Untertitel: „Was Dokumente über das | |
| Folterprogramm Amerikas nach 9/11 aussagen“. | |
| Doch Slahis Notizen seien anders, erklärt er. Slahi sei einer der am | |
| meisten Gefolterten gewesen, man unterzog ihn den Maßnahmen des „Special | |
| Projects“. Sein Notizbuch stimme mit den offiziellen Akten der | |
| Geheimdienste in präzisen Details überein. Slahi würde dabei ein | |
| verstecktes Universum ausleuchten und einen Machtkampf zwischen FBI und | |
| Militärvernehmern zum Thema Folter offenlegen. Dazu kämen die vielen | |
| Stationen der Gefängnisse und Folterorte, „Gulags des Post-9/11-Zeitalters“ | |
| nennt es Siems. Aber es sei die menschliche Stimme aus einer versteckten | |
| und geheimen Welt, die durch Slahis Worte zum Vorschein komme. | |
| Das Tagebuch kam überhaupt erst durch das Mitwirken der | |
| Menschenrechtsanwältin Nancy Hollander zustande. Hollander berichtet von | |
| ihrem ersten Treffen im Jahr 2005 mit Mohamedou Slahi. „Wir kündigten | |
| unseren Besuch in Guantanamo Bay an, wussten aber nicht, ob diese | |
| Ankündigung überhaupt bei ihm ankommen würde. Am Ende der Durchsuchungen | |
| stand da plötzlich ein kleiner dürrer Mann, vor Freude lächelnd, mit | |
| offenen ausgestreckten Armen, als ob er zu uns laufen wollte. Dann sahen | |
| wir, er war an seinen Fußgelenken an den Boden gekettet.“ Schon damals gab | |
| er Hollander ein kleines Notizbuch und die Anwältin ermunterte ihn, | |
| weiterzuschreiben. | |
| ## Mit den Folterern Tee trinken | |
| Doch alle Dokumente mussten erst durch die Staatszensur der US-Regierung. | |
| Anwälte mussten die Freigabe jedes Dokuments beantragen. Erst im Jahr 2012 | |
| wurden 466 Seiten, viele zensiert, freigegeben. Das Team kämpfte weiter um | |
| seine Entlassung aus dem Straflager und besuchte ihn etwa alle drei Monate, | |
| berichtete Hollander. Sie bezeichnete Slahi als einen unglaublichen | |
| Menschen: Nach all den Folterungen, die nie zu einer Anklage führten, hat | |
| er die Kraft zu sagen, er wolle sich mit den Folterern zum Tee hinsetzen, | |
| „weil wir viel voneinander lernen können“. Trotz seines Freispruchs 2010 | |
| geht der Kampf um seine Freilassung und die von etwa 50 Inhaftierten | |
| weiter. | |
| Mohamedous jüngerer Bruder Yahdih, der heute in Düsseldorf lebt, berichtet | |
| auf Deutsch vom Kampf der Familie, überhaupt zu erfahren, wo sein Bruder | |
| nach der Festnahme im Jahr 2001 festgehalten wurde. Lange habe die | |
| mauretanische Polizei ihnen nicht die Wahrheit verraten. Man spielte der | |
| Familie vor, Mohamedou sei noch in Mauretanien, „und so schickte meine | |
| Mutter Essen, Kleidung und Geld an ihn, was die Beamten gerne in Empfang | |
| nahmen“. Doch Mohamedou Slahi war längst andernorts. Am 8. 9. 2009 kam dann | |
| der erste Brief, gerichtet an den älteren Bruder. Mohamedou sei in | |
| Guantánamo, „wartet nicht, und zahlt bitte meine Schulden an die Nachbarn“! | |
| 20 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Zylbersztajn | |
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