# taz.de -- taz-Dossier: „Comeback der Folter“: Knappe Mehrheit für „Ret… | |
> Jurastudenten befürworten in einer Befragung Quälereien, um etwa | |
> Terroranschläge zu verhindern. Das sorgt für entsetzte Reaktionen. | |
Bild: Zur Hälfte Folterer? JurastudentInnen in einer Vorlesung. | |
FREIBURG taz | Jeder zweite junge Jurastudent befürwortet Folter, um | |
Menschen zu retten. Zu diesem erschreckenden Ergebnis kommt der Erlanger | |
Strafrechtsprofessor und Kriminologe Franz Streng in einer 2014 | |
veröffentlichten Studie. | |
Streng hatte viermal seine Erlanger Studienanfänger befragt: 2003, 2005, | |
2007 und 2010, insgesamt 1.077 Studierende. Nur 41,9 Prozent von ihnen | |
lehnten Folter generell ab. 22,1 Prozent sagten, Folter solle zulässig | |
sein, „wenn sie ein Menschenleben retten kann“. | |
Weitere 29,2 Prozent der Befragten akzeptierten Folter zumindest „zur | |
Abwehr schwerster Gefahren für die Allgemeinheit“, etwa bei drohendem | |
Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Terroristen. 6,8 Prozent hatten | |
keine Meinung. Unter dem Strich hielten also immerhin 51,3 Prozent der | |
befragten Jurastudenten eine staatliche „Rettungsfolter“ in bestimmten | |
Lagen für wünschenswert. Hinzu kam, dass fast ein Drittel – 31,8 Prozent – | |
für die Wiedereinführung der Todesstrafe plädierte. | |
Das Ergebnis wurde in den Medien mit Erschütterung aufgenommen. „[1][Das | |
sollte jedem Angst machen], der mal mit dem Gesetz in Konflikt kommt“, | |
warnte die Huffington Post. Und die Zeit urteilte, diese Studenten seien | |
„[2][nicht nur die neue Generation] des ’Richters Gnadenlos‘. Das sind | |
Verfassungsfeinde.“ | |
## Lückenloses Verbot | |
Tatsächlich ist nicht nur bei der Todesstrafe die Rechtslage eindeutig. Die | |
Folter ist lückenlos verboten: Von der Anti-Folter-Konvention der UNO über | |
die Menschenrechtskonvention des Europarats und das deutsche Grundgesetz | |
bis hin zur Strafprozessordnung und den Polizeigesetzen der Länder ist | |
klipp und klar festgestellt, dass der Staat niemandem Schmerzen zufügen | |
darf, um eine Aussage zu erzwingen. Weder für tragische Einzelfälle noch | |
für Krieg und Terrorismus sind Ausnahmen vorgesehen. | |
Allerdings wurden die Erlanger Jurastudenten gleich zu Beginn ihres | |
Studiums befragt, quasi noch als juristische Laien. Es ist zu hoffen, dass | |
sie das Recht am Ende des Studiums besser verinnerlicht haben – was Streng | |
freilich nicht untersucht hat. | |
Und die Befragung legt auch nahe, dass ein Befürworten der Folter nicht bei | |
allen Teilnehmern Ausdruck einer harten, unbarmherzigen Einstellung ist. | |
Manche wollen einfach Gefahren abwenden und Opfer retten. Als naive Haltung | |
von Schulabgängern, die Folter vermutlich für ein effizientes Mittel halten | |
und nicht über die drohende Verrohung des Polizeialltags nachdenken, ist | |
der Wunsch, mit allen Mitteln zu helfen, zumindest nachvollziehbar. | |
Als Reaktion auf die Folterdrohung des Frankfurter Polizeivize Wolfgang | |
Daschner in einem dramatischen Entführungsfall gab es viel schlimmere | |
Entgleisungen. So schwadronierte 2003 ausgerechnet der damalige Vorsitzende | |
des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, über „erlaubte“ Fälle von | |
Folter. Und zwei Drittel der Deutschen wollten, dass Daschner nicht | |
bestraft wird (am Ende bekam er eine Verwarnung und eine Geldstrafe auf | |
Bewährung). | |
So gesehen sind 41 Prozent eindeutige Foltergegner unter den Jurastudenten | |
gar nicht so schlecht. | |
19 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.huffingtonpost.de/2014/10/27/todesstrafe-folter-jura_n_6052296.h… | |
[2] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-10/todesstrafe-juristen-… | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Terrorismus | |
Todesstrafe | |
Juristen | |
Folter | |
Folter | |
Jan Philipp Reemtsma | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Guantanamo | |
Philippinen | |
Bundesregierung | |
Dianne Feinstein | |
CIA | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Tagebuch eines Guantanámo-Häftlings: Stimme aus einer geheimen Welt | |
Mohamedou Ould Slahi wurde in Guantanámo inhaftiert und gefoltert. Darüber | |
hat er ein Buch geschrieben, das nun erscheint – zensiert. | |
taz-Dossier: „Comeback der Folter“: Katastrophe für den Rechtsstaat | |
2002 entführte und tötete Magnus Gäfgen Jakob von Metzler, anschließend | |
schwieg er eisern. Die Ermittler drohten ihm mit Gewalt. Ein Fehler. | |
taz-Dossier „Comeback der Folter“: „Es herrschte schreckliche Angst“ | |
Wladimir Bedukadse machte die Folter in den Knästen Georgiens öffentlich. | |
Trotz Massenprotesten hat sich am System nichts geändert, sagt er. | |
taz-Dossier „Comeback der Folter“: „Strafrechtliche Aufarbeitung tut not�… | |
Das Schweigen der Deutschen zur Folter in Guantánamo war ein Fehler, sagt | |
der Ex-Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning. | |
taz-Dossier „Comeback der Folter“: Eine paradoxe Strategie | |
Staaten, die foltern, unterschätzen die Sprengkraft der Wut der | |
Gefolterten. Ein Gastbeitrag der Generalsekretärin von Amnesty | |
International. | |
taz-Dossier „Comeback der Folter“: „Die Glaubwürdigkeit nicht verlieren�… | |
Folter muss strafrechtlich verfolgt werden: Wolfgang Neskovic über die | |
Bedeutung des CIA-Folterreports für Deutschland und Europa. | |
taz-Dossier „Comeback der Folter“: Verrohte politische Kultur in den USA | |
Nach der Veröffentlichung des CIA-Berichts trumpfen die Scharfmacher auf. | |
Viele halten Folter in bestimmten Lagen für angemessen. | |
Details aus dem CIA-Folterbericht: Waterboarding, Schlafentzug, Schläge | |
Mindestens 39 Terrorverdächtige hat die CIA in geheimen Gefängnissen | |
gefoltert. Im Bericht werden die Ausmaße deutlich – und wer profitiert hat. |