| # taz.de -- Obamas Rede zur Lage der Nation: Es geht uns blendend | |
| > Die US-Wirtschaft boomt, die sozialen Reformen greifen: Obamas Rede zur | |
| > Lage der Nation fällt rosig aus. Die Republikaner sehen das ganz anders. | |
| Bild: Es geht bergauf: Barack Obama über die Lage der Nation. | |
| WASHINGTON taz | Die Demokraten haben im November die Kongresswahlen | |
| verloren. Barack Obama ist für seine zwei letzten Amtsjahre mit | |
| republikanischen Mehrheiten in Senat und Abgeordnetenhaus konfrontiert. | |
| Doch der US-Präsident tritt auf wie ein Sieger. Er nutzt seine sechste Rede | |
| zur Lage der Nation, um eine Erfolgsgeschichte zu erzählen: wirtschaftliche | |
| Erholung, Verbesserungen für die Mittelklasse und weniger als fünf Prozent | |
| Arbeitslosigkeit. | |
| Obama stellt auch soziale Reformen in Aussicht, die im scharfen Kontrast zu | |
| den Absichten der Republikaner stehen. Mehrfach droht er mit seinem Veto, | |
| etwa falls der Kongress versuchen sollte, seine Reformen auszuhöhlen oder | |
| die Iran-Verhandlungen durch Sanktionen zu boykottieren. Die Außenpolitik | |
| bleibt hingegen ein Randthema. Obama erwähnt die Öffnung gegenüber Kuba und | |
| seinen Plan, beim UN-Klimagipfel in Paris ein verbindliches Abkommen | |
| hinzukriegen. Der Nahostkonflikt wird gar nicht erwähnt. Und Europa nennt | |
| er nur im Zusammenhang mit den Attentaten in in Frankreich. | |
| Die gegenwärtige Situation beschreibt Obama wie den Beginn einer | |
| vielversprechenden, neuen Epoche. Für ihn ist das „fünfzehnte Jahr des | |
| neuen Jahrhunderts“ die Zeit nach „zwei langen und teuren Kriegen“. Nach | |
| einer „teuflischen Rezession“ und nach einer „harten Zeit für viele“ s… | |
| er eine Lobeshymne auf die Ökonomie, in der er 32 Mal das Wort | |
| „Wirtschaft“, 57 Mal „Arbeit“ und mehrfach auch die gesunkene Schuldenl… | |
| erwähnt. | |
| Und es klingt geradezu idyllisch, wenn er darüber spricht, dass die USA | |
| mehr Jobs geschaffen haben, als alle anderen Industrienationen zusammen. | |
| Dass es mehr Krankenversicherte gibt als je zuvor, dass die USA jedes Jahr | |
| mehr Energie aus eigenen Quellen herstellen. | |
| Neben seiner Frau Michelle sitzen auf der Gästetribüne Leute, deren | |
| Erfolgsgeschichten der „Storyteller in Chief“ erzählt: darunter ein Paar, | |
| das es geschafft hat, den Absturz in der Rezession zu überwinden und Alan | |
| Gross, ein ehemaliger kubanischer Häftling, der im Zuge der Annäherung | |
| zwischen den USA und Kuba im Dezember freigelassen wurde. Als Obama ihn | |
| erwähnt, steht Gross auf und grüßt den applaudierenden Kongress mit | |
| erhobener Faust. | |
| ## „Zweimal kandidiert, zweimal gewonnen“ | |
| Als spräche er zu einem Kongress, der politisch am selben Strang ziehen | |
| wolle, zählt Obama Reformen auf, die die USA tatsächlich auf eine Ebene mit | |
| anderen Industrienationen bringen könnten: Er will bezahlte Krankentage – | |
| maximal eine Woche pro Jahr –, für Beschäftigte einführen, schlägt | |
| Breitband-Internet-Verbindungen für alle vor und eine bessere Versorgung | |
| mit Kindergartenplätzen. Doch darauf reagieren nur die Demokraten. Sie | |
| springen auf und applaudieren wenn Obama über Fortschritte im sozialen | |
| Bereich referiert. | |
| Die Republikaner bleiben sitzen und klatschen höflich, wenn der Präsident | |
| Patriotisches über den Einsatz von US-Soldaten und die internationale | |
| Führungsrolle seines Landes spricht. Einmal kommt aus den republikanischen | |
| Sitzreihen auch höhnisches Klatschen, als Obama sagt: „Ich muss keine | |
| Wahlkampagne mehr machen.“ Er fängt die Reaktion mit einer Retourkutsche | |
| auf, die ihn erneut siegreich erscheinen lässt. „Ja“, improvisiert er mit | |
| breitem Grinsen, „ich habe zweimal kandidiert und zweimal gewonnen“. | |
| Der sinkende Ölpreis hat die Stimmung im Land verbessert. Und Umfragen kurz | |
| vor der Rede zur Lage der Nation zeigen auch, dass Obama nach einem langen | |
| Popularitätstief wieder über die 50 Prozent-Marke gestiegen ist. Die | |
| Republikaner hingegen haben jetzt zwar die Mehrheiten, doch müssen sie mit | |
| tiefen Spaltungen in ihren eigenen Reihen umgehen. Schon gegen die knappe | |
| Wahl des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses haben | |
| Abgeordnete vom rechten Rand rebelliert. Bei der kommenden Kandidatenkür | |
| für die Präsidentschaftswahl werden moderate und rechte Republikaner noch | |
| härter aufeinanderprallen. | |
| ## Kein Wort zu Geheimdiensten | |
| Bei Themen, zu denen US-Linke auf Antworten hoffen, äußert Obama sich nur | |
| zurückhaltend. Er belässt es bei allgemeinen Bekenntnissen zum friedlichen | |
| Zusammenleben von weißen und schwarzen US-Amerikanern – bezieht aber keine | |
| Stellung zur Polizeigewalt. Er will den Klimawandel aufhalten – macht aber | |
| keine verbindliche Ankündigung, dass er die Keystone-XL-Pipeline stoppen | |
| wird. Und er sagt kein einziges Wort über die Machenschaften der | |
| Geheimdienste. Hingegen kündigt er verschärfte Sanktionen „gegen | |
| ausländische Nationen“ an, die den „Datenschutz von amerikanischen | |
| Familien“ verletzen. | |
| Kaum ist Obama fertig, ergreift in einem kleinen Nebenraum, aber ebenfalls | |
| vom Fernsehen übertragen, eine von der republikanischen Partei bestimmte | |
| Abgeordnete das Wort zu der üblichen Entgegnung auf die Rede des | |
| Präsidenten. Joni Ernst aus Iowa stellt sich als „Mutter, Soldatin und | |
| Politikerin“ vor. Dann spricht sie acht Minuten, ohne auf Obama zu | |
| antworten. Sie zeichnet ein so gegensätzliches Bild zur Lage der Nation, | |
| als spräche sie von einem anderen Land: der Wirtschaft geht es schlecht, | |
| die Löhne sind niedrig und es fehlen Jobs. | |
| 21 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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