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# taz.de -- Verbot von Pestiziden in Südtirol: Referendum hui, Gemeinderat pfui
> Die Einwohner von Mals stimmen für ein Verbot fieser Ackergifte. Der
> Gemeinderat übergeht das Votum. Aber die Gegner sind nicht klein zu
> kriegen.
Bild: Superschöne Landschaft in Südtirol. Wer ahnt, dass die Thermik in den A…
BERLIN taz | Deutschlands größter Biobauernverband, „Bioland“, hat ein
Verbot der bienenschädlichen Pestizidart Neonicotinoide und des
Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat gefordert. Nötig sei auch eine Abgabe
auf Ackergifte, um die gesellschaftlichen Kosten des steigenden
Chemieeinsatzes zu decken, sagte Bioland-Präsident Jan Plagge auf der
Berliner Agrarmesse „Grüne Woche“.
Ein Sprecher des Industrieverbandes Agrar, in dem Chemieunternehmen
organisiert sind, reagierte ablehnend: Eine zusätzliche Steuer würde „die
Preise für heimische Produkte“ oder die Nachfrage nach Agrarrohstoffen aus
anderen Weltregionen steigern.
Zwischen 2002 und 2012 sei der Pestizidabsatz in Deutschland um 30 Prozent
in die Höhe geschnellt, so Bioland. 37 Prozent der hiesigen
Grundwasservorkommen seien belastet; Pestizide erhöhten die Gefahr von
Krankheiten; die Artenvielfalt nehme ab; Landwirte trauten sich nicht, auf
Ökolandbau umzusteigen, weil Abdriften konventioneller Nachbarn ihre Ernte
gefährden würden.
Genau diese Zustände hatten auch die Bewohner der 5.000-Einwohner-Gemeinde
Mals im Südtiroler Obstanbaugebiet Vinschgau satt. Durch die Thermik in den
Alpen und den stetigen Wind wehten beständig Pestizidwolken auf Bioflächen,
Wanderwege und Schulhöfe. Sie hätten alles Erdenkliche versucht, aber es
sei „unmöglich, die Abdrift in den Griff zu bekommen“, berichtete der
Malser Bürgermeister Ulrich Veith auf der Grünen Woche.
## Zu viel Interessen, zu wenig Volk
Also wurde im September in Mals die weltweit erste Volksabstimmung gegen
Pestizide abgehalten. Ergebnis: 75 Prozent sprachen sich für eine giftfreie
Zukunft aus – obwohl im Vorfeld massiver Druck auf den Bürgermeister und
seine Mitstreitenden ausgeübt worden war. Offenbar aus Angst davor, dass
Mals weltweit Schule machen könnte, hatten interessierte Kreise behauptet,
die Abstimmung falle nicht in die Zuständigkeit der Kommune und sei
„illegal“. Doch der Bürgermeister ließ sich weder von Klagedrohungen noch
durch die Androhung eines Amtsenthebungsverfahrens beeindrucken.
Dennoch scheiterte vor wenigen Tagen der Versuch, das Ergebnis des
Referendums in der Gemeindesatzung festzuschreiben. Nur neun Gemeinderäte
stimmten dafür, einer war dagegen, fünf enthielten sich, fünf blieben der
Sitzung fern. „Viele Interessenvertreter, zu wenige Volksvertreter im
Gemeinderat!“, erregten sich zahlreiche Malser.
„Wir gehen unseren Weg weiter!“, kündigte Gemeindevorsteher Ulrich Veith in
Berlin an, unterstützt von Bioland. In Italien sei der Bürgermeister als
oberstes Organ auch für Gesundheit zuständig und insofern zum Einschreiten
verpflichtet, wenn Ackergifte in Schulhöfe und Kindergärten wehten. „Ich
möchte die EU sehen, die sagt: Lass das. Ich hab keine Angst vor der EU
oder dem Staat.“
22 Jan 2015
## AUTOREN
Ute Scheub
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