# taz.de -- Online-Konzerne im Wettbewerb: Facebook die Daten wegnehmen? | |
> Das Online-Netzwerk will jetzt mit noch mehr Wissen noch mehr werben. | |
> Bestseller-Autor Evgeny Morozov hätte einen Gegenvorschlag. | |
Bild: Facebook wird in diesen Tagen wieder ganz genau beobachtet – auch vom J… | |
Ab diesem Freitag gelten für Kunden des Unternehmens Facebook neue | |
Nutzungsbedingungen. Facebook wird Werbung stärker personalisieren und es | |
wird dafür mehr Daten als bisher verwenden. Wer auf Facebook mitteilt, wo | |
er gerade ist, wird beispielsweise Anzeigen für Restaurants in der Nähe zu | |
sehen bekommen. | |
Gleichzeitig soll es für Facebook-Kunden einfacher werden, | |
nachzuvollziehen, wer die Beiträge, die sie in dem Netzwerk | |
veröffentlichen, sehen kann. Es ist wie immer, wenn Facebook seine Daten | |
noch etwas intensiver nutzt: Alle Welt diskutiert. Auf Facebook selbst wird | |
man vorher kaum informiert, jedenfalls nicht von Facebook. | |
Ende Dezember schrieb der Parlamentarische Staatssekretär im | |
Justizministerium Ulrich Kelber in der Sache schon einmal an die Facebook | |
Ireland Ltd., den Europa-Sitz des Unternehmens, und an die Facebook Germany | |
GmbH, Pariser Platz 4a. „Der Kern des Problems besteht darin“, beklagte | |
Kelber, „dass immer noch nicht ausreichend in der Datenrichtlinie | |
dargestellt wird, welche Daten bei welchem Vorgang zu welchen Zwecken | |
erhoben werden und wie diese Daten verarbeitet, genutzt und ausgewertet und | |
an Dritte übertragen werden.“ | |
## Jeden immer überall bewerben | |
Weder sei klar, ob Facebook spezielle Werbeprofile für einzelne Kunden | |
erstelle, noch welche Rolle die Werbeplattform Atlas spiele. Facebook hatte | |
die Werbefirma Atlas übernommen. Die nennt sich nun [1][„Atlas by | |
Facebook“] und verspricht „people based“-Marketing. Was konkret bedeutet, | |
dass Atlas mit Hilfe der Facebook-Profile jede Nutzerin überall erkennen | |
will - egal auf welchem Gerät, mit welchem System sie gerade Webseiten | |
besucht. | |
Am Mittwoch diskutierten Datenschützer, Facebook-Vertreter und Abgeordnete | |
im Rechtsausschuss des Bundestages über die neuen Nutzungsbedingungen, die | |
Facebook eigentlich schon einen Monat zuvor hatte einführen wollen. Auch | |
der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, zuständig für | |
Facebook, war dabei. Er hat dem Unternehmen wieder einmal Fragen gestellt | |
und wartet auf Klärung. Seine größten Bedenken: Dass Facebook mit den Daten | |
von Whatsapp-Nutzern und Instagram-Mitgliedern komplexe Profile erstellt, | |
die „immense statistische Möglichkeiten“ mit sich brächten. | |
Facebook bestreitet, dass es das überhaupt vorhat. „Dann sollen sie es doch | |
reinschreiben“, sagt Johannes Caspar. In den neuen Nutzungsbedingungen wird | |
die Kombination der Daten aus all den Diensten, die Facebook gekauft hat, | |
aber nicht ausgeschlossen. | |
## Zustimmungsbutton fehlt bisher | |
Der Verbraucherschutz-Staatssekretär Kelber schlägt für die neuen | |
Nutzungsbedingungen einen Zustimmungsbutton vor, mit dem Facebook-Kunden | |
signalisieren könnten, dass sie die Änderungen tatsächlich zur Kenntnis | |
genommen haben und mit ihnen einverstanden sind. Nach deutschem Recht | |
müsste das Unternehmen diese Zustimmung eigentlich einholen – tut es aber | |
nicht. | |
Evgeny Morozov will gar nicht allzu viel über dieses Kleingedruckte reden. | |
Im Gespräch mit der taz.am wochenende formuliert er das Problem | |
grundsätzlicher: „Derzeit gehen wir von der Annahme aus, dass Daten der | |
jeweiligen Firma gehören, mit deren Ressourcen sie hergestellt worden sind. | |
Suchen gehört Google. Soziale Kontakte gehören Facebook. Die Information | |
darüber, wohin mich mein Fahrer fährt, gehört dem Taxi-Dienst Uber.“ Das | |
sei das Paradigma des Silicon Valley, stellt Morozov fest, der mit seinen | |
Büchern „The Net Delusion“ und „To Save Everything, click here“ für | |
Aufsehen gesorgt hat. | |
## Niemand soll Daten besitzen | |
Gerade, sagt Morozov, entstehe noch ein anderes Paradigma, das besagt: Die | |
Daten gehören den Bürgern. Und die könnten mit ihren Daten handeln, Geld | |
verdienen. „Vielleicht ist das so ein neuer Ansatz, um Arbeitslosigkeit zu | |
bekämpfen. Man verkauft seine Daten, damit man dafür Geld bekommt. Ich | |
glaube, beide Ideen führen in eine demokratische und politische Sackgasse.“ | |
Morozov schlägt eine Alternative vor: „Niemand sollte Daten besitzen. Luft | |
gehört auch keinem. Bürger sollen mit ihren Daten etwas tun dürfen. Sie | |
haben also eine digitale Identität, die extrem gut verschlüsselt ist und | |
sicher. Der Staat gewährleistet den Zugang, auch Unternehmen dürfen die | |
Daten nutzen. Vielleicht gegen eine Gebühr.“ | |
Während bei Facebook über Werbedaten diskutiert wird und Politiker wie | |
Kartellrechtler für Google das große Wort von der Zerschlagung diskutieren, | |
wird ein weiteres Unternehmen zum neuen Feindbild von Datenschützern und | |
Politikern. Zwar hat der Chef des Fahrdienstes Uber gerade erst bei einem | |
Auftritt in München versprochen, 50.000 Arbeitsplätze in Europa zu | |
schaffen. Arbeitsministerin [2][]. Sie sichere ihre Mitarbeiter nicht | |
ausreichend sozial ab. „Wir sollten den digitalen Wandel nicht den Ubers | |
dieser Welt überlassen. Jeder ist Konsument und kann die neue Welt mit | |
seinen Klicks gestalten“, sagte die Sozialdemokratin der Wirtschaftswoche. | |
## Peter Schaar verlässt Facebook aus Protest | |
Der Konsument und ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar | |
wählte die einzig wirksame Ablehnung der neuen Facebook-Bestimmungen und | |
verkündete am Freitagmorgen, er werde sich abmelden. "They don‘t care about | |
German an European law", schrieb er. Das Unternehmen schere sich weder um | |
deutsches noch um europäisches Recht. | |
Facebook beharrt weiter auf seiner Rechtsauffassung, dass es sich allein | |
den irischen Datenschutzbestimmungen beugen müsse. Deutsche Datenschützer | |
wie der Hamburger Johannes Caspar widersprechen dieser Auffassung seit | |
Jahren. Anfang April wird ein Wiener Gericht klären, ob es für die jüngste | |
Klage der Aktivisten um den Österreicher Max Schrems zuständig ist. | |
Man wolle sich an die Gesetze halten, „die hier gelten“, [3][//:hatte | |
dagegen der Uber-Chef Travis Kalanick immerhin in der FAZ behauptet]. „Und | |
längerfristig hoffen, dass die Gesetze so modernisiert werden, dass wir | |
weiter wachsen können.“ | |
Ubers Wert wird mittlerweile mit 40 Milliarden Dollar angegeben. „Was | |
besitzen die? Nichts“, sagt Evgeny Morozov [4][in der taz.am wochenende vom | |
31. Januar/1. Februar]. „Keine Fahrer, keine Autos. Nur einen Algorithmus | |
und einen Haufen Daten. Wenn Google Uber kaufen würde, hätten beide | |
Unternehmen noch mehr Daten. Ich möchte aber nicht, dass Google diese Macht | |
hat.“ Würden diese Daten in einer allgemein zugänglichen Datenbank | |
gelagert, wäre das Problem gelöst, glaubt Morozov. „Sie müssten so | |
verschlüsselt werden, dass sie nicht zu manipulieren sind. Das ist die | |
entscheidende Hürde.“ | |
Hat Morozov recht? Müssten Online-Konzerne enteignet werden und ihre Daten | |
der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, damit echter Wettbewerb wieder | |
möglich wird? | |
Diskutieren Sie mit! | |
Das Titelgespräch „Nicht das Internet ist schuld, der Kapitalismus“ lesen | |
Sie in der taz.am wochenende vom 31. Januar/1. Februar 2015. | |
30 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://atlassolutions.com/2014/09/29/meet-the-new-atlas/ | |
[2] /:Andrea%20Nahles%20griff%20die%20Firma%20trotzdem%20scharf%20an%7C_blank | |
[3] http://onlinetaz.hal.taz.de/http | |
[4] /Lesen/!153685/ | |
## AUTOREN | |
Johannes Gernert | |
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