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# taz.de -- Datensucht von Facebook und Google: „Lachen wird ein Rohstoff“
> Künftig werden unsere Kühlschränke über uns Witze machen, sagt der
> Internetkritiker Evgeny Morozov. Deshalb will er den Kapitalismus
> abschaffen.
Bild: Da lächeln sie, die Fratzen des Kapitalismus.
taz: Herr Morozov, kennen Sie einen guten Witz über Google?
Evgeny Morozov: Da müsste ich mal googeln. Nein, ich glaube, ich kenne
keinen.
Uns ist auch keiner eingefallen.
Der Tech-Community fehlt da einfach der Humor. Leute, die über das Netz
schreiben, gehen oft davon aus, dass sie den wichtigsten Epochenwandel seit
Gutenberg begleiten. Sie betrachten alles mit einer gewissen Gravität. Auch
wenn sie Hoodies und Flipflops tragen. Man findet bei ihnen keine Spur von
Selbstironie.
Sie haben kürzlich darüber geschrieben, dass in Zukunft selbst Kühlschränke
versuchen werden, witzig zu sein. Haushaltsgeräte also, die mit dem
Internet verbunden sind und Scherze machen. Sie sehen das kritisch. Wieso?
Das war eine Reaktion auf den Essay eines Neurowissenschaftlers. Früher
ging es bei Witzen nur um die Analyse von Text, um Elemente, die man
kombinieren musste, argumentiert er. Das konnte man Rechnern nicht
beibringen. Heute kann man dafür mit Sensoren arbeiten. Die Sensoren in
Ihrem smarten Kühlschrank könnten dann feststellen, dass Sie gerade Zutaten
in Ihr Omelette mischen, die nicht zusammenpassen, und einen Scherz darüber
machen.
Und was finden Sie daran schlimm?
Der Mann freute sich, dass unsere schlauen Häuser bald Witze für uns machen
werden. Aber die Sensoren gehören Unternehmen, die so viel wie möglich über
uns erfahren wollen, um noch zielgerichtetere Werbung zu schalten. Klar:
Vielleicht bringen diese Unternehmen uns zum Lachen. Aber es wird ein
Lachen sein wie in Aldous Huxleys „Schöner neuer Welt“, und keines wie in
spontanen Alltagssituationen. Unternehmen werden unseren Alltag übernehmen
bis hin zu so grundlegenden Emotionen wie dem Lachen.
Der Kühlschrank könnte also sagen: Sie wollten doch abnehmen! Und jetzt ein
Snickers?!
Ja, es geht auch um soziale Erwartungen. Selbst Lachen wird jetzt Teil von
etwas, das französische Philosophen Gouvernementalität nennen würden. Es
kann nun also Arbeit verrichten, einen dazu antreiben, gesünder zu essen,
sich mehr zu bewegen. Lachen wird eine Ressource.
Für so eine Ansage brauchen Sie keinen computergesteuerten Kühlschrank. Das
sagt Ihnen schon heute jeder Arzt.
In Deutschland beginnt das mit der Verhaltenspsychologie erst langsam, auch
das Nudging, das Anstupsen, mit dem man jemandem sanft bedeutet, sich zu
ändern. In Großbritannien läuft das seit Anfang der 90er Jahre, in den USA
oder in Dänemark genauso. Es gibt eine Allianz zwischen den Anhängern der
Verhaltensforschung in der Politik mit jenen, die Apps und Sensoren zur
Verfügung stellen, die messen, was wir essen, was wir konsumieren, wie viel
Sport wir machen.
Und was macht Sie so besorgt?
Die Eingriffe finden bei den Bürgern statt. Es geht nicht mehr darum, die
Ernährungsindustrie davon abzuhalten, schädliches Fastfood bei Kindern zu
bewerben oder Deals für gesundes Essen mit Schul-Cafeterias abzuschließen.
Stattdessen präsentiert man uns nun diese unternehmerische „Wir sollten
alle gesund sein“-Einstellung. Aber wenn ich in Kalifornien in der Nähe von
Los Angeles lebe, dann bringt es gar nichts, mich dazu aufzufordern, mehr
zu laufen, weil ich da einfach nirgendwo laufen kann.
Was hindert Sie daran?
Die Infrastruktur ist eine für Autos. Man könnte ja darüber nachdenken,
diese Infrastruktur anzupassen. Solche Lösungen werden aber immer weniger
denkbar. Weil wir uns nur darauf konzentrieren, wie wir mit diesem
unternehmerischen Ansatz und seinen technischen Möglichkeiten den Leuten
vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben. Man negiert so die
vergangenen Dekaden sozialer Bewegungen. Die haben gezeigt, wie politisch
der Alltag ist. Gesundheit ist politisch, Essen ist politisch. Was wir
essen, ist nicht nur ein Produkt im Supermarkt. Es gibt schon vorher eine
Kette von Herstellern und Unternehmen. Man kann sich nicht nur auf das
Endprodukt konzentrieren.
Eine erste Krankenkasse in Deutschland richtet ihre Beiträge jetzt am
Verhalten ihrer Mitglieder aus. Sie leben in den USA, hat sich Ihre
Versicherung schon gemeldet?
Ich bin über meine Universität, über Harvard, versichert. Ich bin gesund,
ich habe in den vergangenen Jahren vierzig Kilo abgenommen. Ich habe meinen
Part erledigt, ohne Apps. Bei fünf, sechs Unternehmen in den USA gibt es
Bestrebungen, die Angestellten mit Trackern auszustatten und zu überwachen,
wie viel sie laufen, wie viel Sport sie machen. Ich reduziere meine
Interaktionen mit dem amerikanischen Staat und Unternehmen auf ein Minimum.
Der einzige Berührungspunkt ist Amazon, das mir Bücher schickt.
Aha, Amazon also!
Das nutze ich. Ich kaufe viele Bücher aus den 50er und 60er Jahren, die
kriegst du einfach nicht in jedem Buchladen.
Fürchten Sie eine Gesundheitsdiktatur?
Nennen Sie es, wie Sie wollen. Dem Staat fehlt einfach das Geld, um viele
Leistungen zu gewährleisten. Also stellt er das Gesundheitssystem auf
Prävention um. Ihm bleibt nichts anderes übrig. Die Gesundheitsdiktatur ist
im Grunde die Folge eines dauerhaften finanziellen Mangels. Auch die
Unternehmen wollen Geld sparen. Also gibt es gesetzliche Anreize, damit die
Menschen ihre Daten den Versicherern geben, sodass sie weniger zahlen. Wir
können es uns nicht mehr leisten, krank zu werden.
Den Begriff der Diktatur halten Sie für die Analyse jedenfalls für
hilfreich?
Ich würde es eher eine Diktatur des Marktes nennen. Oder die Diktatur des
Neoliberalismus. Diktatur darf man das gern nennen. Ich gehöre nicht zu den
Leuten, die den Begriff ausschließlich für Nordkorea reservieren wollen.
Sie sind in einer der letzten europäischen politischen Diktaturen
aufgewachsen, in Weißrussland. Schärft das Ihren Blick für autoritäre
Erscheinungen in Demokratien?
Die mit meiner Herkunft verbundenen Erfahrungen sind eher eine Hürde. Die
muss man überwinden, um zu begreifen, was heute passiert. Wir leben nicht
in einer Orwell’schen Gesellschaft. Wir geben unsere Daten nicht her, weil
uns jemand eine Knarre an den Kopf hält. Sondern weil es einen finanziellen
Anreiz gibt. Wenn Sie das aus dem alten Blickwinkel betrachten, es gehe
immer um den Staat, der den Zwang ausübe, analysieren Sie am entscheidenden
Punkt vorbei: Es ist heute ein ökonomischer Zwang, der Ihnen als Anreiz
präsentiert wird. Man muss nicht in einer Diktatur aufgewachsen sein, um zu
verstehen, was die NSA tut. Alles andere ist eine extreme Form des
Kapitalismus. Das hat mit dem Kommunismus nichts zu tun.
Hat Sie die Ankunft des Kapitalismus in Osteuropa sensibler dafür gemacht,
die Nachteile einer ungezügelten Ökonomie zu erkennen?
Jeder will meine Arbeit mit meinem psychosozialen Hintergrund erklären.
Aber: nein. Nein! Ich habe in Bulgarien studiert und viel in Osteuropa
gearbeitet, das stimmt. Ich kenne die Mentalität dort ganz gut. Ich denke
aber nicht, dass einem das bei diesem Thema besonders hilft. Nein, nein,
nein.
Wir fragen, inwieweit Ihr Leben Ihr Werk als Autor beeinflusst.
Ich glaube nicht, dass meine Herkunft aus Weißrussland viel über meine
Ansichten erzählt. Für manche Erkenntnisse meines ersten Buchs, wie
digitale Medien eingesetzt werden können, waren meine Erfahrungen
vielleicht inspirierend. Meist haben die Leute diese Medien aus Spaß
benutzt, zur Unterhaltung. Es ist also nicht so, dass wir umso politischer
werden, je mehr Videos wir auf YouTube sehen können. Ich habe früh
verstanden, dass die Rhetorik von der befreienden Kraft digitaler Medien
aus Brüssel und Washington nicht der Realität entspricht. Da hat mir meine
Herkunft sicher geholfen, das zu begreifen.
Ihre Sicht auf das Internet hat sich stark verändert, Sie haben seine
Möglichkeiten früher sehr positiv eingeschätzt. Warum sind Sie heute so
skeptisch?
Als ich in Berlin gelebt habe, habe ich für NGOs gearbeitet, ich bin viel
durch die Länder der ehemaligen Sowjetunion und des früheren Ostblocks
gereist. Wir haben oppositionellen Politikern und Aktivisten angeboten,
ihnen den Umgang mit neuen Medien beizubringen, mit sozialen Netzwerken,
Podcasts. Wir wollten den politischen Wandel beschleunigen. Das ist mehr
oder weniger fehlgeschlagen. Auch weil die Staaten schnell klüger geworden
sind, sie setzten diese Techniken auch ein, beispielsweise zur Propaganda.
Und dann erkannte ich, dass es den Zusammenhang, den amerikanische
Politiker und Intellektuelle oft konstruieren, den zwischen Internet und
Freiheit, so nicht gibt. Für mich hatten solche Theorien nichts
Substanzielles mehr. Ich habe meine Meinung nicht an einem bestimmten Punkt
geändert, es war ein Prozess zunehmender Frustration.
Verfolgen Sie den Ukraine-Konflikt?
Den Georgienkrieg habe ich aufmerksamer verfolgt. Konzentrieren Sie sich
nicht auf Internetaktivismus. Sehen Sie sich die Staaten und deren Handeln
an. Wie sich ein Sender wie Russia Today überall ausbreitet, mit Büros in
London, in Berlin. Das zählt.
Während des Arabischen Frühlings wurden Blogger zu Helden. In der Ukraine
scheint es keine zu geben.
Es gibt nichts zu feiern, also sind da auch keine Helden. Dass wir uns die
Helden derzeit nicht erfinden, das finde ich eher positiv. Warum sollte man
über Blogger in der Ukraine schreiben? Dort herrscht doch Krieg. Sie
fragen, warum es keine Internethelden gibt. Sie könnten genauso fragen,
warum es keine Bauernhelden gibt. Die Antwort ist dieselbe: weil sie in
diesem Konflikt keine Rolle spielen.
Die Rolle des Internets ist überbewertet?
Wir schleppen intellektuellen Ballast mit uns herum, wenn wir „das
Internet“ zum Rahmen machen, in dem sich unsere Gedanken bewegen. Wir reden
über Fragen wie: Zerstört das das Internet? Hält das Internet das aus?
Macht das das Internet besser? Die einen sagen, das Internet wurde
öffentlich finanziert, es muss öffentlich bleiben. Die anderen erwidern:
Nein, nein, das Internet entstand aus Start-ups, finanziert von privatem
Geld, das ist die wahre Industrie, man muss sie gewähren lassen. Wie wir
das Internet sehen, ist eine Frage unseres politischen Standpunkts. Auch
seine Geschichte ist ein politisches Projekt.
Wollen Sie bestreiten, dass technische Entwicklungen Auswirkungen auf
Politik haben?
Es wäre gefährlich, dem Internet eine eigene Handlungsfähigkeit
zuzuschreiben, als wäre es eine eigenständige Kraft. Dann nämlich würde die
Sprache des Internets die der Wirtschaft und Politik ersetzen. Es wäre
fatal, wenn die Menschen über Netzneutralität reden und die Frage, wessen
Daten wie schnell transportiert werden, als wäre das eben keine streng
politische und ökonomische Frage. Die Frage ist doch: Vertrauen wir den
Unternehmen, das zu regeln? Oder muss das der Staat tun, die öffentliche
Hand? In den USA wird die letzte Option gar nicht diskutiert. Da ist völlig
klar: Unternehmen regeln das, man muss sie nur gut kontrollieren. Niemand
stellt infrage, dass ihnen die Infrastruktur gehört. Das ist ein Fehler.
Die Rede vom Internet entpolitisiert unsere Gespräche und wischt die
radikaleren Fragen vom Tisch.
Würden Sie sich als Kapitalismuskritiker bezeichnen?
Klar. Mit diesem Begriff habe ich kein Problem.
Hält man Sie, diesen Typen aus Weißrussland, in den USA für einen
Kommunisten?
Ich hatte Glück. Das Gegenteil ist der Fall. Weil ich aus Weißrussland
stamme, denken alle, ich müsse den Kommunismus richtig hassen. Ich sei ein
geborener Kapitalist. Mein Pass hilft mir da sehr. Ich könnte
wahrscheinlich ein Trotzki-T-Shirt tragen, und die würden immer noch
denken, ich bewerbe den Kapitalismus.
Ist noch niemandem aufgefallen, wie sehr sich die Leute da verschätzt
haben?
Meine Kritik hat sich bisher auf den Technologiesektor konzentriert. Und
Menschen, die Tech-Unternehmen hassen, gibt es nun wirklich genug. Es gibt
auch Marktliberale, die Facebook oder Amazon kritisieren, weil das Monopole
sind. Die Technologiediskussion ist so umfassend, dass ich diese Botschaft
jeden Tag herausschreien kann, die Leute werden immer noch denken, ich will
ihnen bloß ihre Maschinen nehmen und nur noch mit Schreibmaschine
schreiben. So denken viele über mich. Man kann ihnen erklären, dass dem
nicht so ist. Dass man für Technologie, für Fortschritt sein kann, aber für
eine andere Art des Fortschritts. Die Option gibt es in den USA nicht. Und
in Europa immer weniger.
Welche Art Fortschritt wollen Sie?
Derzeit gehen wir von der Annahme aus, dass Daten der jeweiligen Firma
gehören, mit deren Ressourcen sie hergestellt worden sind. Suchen gehört
Google. Soziale Kontakte gehören Facebook. Die Information darüber, wohin
mich mein Fahrer fährt, gehört dem Taxi-Dienst Uber. Das ist das Paradigma
des Silicon Valley. Gerade entsteht noch ein anderes Paradigma, das besagt:
Die Daten gehören den Bürgern. Und die könnten mit ihren Daten handeln,
Geld verdienen. Vielleicht ist das so ein neuer Ansatz, um Arbeitslosigkeit
zu bekämpfen. Man verkauft seine Daten, damit man dafür Geld bekommt. Ich
glaube, beide Ideen führen in eine demokratische und politische Sackgasse.
Was wäre die Alternative?
Niemand sollte Daten besitzen. Luft gehört auch keinem. Bürger sollen mit
ihren Daten etwas tun dürfen. Sie haben also eine digitale Identität, die
extrem gut verschlüsselt ist und sicher. Der Staat gewährleistet den
Zugang, auch Unternehmen dürfen die Daten nutzen. Vielleicht gegen eine
Gebühr.
Und Google? Würden Sie das Unternehmen zerschlagen, wie es derzeit
diskutiert wird?
Statt Google komplett zu zerschlagen, müssten wir Konzerne aufteilen. Erst
einmal bräuchte es einen kostenlosen Basisdienst im Internet. Dafür sollte
weder mit Geld noch mit Werbung bezahlt werden. Wenn ich also rausfinden
möchte, in welchem Film Tom Cruise 1993 spielte, lässt sich das
nachschauen. Dafür braucht man keine künstliche Intelligenz. Nur eine
besser strukturierte Form von Wikipedia. Das kann gratis zur Verfügung
gestellt werden, im Zweifel eben steuerfinanziert. Die nächste Ebene wäre
einfach: Google kann erweiterte Services verkaufen. Wenn ich Ortungsdienste
will oder andere Features, dann gegen eine Gebühr. Ich zahle 3 Dollar, und
gut ist. Aber für den Basisdienst zahlt der Staat. Es gibt keine Werbung.
Und mit meinen Daten passiert in diesem Basisdienst nichts.
Wer stellt den Basisdienst zur Verfügung? Google?
Oder ein Konsortium aus unterschiedlichen Anbietern. Am besten wäre ein
gemeinsamer Pool von Wissen und Fakten, um den herum auch andere Systeme
entstehen dürfen. Wenn Sie also ein Start-up gründen wollen, das mit diesen
Daten das Wetter vorhersagt, gut. Ich bin nicht gegen Unternehmen, ich
möchte nur gern diesen Automatismus unterbrechen, nach dem sie immer
mächtiger werden, je mehr Daten sie sammeln. Zurzeit ist Uber mehr als 40
Milliarden Dollar wert. Was besitzen die? Nichts. Keine Fahrer, keine
Autos. Nur einen Algorithmus und einen Haufen Daten. Wenn Google Uber
kaufen würde, hätten beide Unternehmen noch mehr Daten. Ich möchte aber
nicht, dass Google diese Macht hat. Wenn diese Daten in einer allgemein
zugänglichen Datenbank lagerten, wäre das Problem gelöst. Sie müssten so
verschlüsselt werden, dass sie nicht zu manipulieren sind. Das ist die
entscheidende Hürde.
Damit würden Sie die Werbeindustrie komplett ausschalten.
Ja, damit könnte ich sehr gut leben. Eliminiert die Werbeindustrie. Die
Technologieindustrie würde weiterhin bezahlt werden. Über Gebühren,
Abonnements, Steuern. Ein solches Modell würde auch den Wettbewerb um
Kundenservice und Innovationen viel mehr ankurbeln.
Wie das?
Derzeit schafft es kein Unternehmen, Google ernsthaft Konkurrenz zu machen,
weil ihm die große Menge an Daten fehlen, die Google schon gesammelt hat.
Es ist unmöglich, Google zu schlagen. Sie können als Start-up den besten
Algorithmus der Welt bauen – die Daten, mit denen er am besten lernt,
hätten sie immer noch nicht. Daher müssen wir die Daten vergemeinschaften,
sie sozialisieren. Das derzeitige Modell funktioniert so, als würden Firmen
anfangen uns Luft zu verkaufen, indem sie uns bei jedem Atemzug Werbung
zeigen.
Sie vergleichen Daten mit Luft. Sollte es Menschen verboten sein, mit ihnen
zu handeln?
Ja. Das würde die Daten aus diesem Kreislauf nehmen. Schauen Sie Uber an.
Warum muss ich die Fahrer bewerten, warum müssen die mich bewerten, warum
muss Uber wissen, wer ich bin? Weil die Plattform diese Daten braucht, um
Vertrauen zu etablieren. Sie wollen kein Geld ausgeben, um sicherzustellen,
dass ihre Kunden ehrliche Menschen sind, also vertrauen sie auf einen
Bewertungsmarkt.
Dafür besorgt der Fahrdienst Uber Ihnen ein Verkehrsmittel, wenn Sie es
brauchen, zu einem erschwinglichen Preis.
Das ginge auch anders, nämlich komplett anonymisiert. Ich sehe auch keinen
Sinn darin, jeden Morgen um acht Uhr einen Bus fahren zu lassen, obwohl den
niemand benutzt. Das ist verrückt in einer Zeit, in der man mit seinem
Telefon nachschauen und planen kann, wo man hinfahren möchte. Man könnte
dem Bus sagen, wann er wo sein soll. So sollte es laufen. Und dass es nicht
so läuft, liegt daran, dass die notwendigen Daten nicht in den Händen der
Bürger sind. Sie sind nicht in den Händen der Gemeinden, und auch nicht in
den Händen der Städte.
In einem Roman des Science-Fiction-Autors Cory Doctorow wird Geld durch
Reputation ersetzt. So können auch arme Menschen durch gute Taten oder
Charme Ansehen erwerben und reich werden. Reputation könnte die Welt
gerechter machen. Was spricht dagegen?
Eine furchtbare Vorstellung. Ich würde in diesem System nicht überleben.
Ich will mir keine Sorgen darüber machen, ob meine Scherze lustig genug
sind. Lustig für eine ausreichende Anzahl von Leuten. Ich möchte nicht
ständig bewertet werden für das, was ich tue. Das ist nicht gut für die
Psyche. Ich will, dass Leute Risiken eingehen und sie nicht meiden, aus
Angst, sie könnten an Reputation verlieren.
Sie haben also Angst, dass Ihre Witze nicht lustig genug sind.
Ich weiß nicht, ob ich witzig bin. Es ist mir auch egal. Ich habe neulich
mit dem Philosophen Slavoj Zizek zusammengesessen. Denkt er, dass er lustig
ist? Keine Ahnung. Leute lachen über ihn. Ich bemühe mich wenigstens,
manche tun nicht mal das.
7 Feb 2015
## AUTOREN
Johannes Gernert
Daniel Schulz
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