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# taz.de -- Einkaufen in Zeiten von Big Data: Wenn der Preis persönlich wird
> An der Supermarktkasse und im Taxi: Unternehmen können Kunden heute
> individuelle Preise vorsetzen – dank Big Data. Wer nicht aufpasst, zahlt
> drauf.
Bild: Ein Algorithmus errechnet auf Basis von Kundendaten, was man bereit ist z…
BERLIN taz | Nudeln sind heute billiger. Zumindest für den jungen Mann an
Kasse zwei. 1,29 Euro statt 1,59 Euro. Die Kunden vor und hinter ihm müssen
den Normalpreis zahlen.
„Dynamic Pricing“ heißt das Prinzip, das hier in einem Markt von Kaiser’s
Tengelmann erprobt wird. Der Kunde soll dabei auf ihn zugeschnittene Preise
angeboten bekommen. Dafür registriert das Unternehmen über eine Karte, was
er kauft. Eine Liste mit den Produkten, die er heute billiger bekommt,
druckt sich der Kunde im Laden selbst aus.
Bei Flügen, Hotels, Reisen sind unterschiedliche Preise für die gleiche
Leistung schon normal geworden. Wer sehr früh oder wahlweise sehr spät
bucht, bekommt Rabatte. Oder, noch älter: Wenn es regnet, kleben Händler
höhere Preise an die Regale mit Regenschirmen.
Neu ist die individuelle Komponente. Big Data, das massenhafte Sammeln und
Verarbeiten von Daten führt dazu, dass Unternehmen ihren Kunden
maßgeschneiderte Preise vorsetzen können. Nicht mehr nur die Marktlage
bestimmt den Preis, sondern ein Algorithmus errechnet auf Basis von
Informationen wie Kundendaten, was dieser wohl bereit ist, zu zahlen. Dabei
kann die Tageszeit Einfluss auf den Preis nehmen oder – auch das ist
möglich – das Gerät, mit dem der Kunde die Website eines Onlinehändlers
besucht. „Die Unternehmen nutzen die je nach Situation unterschiedliche
Zahlungsbereitschaft von Kunden“, erklärt der Marketingprofessor Florian
Stahl von der Universität Mannheim das Prinzip.
## Rabatte für die Bonzeilenverlängerung
Kaiser’s Tengelmann hat sich für die Zuckerbrotvariante entschieden. Dafür,
als eher hochpreisiger Supermarkt den Kunden Rabatte anzubieten und sie so
in den Laden zu locken. Und wenn sie schon mal da sind, wird es wohl zu dem
kommen, was der Dienstleister, der sich um das Auswertungssystem kümmert,
Bonzeilenverlängerung nennt: Ist der Kunde drin, kauft er gleich Waren mit,
für die er eigentlich zu einem anderen Händler gegangen wäre.
„Jemand, der ein großer Milka-Liebhaber ist, könnte zum Beispiel einmal die
Schokolade von Ritter Sport angeboten bekommen“, erklärt
Tengelmann-Sprecherin Justine Zagalak. Sie sieht einen Datenschutzvorteil,
weil im Unterschied zu Bonuskarten keine personenbezogenen Daten wie Name,
Adresse oder Geburtsdatum abgefragt werden. Nur die Einkäufe zählen. Für
Kunden kann das tatsächlich ein Vorteil sein – solange niemand persönliche
Daten etwa aus EC- oder Kreditkartenzahlungen mit der Einkaufshistorie
verknüpft.
Es gibt Unternehmen, die wollen nicht allein auf Zuckerbrot setzen. Das
kann dann etwa so aussehen: Ein Kunde hat bereits in der Vergangenheit
häufiger Filme eines bestimmten Genres mit bestimmten Darstellern bestellt.
Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass er auch eine Neuerscheinung, die
die beiden Kriterien erfüllt, kaufen wird. Ein Schnäppchenpreis, mit dem
Unentschlossene gelockt werden sollen, ist hier nicht notwendig –im
Gegenteil. Wahrscheinlich ist der Kunde bereit, einen höheren Preis zu
zahlen, als der Händler ihn in Form eines Einheitspreises anbieten würde.
Das Szenario ist nicht fiktiv. Es stammt aus einer Patentschrift von Google
aus dem Jahr 2011. Und es zeigt, dass es mit personalisierten Preisen für
den Kunden billiger werden kann, aber nicht muss.
## Schwankende Preise als Geschäftsmodell
Zum Beispiel der Taxikonkurrent Uber. Bei dem Dienst aus San Francisco, der
mittlerweile in 55 Ländern tätig ist, gehören schwankende Preise zum
Geschäftsmodell: In Situationen, in denen ein Anstieg der Nachfrage nach
Transportmöglichkeiten zu erwarten ist, steigen auch die Preise. Wenn es
regnet, wird also das Mitfahren teurer. Die Idee dahinter: Steigende Preise
locken mehr Fahrer auf die Straße, es gibt wieder mehr Angebote.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat bei Testkäufen am PC und
per Tablet festgestellt: Kaufen Kunden per Tablet in einem Onlineshop, kann
es passieren, dass sie mehr zahlen müssen als Kunden, die das gleiche
Produkt zum selben Zeitpunkt über den PC bestellen. „Der Kunde sollte nicht
blind vertrauen“, empfiehlt Georg Tryba von der Verbraucherzentrale.
Sondern von den technischen Möglichkeiten wie Preissuchmaschinen Gebrauch
machen.
## Kunde bleibt König
Marketingprofessor Stahl glaubt trotzdem, dass in der Regel die Verbraucher
die Gewinner seien. „Die Anbieter versuchen, Kunden zu akquirieren, die
sonst nicht oder woanders kaufen würden“, sagt Stahl. Der Wettbewerb um
Kunden, die sowieso deutlich besser informiert seien als noch vor einigen
Jahrzehnten, werde härter.
Wie sehr „Dynamic Pricing“ dem Image schaden kann, musste Taxikonkurrent
Uber übrigens während eines Schneesturms in New York feststellen. Als sich
die Preise für die Fahrten plötzlich verachtfachten, machten die Nutzer vor
allem auf Twitter ihrem Ärger über diese Unternehmenspolitik Luft. Im
Vorfeld des angekündigten Schneesturms Ende Januar ergriff Uber deswegen
schon im Vorfeld Maßnahmen, um nicht erneut zu sehr in die Kritik zu
geraten: Es begrenzte den Anstieg der Preise auf das 2,8-Fache der normalen
Tarife.
„Kunden wollen fair behandelt werden“, sagt Marketingprofessor Stahl.
Treibe ein Unternehmen die Preisgestaltung zu weit, würden sie sich ganz
schnell abwenden.
16 Mar 2015
## AUTOREN
Svenja Bergt
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Kapitalismuskritik
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