# taz.de -- Sportdiplomatie mit Nordkorea: Vorspiel beim Marschall | |
> Der Kanadier Michael P. Spavor bringt Profisportler nach Nordkorea. So | |
> den ehemaligen NBA-Star Dennis Rodman oder eine Eishockeyweltauswahl. | |
Bild: Strammstehen: Michael P. Spavor instruiert ein nordkoreanisches Basketbal… | |
SEOUL taz | Die Eltern von Aaron Geddes haben früh damit aufgehört, sich | |
Sorgen um ihren Sohn zu machen. Als der Kanadier das erste Mal auf eigene | |
Faust loszog, ging es in den Iran. Heute sagt der 34-Jährige: „Irgendwie | |
habe ich mir immer etwas außergewöhnliche Reiseziele ausgesucht“. Sein | |
jüngster Stempel im Reisepass kommt aus Nordkorea. | |
Nur wenige Tage vor der Zugfahrt von Peking nach Pjöngjang straften die | |
Vereinten Nationen das nordkoreanische Regime für seinen jüngsten Atomtest | |
mit Wirtschaftssanktionen ab. Wieder mal. | |
Für Geddes war das nur halb so wild, schließlich hat er zwölf Jahre eine | |
knappe Autostunde von der Landesgrenze Nordkoreas entfernt gelebt – als | |
Englischlehrer in Seoul: „Die Südkoreaner müssen seit 70 Jahren mit der | |
Bedrohung umgehen, doch die meisten scheren sich nicht wirklich darum, was | |
der Norden wieder anstellt“, sagt er. | |
Die Möglichkeit, die sich ihm bot, schien wie ein Gewinn im Lotto: mit | |
einem internationalen Eishockeyteam mehrere Freundschaftsspiele gegen die | |
nordkoreanische Nationalmannschaft bestreiten. Mit zwei Jahren stand Geddes | |
das erste Mal auf Schlittschuhen. Er sagte sofort zu. | |
## Visum kein Problem mehr | |
In den 50er Jahren brachten die Sowjets den Wintersport nach Nordkorea, | |
seitdem sind die Koreaner ständig am Puck geblieben. Momentan belegt das | |
Männerteam den 43. Platz in der Weltrangliste, die Frauen haben es sogar | |
auf den 29. Rang geschafft. Dabei gibt es wenige Eishallen im Land, auch | |
die nötige Sportausrüstung ist Mangelware. | |
Mastermind hinter dem Turnier ist der ebenfalls in Kanada geborene Michael | |
P. Spavor. Als Gründer von Paektu Cultural Exchange holt der 40-Jährige | |
regelmäßig Ausländer ins Land. Fast die Hälfte seines Lebens hat Spavor nun | |
schon mit Nordkorea zu tun. Er gilt als einer der wenigen Westler, die das | |
Vertrauen der Entscheidungsträger in Pjöngjang gewonnen haben. Während | |
seiner Anfangszeit sei es noch sehr schwer gewesen, an eine | |
Einreisegenehmigung zu gelangen. „Mittlerweile ist das chinesische Visum | |
zum Transfer manchmal das größere Problem“, sagt er. | |
Vielen Regierungen bereitet es dennoch Kopfschmerzen, wenn ihre Bürger in | |
das Land von Kim Jong Un aufbrechen. Erst jüngst am 16. März wurde der | |
22-jährige US-Student Otto Warmbier zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt, | |
weil er von den Überwachungskameras des Hotelflurs dabei gefilmt worden | |
war, wie er ein Propagandabanner stiehlt. Wie Warmbier hatte fast die | |
Hälfte der 20-köpfigen Hockeytruppe die US-amerikanische | |
Staatsbürgerschaft. | |
Eine Nachricht vom US-Außenministerium ließ nicht lange auf sich warten. In | |
einer E-Mail forderten die Beamten Spavor dazu auf, vor der Einreise eine | |
etwas merkwürdige Botschaft an alle Teilnehmer laut vorzulesen: „Verhalten | |
Sie sich wie eine Pfadfindertruppe beim Teebesuch einer Großmutter. Was bei | |
uns als Unfug oder Faxen abgetan werden würde, kann Sie in Nordkorea ins | |
Gefängnis bringen. Bitte warten Sie mit ausufernden Siegesfeiern, bis Sie | |
das Land verlassen haben.“ | |
## Keine Propagandabelehrungen | |
Spieler Geddes war sich darüber im Klaren, dass ihn die nordkoreanischen | |
Aufpasser während seines Aufenthalts nicht aus den Augen lassen würden. | |
Dennoch habe sich Nordkorea offener gezeigt, als er es erwartet hat: Von | |
allzu exzessiven Propagandabelehrungen wurde die Gruppe verschont, und | |
Fotos hätte man fast immer schießen dürfen, selbst während der Busfahrten | |
durch die Provinzen. „Wir haben keine Bilder gesehen, die auf irgendeine | |
Weise schockierend wären“, sagt ein Spieler, der namentlich nicht genannt | |
werden möchte. | |
Als die Reisegruppe die Demarkationslinie besuchte, erinnerte sich Geddes | |
daran, wie er einst die innerkoreanische Grenze vom Süden aus besuchte. | |
Damals durfte er weder mit dem Finger auf Soldaten zeigen noch laut reden | |
oder lachen. „Auf der anderen Seite kann man aber praktisch machen, was man | |
will.“ Als er sein Handy aus der Tasche gekramt hatte, konnte er | |
südkoreanisches Netz empfangen, kontrollierte seine E-Mails, lud ein paar | |
Fotos auf Facebook hoch. Für die Soldaten war das kein Problem. | |
Die wohl größte Überraschung gab es jedoch auf dem Eis. Gleich in der | |
ersten Partie rettete sich das internationale Team bis in die | |
Nachspielzeit, in der sie dann gegen die Nordkoreaner verloren. „Damit | |
hatte niemand von uns gerechnet, dass es so knapp werden würde“, sagt | |
Geddes. „Die nächsten Spiele wollten wir unbedingt gewinnen, auch wenn uns | |
das leider nicht gelungen ist.“ Die Nordkoreaner hätten sehr zurückhaltend | |
gespielt, geradezu höflich. Geschrei gab es keines, und der Körperkontakt | |
in diesem sonst überaus rauen Spiel war minimal. | |
## Nordkoreaner als Mitspieler | |
In der Vergangenheit hatte Michael P. Spavor schon mehrere Sportereignisse | |
in Nordkorea organisiert. Sein größter medialer Coup gelang ihm, als er den | |
ehemaligen NBA-Star Dennis Rodman ins Land holte. Wie sich herausstellte, | |
war Kim Jong Un, der in seiner Jugend ein Schweizer Internat besuchte, | |
begeisterter Basketballfan. Während des Trips lud der Diktator seine Gäste | |
in sein Ferienhaus an der Ostküste, wo sie mehrere Tage verbrachten. „Am | |
Anfang war ich sehr nervös, aber schon bald hat es sich angefühlt, als | |
seien wir alte Freunde“, sagt Spavor. Kim Jong Un sei sehr intelligent, | |
charismatisch und humorvoll. Wenn Spavor seinen Namen nennt, fügt er stets | |
den offiziellen Titel „Marschall“ an. | |
Für viele sind solche Worte verstörend. Allein die Idee, nach Nordkorea | |
reisen zu wollen, mag absurd erscheinen. Zudem müssen sich die Touristen | |
den Vorwurf gefallen lassen, einem Regime Auslandsdevisen zu beschaffen. | |
Rund hunderttausend Ausländer, vorwiegend Nostalgietouristen aus China, | |
bereisen jetzt schon das Land pro Jahr. Wenn es nach Diktator Kim Jong Un | |
geht, dann soll diese Zahl gar auf eine Million anwachsen. Die | |
Tourismusanbieter betonen, so das gegenseitige Verständnis zu fördern. | |
Deswegen hat sich Spavor für das letzte Spiel etwas Besonderes ausgedacht: | |
Vor mehreren hundert Zuschauern, darunter auch Botschaftsmitarbeiter | |
mehrerer europäischer Länder, ließ er gemischte Teams gegeneinander | |
antreten. „Es war eine geradezu surreale Erfahrung, auf seinen Mitspieler | |
zu schauen, der Nordkoreaner ist“, sagt Geddes. „Aber auf dem Eis gibt es | |
keine Politik.“ | |
20 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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