# taz.de -- Spitzenkandidat der Hamburger CDU: Schwiegersohn ohne Chance | |
> Trotz attraktiven Personals sieht es für die hanseatische CDU vor der | |
> Bürgerschaftswahl schlecht aus. Die SPD sitzt fest im Sattel. Und die AfD | |
> nervt. | |
Bild: Kann gut mit Menschen, hat aber keine Machtoption: Dietrich Wersich. | |
HAMBURG taz | Dietrich Wersich, der Spitzenkandidat der CDU zur Wahl für | |
die hamburgische Bürgerschaft, gibt sich angriffslustig. Er sagt Sätze wie: | |
„Die SPD kann keine innere Sicherheit“ oder „Die sozial schwierigen | |
Stadtteile haben nichts vom Scholz-Senat“. Der 50-Jährige hat schon als | |
Arzt und Theaterleiter gewirkt, bevor er Staatsrat, dann Senator und | |
schließlich Oppositions-Chef wurde. Auf die Frage, in welchen Beruf er gern | |
wieder zurückkehren möchte, sagt er unbeirrt: „Ich will Bürgermeister | |
werden.“ | |
Das klingt glaubhaft, doch außerhalb seiner Bürotüren wird der | |
CDU-Politiker mit dieser Ansage schon fast zur Spottfigur. „Wer zur Hölle | |
ist Wersich?“, schrieb ein Boulevardblatt nach einer flüchtigen | |
Straßenumfrage – kaum jemand kenne ihn. Dabei gilt der gebürtige Hamburger, | |
Typ Schwiegermutterliebling, als fair, kompetent, eloquent und höflich, ist | |
schwul wie sein Vorgänger Ole von Beust, kann gut mit Menschen. Doch die | |
vereinigte Rathauspresse ist fest davon überzeugt, dass er keine Chance | |
hat. | |
Wie auch die übrigen Parteien nicht, weil der amtierende SPD-Bürgermeister | |
Olaf Scholz ihnen keine Angriffsfläche lasse. Diese Einschätzung eines | |
„Teflon-Senats“, an dem alles abperlt, hält sich hartnäckig, auch wenn sie | |
zum Beispiel im Sozial- und Bildungsbereich nicht zutrifft. Kürzungen bei | |
Jugendclubs, Suchtberatung und Stadtteilprojekten: Hier hat sich die meiste | |
Unzufriedenheit angesammelt, was auch in Umfragen deutlich wird. Noch | |
wenige Wochen vor der heißen Wahlkampfphase musste Scholz beim | |
Kita-Betreuungsschlüssel eine 180-Grad-Wende hinlegen und Besserung | |
geloben, getrieben unter anderem durch die klare Ansage von Dietrich | |
Wersich, hier im Falle seiner Wahl 80 Millionen Euro zu investieren. | |
Nur wird Wersich wohl kaum regieren, ihm fehlt die Machtoption. Seine | |
Partei leckt immer noch die Wunden seit dem Zerfall der Koalition mit den | |
Grünen im Herbst 2010. Kam Ole von Beust bis dahin bei Wahlen über die | |
40-Prozent-Marke, fällt diese hohe Zustimmung seither der SPD zu. Laut | |
Umfragen liegt sie bei 42 Prozent. | |
Die CDU dagegen dümpelt bei zuletzt nur noch 20 Prozent und versucht einen | |
Spagat: Sie will einerseits die konservative Wählerschaft erreichen und | |
andererseits weiter moderne, liberale Großstadtpartei sein, die für | |
Kita-Ausbau und Ganztagsschule und neuerdings auch kulturelle Vielfalt | |
steht. Wersich wirbt damit, dass acht Kandidaten mit Migrationshintergrund | |
auf der Landesliste stehen, unter anderen der aus einer Fernsehsendung | |
bekannte Bedo B. Kayaturan. | |
## Das Thema Innere Sicherheit zündet nicht | |
Zugleich lässt er die Hardliner los. So forderte jüngst ein | |
Polizeigewerkschafter, der auch für die CDU kandidiert, geschlossene | |
Asylbewerberheime und konsequente Abschiebung. Doch das Thema innere | |
Sicherheit zündet nicht. Zwar gibt es wieder einen Anstieg bei den | |
Straftaten, doch der ist weit entfernt vom hohen Niveau zu Beginn des | |
Jahrtausends, als die SPD wegen dieser offenen Flanke nach 44 Jahren die | |
Macht verlor. | |
Zudem ist ein Law-and-Order-Wahlkampf für die CDU riskant. Macht sie doch | |
damit ein Thema stark, von dem „im Zweifel die AfD profitiert“, wie der | |
Hamburger Politologe Elmar Wiesendahl warnt. Die CDU sackte von 27 auf 23 | |
Prozent ab, nachdem sich die neu aufgestellte AfD mit prognostizierten 6 | |
Prozent dazwischendrängte. Eine Zusammenarbeit schließt Wersich aus. | |
Für eine Neuauflage von Schwarz-Grün geben die Umfragen nichts her. Eine | |
reale Machtoption gibt es für die Hamburger CDU nur, wenn sie mit der SPD | |
eine Koalition eingeht, doch vor ihnen stehen schon die Grünen – und falls | |
sie reinkommt die FPD – dafür Schlange. Thematisch müssten sich dafür weder | |
die CDU noch die SPD verbiegen. Bleibt Wersich in der Opposition, könnte er | |
sich seinen Bürgermeisterwunsch aber auch noch 2020 erfüllen. Mit dann 55 | |
Jahren wäre er dafür nicht zu alt. | |
2 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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