# taz.de -- Hamburger SPD vor der Wahl: Regieren ist Normalzustand | |
> Die SPD hat wieder zu ihrer natürlichen Rolle als Regierungspartei | |
> gefunden. Dafür muss sie sich von Olaf Scholz sagen lassen, wo's | |
> langgeht. | |
Bild: Seine Partei – ein Bürgermeister-Wahlverein: Hamburgs Regierungschef O… | |
HAMBURG taz | Es ist ruhig geworden um die Hamburger SPD. Noch vor ein paar | |
Jahren hat sie sich in Intrigen und Flügelkämpfen zerfleischt. Jetzt steht | |
sie da wie ein Monolith. Die Landespartei spricht nur noch mit einer | |
Stimme. Wie die Feuerwehr tritt sie jeden Brandherd aus, sobald die ersten | |
Flammen züngeln. Vergessen ist das Chaos, das in der Partei Ende der nuller | |
Jahre herrschte. Dafür traut sich aber auch kein Mandatsträger mehr | |
ungeschützt aus der Deckung. Wie hatte Olaf Scholz gesagt, bevor er zum | |
zweiten Mal den Landesvorsitz übernahm: „Wer bei mir Führung bestellt, muss | |
wissen, dass er sie dann auch bekommt.“ | |
Regieren ist für die Hamburger SPD eigentlich der Normalzustand. Die Partei | |
der „kleinen Leute“ hatte die Hansestadt 44 Jahre lang fast ununterbrochen | |
regiert. Umso größer war der Schock, als sie sich 2001 plötzlich einer | |
Mehrheit von CDU, Schill-Partei und FDP gegenübersah. | |
Die SPD hat lange gebraucht, um sich von diesem Schrecken zu erholen. Dem | |
beliebten CDU-Bürgermeister Ole von Beust gelang zweimal die Wiederwahl. | |
Währenddessen stritten sich die SPD-Granden mit unfeinen Mitteln darüber, | |
wer Bürgermeisterkandidat werden dürfe. Der Altonaer Arzt Mathias Petersen | |
erzwang 2007 eine Mitgliederbefragung, bei der er zwar eine Mehrheit der | |
Stimmen erhielt. Doch um die Spitzenkandidatur wurde er betrogen, weil bei | |
der Auszählung 1.000 Briefwahlstimmen fehlten. Wo sie geblieben sind, weiß | |
bis heute keiner. | |
Die SPD brauchte einen Retter und fand ihn in Olaf Scholz. Der ehemalige | |
Arbeitsminister und SPD-Generalsekretär war in seinem Hamburger Wahlkreis | |
stets präsent geblieben. | |
Scholz ist es gelungen, die Partei zu befrieden. Die Bürgerschaftsfraktion | |
unter ihrem Vorsitzenden Andreas Dressel – einem Juristen, der zum Thema | |
Bürgerbegehren promoviert hat – arbeitet die Probleme ähnlich ab wie der | |
Senat. Sobald die Opposition irgendwo zu punkten versucht, antwortet die | |
SPD-Fraktion mit einer ausführlichen Presseerklärung. Auf diese Weise | |
versuchte sie etwa, von der Opposition gesäte Zweifel zu zerstreuen, dass | |
der SPD-Senat den per Volksentscheid erzwungenen Rückkauf der Energienetze | |
nicht vollständig umsetzen werde. Die Partei legt großen Wert darauf, als | |
verlässlich zu gelten – ein Versprechen, das Scholz auch für die kommenden | |
fünf Jahre gegeben hat. | |
## FDP statt Grüne? | |
Wird ein Thema heiß, nimmt die SPD der Opposition die Butter vom Brot: | |
Nachdem die Grünen die Radverkehrspolitik des Senats kritisiert hatten, | |
trat die SPD mit der aufsehenerregenden Idee einer Fahrradstraße an der | |
Außenalster auf den Plan. | |
Für kurze Zeit ins Schleudern geriet die SPD-Regierung vor gut einem Jahr | |
nach gewalttätigen Demonstrationen und einem angeblichen Angriff auf die | |
Davidwache an der Reeperbahn. Die Polizeiführung richtete ein großzügiges | |
Gefahrengebiet auf St. Pauli ein, in dem Passanten verdachtsunabhängig | |
kontrolliert werden konnten. Es kam zu tagelangen Protesten, deren Symbol | |
eine Klobürste wurde, nachdem die Polizei eine solche beschlagnahmt hatte. | |
Den Anlass für den Krawall, die Drohung, dass das autonome Stadtteilzentrum | |
„Rote Flora“ an einen Investor verkauft werden könnte, räumte Scholz im | |
vergangenen November aus dem Weg. Die Stadt kaufte das ruinenhafte | |
ehemalige Varieté-Theater zurück. | |
Falls es am 15. Februar trotz aller Anstrengungen nicht für eine absolute | |
Mehrheit reichen sollte, hat der Landesvorsitzende Scholz angekündigt, mit | |
den Grünen verhandeln zu wollen. Lieber, weil pflegeleichter, wäre der SPD | |
wohl die FDP. | |
10 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Wahl | |
Olaf Scholz | |
Hamburg | |
SPD | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Bürgerschaftswahl 2015 | |
Verkehrspolitik | |
Dora Heyenn | |
Schwerpunkt AfD | |
Bürgerschaftswahl 2015 | |
SPD Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Hamburg vor der Wahl: Die schönste Stadt der Welt? | |
Hamburg hat es geschafft, den Eindruck großer Dynamik zu vermitteln. Die | |
Wirklichkeit sieht aber anderes aus. Die Hansestadt im Realitätscheck. | |
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz: Der Abräumer | |
„Olaf denkt, Olaf lenkt – wir rudern“, beschreibt ein Genosse das System | |
Scholz. Es ist ein Mix aus Merkels Pragmatismus und Schröders Wucht. | |
Hamburgs Bürgermeister über die Wahl: „Wir verbieten nicht das Autofahren“ | |
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz verteidigt seine Flüchtlings-, Umwelt- | |
und Verkehrspolitik. Falls nötig möchte er mit den Grünen koalieren. | |
Hamburger Linkspartei vor der Wahl: Abschlusstour für Dora | |
Es ist kompliziert: In der Bürgerschaft hat sich Dora Heyenn | |
parteiübergreifend hohen Respekt erarbeitet. In den eigenen Reihen ist sie | |
umstritten. | |
Hamburger AfD vor der Wahl: Schills Erben und der nette Kruse | |
Die AfD könnte erstmals in ein westdeutsches Parlament einziehen. Ihr Chef | |
gibt sich moderat, andere Kandidaten sind alte Bekannte. | |
Porträt des CDU-Spitzenkandidaten: Der Herausforderer | |
Dietrich Wersich will SPD-Bürgermeister Scholz ablösen, doch die Umfragen | |
sind düster: Der Spagat zwischen rechts und linksliberal fällt der CDU | |
schwer. | |
Porträt der Grünen Katharina Fegebank: Ungeduldiges Wahlkampftier | |
Katharina Fegebank soll die Hamburger Grünen in eine Koalition mit der SPD | |
führen. Eigentlich zieht es sie aber aufs internationale Parkett. | |
Senats-Check zur Landtagswahl: Graf Zahl war knauserig | |
In der Bildung versuchte die SPD Inklusion zum Nulltarif und verteidigte | |
das Turbo-Abitur. Erfolg bei Abiturientenzahlen, dafür keine Ausbildung für | |
alle. |