# taz.de -- Die Zukunft der Videoplattform: Ist Youtube das neue Fernsehen? | |
> Youtube wird 10 Jahre alt. Früher luden Amateure Katzenvideos hoch, heute | |
> konkurrieren Profis um Geld. Der Machtkampf hat gerade begonnen. | |
Bild: „Andy Warhol eating a hamburger“: knapp eine Million Youtube-Aufrufe. | |
Erst fahren sie auf Wrestlingfiguren ab, dann häkeln sie Armbänder aus Loom | |
Bands, später ist Haftbefehl der Größte. Doch es gibt eine Konstante, einen | |
ständigen Begleiter auf den Smartphones der Schulhofgeneration: Youtube. | |
Und den Satz: „Gib das mal ein...!“ | |
Andy Warhol ließ sich einmal beim apathischen Verspeisen eines Hamburgers | |
filmen, 1981 war das. 4 Minuten und 27 Sekunden skurriler Monotonie – mäßig | |
ausgeleuchtet, rauschende Mikros. In der Ferne dröhnen vorbeifahrende Autos | |
in den New Yorker Straßen. 2015 hätte Warhol hierfür einen Youtube-Kanal | |
und müsste im Schatten von Figuren wie „Dagi Bee“ und Erik „Gronkh“ Ra… | |
um die Clicks seines minderjährigen Publikums buhlen. | |
Die zwei sind Youtube-Stars. Erstere spricht mehrmals wöchentlich vor der | |
Kamera über Beauty- und Lifestyletipps, letzterer lässt sich stundenlang | |
beim Videospielen zusehen. Banalität 2.0? Jedenfalls näher, persönlicher | |
als je zuvor. Die Kinder und Jugendlichen schauen das. Für sie sind die | |
Youtuber die großen Brüder, die erfahrenen Schwestern in den Kinderzimmern | |
dieser Welt. Vorbilder. Im weiten Feld zwischen Facebook und Instagram | |
schlagen sie eine Brücke zu ihren Millionen Abonnenten und lassen das | |
veraltete Modell eines medialen Voyeurismus weit hinter sich. | |
Wie soll man als Mensch reiferen Alters da nur hinterherkommen. Reiferes | |
Alter meint hier allerdings 25+, das Abgehängtsein beginnt heut früher. | |
Ganz selbstverständlich geben bei Youtube Nutzer wie „Mr Burb 58“, | |
„DrunkenSch0k0muffin“ und „Bubblesoldier R.Q“ in der Kommentarfunktion … | |
Meinungen kund. Darüber schwebt der Hauch des Privaten, des Authentischen. | |
Es wird geduzt. Man kennt sich seit Jahren, ist per Webcam bis in die | |
Schlafzimmer dieser neuen Internetprominenz vorgedrungen. Als Fan erlebt | |
man seinen Star schon mal schlecht rasiert, ungeschminkt und übermüdet, | |
darf teilhaben an ihren im Stakkato geschnittenen Lebensweisheiten. | |
Intimste Geheimnisse als Fortsetzungsgeschichte. Trotz größter Bemühungen | |
des Bravo-Magazins kam man den Backstreet Boys damals nie so nahe. | |
## Plattenfirmen des Internets | |
Dabei bleiben die Mechanismen die gleichen. Genauso wie hinter den | |
Backstreet Boys stehen auch hinter den Youtube-Stars massive | |
Medien-Netzwerke. Plattenfirmen des Internets. Und die sind sich ihres | |
wirtschaftlichen Potentials durchaus bewusst. Junge Talente werden unter | |
Vertrag genommen, vernetzt, beworben und gecoacht – natürlich nur unter | |
Gewinnbeteiligung. Die taz.am wochenende hat mit den Köpfen dieser Firmen | |
gesprochen – und mit den Youtubern, die bei ihnen unter Vertrag sind. In | |
der Ganzen Geschichte „Du bist ein Star“ vom 14./15. Februar beschreibt | |
unser Autor Sebastian Kempkens, wie Youtube wurde, was es heute ist: das | |
Fernsehen der Jugend. | |
Kempkens schreibt: „Man muss sich das mal vorstellen. Da kommt einer in | |
eine Konferenz von Fernsehredakteuren und schlägt eine Sendung vor, in der | |
nur zu sehen ist, wie jemand Computer spielt und dabei jeden Schritt | |
kommentiert. Oder wie junge Frauen im Drogeriemarkt einkaufen und danach | |
vor der Kamera erklären, welche Hautcreme ihnen am besten gefallen hat.“ | |
Er zitiert Christoph Krachten, Mitgründer des Netzwerkes Mediakraft: „Alle | |
gucken Videos, auf Smartphones, Tablets. Ich behaupte, YouTube wird bald | |
größer sein als Fernsehen“. Krachten musste im Verlauf der Recherche wegen | |
Imageverlust zurücktreten. Der Machtkampf um Youtube – und um sehr viel | |
Geld – hat gerade erst begonnen. | |
Eine Entwicklung, der sich nun auch die etablierten Fernsehunternehmen | |
stellen. Mit Studio71 startete die ProSiebenSat.1-Mediengruppe ihr eigenes | |
Youtube-Netzwerk. Ein spürbarer Einfluss, sowohl in den umfangreichen | |
Werbekampagnen, als auch in den Ansichten der Akteure. In der taz.am | |
wochenende formuliert Fabian Siegismund die Ansprüche des Unternehmens so: | |
„Unsere Nutzer haben eine Aufmerksamkeitsspanne von fünf Sekunden, bei | |
Goldfischen ist sie drei Sekunden lang. Daran orientieren wir uns.“ | |
Andy Warhol hat auch ohne Netzwerk seinen Weg zu Youtube gefunden. „Andy | |
Warhol eating a hamburger“ haben knapp eine Million Menschen gesehen. | |
Youtube kann nicht nur Daily-Soap, sondern auch Kultur. Nicht nur RTL II, | |
sondern auch Arte. Ein mediales Wunderkind. Zeitlos und zu jedem Moment | |
abrufbar. Dann nämlich doch: für alle. | |
Was glauben Sie? Ist Youtube das neue Fernsehen? Gucken, wann man will, | |
nach individuellen Vorlieben? Oder gibt es etwas, das das Fernsehen noch | |
einzigartig macht? | |
Diskutieren Sie mit! | |
YouTube wird am 14. Februar zehn Jahre alt. Die ganze Geschichte „Du bist | |
ein Star“ lesen sie in der taz.am wochenende vom 14./15. Februar 2015. | |
13 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Markus Lücker | |
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