# taz.de -- Streit um Atomkraftwerk Grohnde: AKW-Gegner wollen notfalls klagen | |
> Anwohner der umstrittenen Anlage nahe Hameln haben einen Antrag zur | |
> Stilllegung eingereicht. Sie befürchten terroristische Anschläge. | |
Bild: Der Ort des Schreckens bei Nacht: ein höllisches Spektakel. | |
HANNOVER taz | Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Atomkraftwerk | |
Grohnde bei Hameln noch bis Ende 2021 am Netz bleiben. So legt es das 2011 | |
novellierte Atomgesetz fest. Viel zu lange, findet Hans-Peter Leiding, 60 | |
Jahre. Deshalb hat er gemeinsam mit Anwohnern der umstrittenen Anlage am | |
Mittwoch beantragt, dem Stromkonzern Eon die Betriebsgenehmigung schon | |
jetzt zu entziehen. Der Antrag wird derzeit beim Umweltministerium in | |
Hannover geprüft. Notfalls will Leiding das Anliegen auch gerichtlich | |
durchsetzen, mit einer Klage beim Verwaltungsgericht. Das dafür notwendige | |
Geld – geschätzt 50.000 Euro – wollen Unterstützer mit Spenden eintreiben. | |
Die Anwohner verweisen insbesondere auf die zunehmende Gefahr durch | |
Einwirkungen von außen, etwa durch einen terroristischen Anschlag auf das | |
AKW und das auf demselben Gelände errichtete Zwischenlager. Zudem beziehen | |
sie sich auf die Schwachpunkte des Kraftwerks, die schon seit Jahrzehnten | |
bekannt sind: So fehlt der Anlage immer noch ein Endlager. Die | |
Atomkraftnutzung in Grohnde sei „vergleichbar mit einem Flugzeug, das | |
gestartet ist, für das es aber noch keine geeignete Landebahn gibt“, sagt | |
Leiding. Außerdem befürchtet er, dass eine künftige Bundesregierung | |
angesichts chronisch leerer Staatskassen die AKWs doch länger laufen lassen | |
könnte, als angekündigt. | |
Zwar zeigte sich Leiding solidarisch mit den Beschäftigten des Kraftwerks. | |
„Aber das kann kein ernsthaftes Argument sein, wegen einiger Arbeitsplätze | |
an einer überholten, gefährlichen Technik festzuhalten“, sagte er. | |
Stattdessen regte er einen Strukturwandel an – eine | |
„Kreativitätsinitiative“ zwischen dem Kreis Hameln-Pyrmont und den | |
Gemeinden sollte diesen vorantreiben. | |
Der Rechtsanwalt Ulrich Wollentein vertritt die Kläger. Jüngste | |
Entscheidungen in anderen Verfahren haben seiner Meinung nach die Chancen | |
auf Erfolg erhöht. So habe kürzlich das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil | |
bestätigt, mit dem die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager in | |
Brunsbüttel gekippt worden sei. Auch in diesem Fall argumentierten die | |
Anwohner mit der Terrorgefahr. Die deutschen Sicherheitsbehörden | |
bestätigten die Gefahr von Anschlägen auf Atomanlagen. | |
Auf die „technischen Schwachstellen“ weisen Umweltschützer schon seit | |
Jahren hin. Der Energiexperte der Organisation Robin Wood, Tobias Darge, | |
kritisiert, dass das AKW Grohnde mit Billigstahl der Werkstoffsorte WSte 51 | |
gebaut wurde – obwohl der bekanntlich anfällig für Risse und Versprödungen | |
sei. Bei der Routinerevision im Frühjahr 2014 hätten Techniker | |
festgestellt, dass Federn an zahlreichen Drosselkörpern gebrochen waren. | |
Diese Bauteile regeln den Kühlwasserfluss um die Brennstäbe. Außerdem hatte | |
der Generator einen Totalschaden und musste ausgewechselt werden. | |
Auch Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) zeigte sich | |
besorgt um die Sicherheit von Grohnde und weiterer AKWs. Erst im Dezember | |
hatte sein Haus eine Konferenz über Alterung, Korrosion und | |
Ermüdungsverhalten von Komponenten der Kraftwerke ausgerichtet. | |
Grundsätzlich befürworte das Land Niedersachsen den Atomausstieg, sagte er. | |
Für den Entzug einer Betriebsgenehmigung gebe es allerdings hohe rechtliche | |
Hürden. Wenzel rechnet damit, dass die Prüfung einige Monate dauern werde. | |
25 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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