# taz.de -- Zwischenlager: Problem bis ins 22. Jahrhundert: Die Risiken des Aus… | |
> Terroranschläge, Unfälle, Hochwasser – der Umweltverband BUND | |
> veröffentlicht ein Gutachten über die Gefahr, die von den Atomkraftwerken | |
> ausgeht. | |
Bild: Kann man sich schön malen, gilt aber schon lange nicht mehr als schicke … | |
HAMBURG taz | Die atomaren Zwischenlager an den deutschen Atomkraftwerken | |
erweisen sich als Problem beim Atomausstieg. Ein Gutachten im Auftrag des | |
Umweltverbandes BUND hat jetzt darauf hingewiesen, dass die Zwischenlager | |
nicht für die Aufgabe gerüstet sind, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf | |
sie zu kommt. Weil keiner ein Endlager bei sich um die Ecke haben will und | |
die Suche nach einem geeigneten Ort entsprechend aufwendig ist, könnte es | |
sein, dass die Standortzwischenlager bis weit ins 22. Jahrhundert betrieben | |
werden müssen. Genehmigt sind sie bis Mitte der 2040er Jahre. | |
Das Gutachten der Physikerin Oda Becker verschafft einen Überblick über die | |
Risiken deutscher AKWs und der damit notwendigerweise verbundenen | |
Zwischenlager. Sie reichen von unzureichend berücksichtigtem Hochwasser | |
über eine „mangelnde Sicherheitskultur“ bis hin zu Terroranschlägen. Auch | |
in Deutschland sei jederzeit ein größerer Störfall oder ein GAU möglich, | |
warnt Renate Backhaus vom BUND Niedersachsen. „Diese Risiken sind der | |
Bevölkerung nicht länger zumutbar, genauso wie die Risiken altersschwacher | |
Atommeiler in unseren Nachbarländern.“ | |
„Mit zunehmender Zwischenlagerdauer ist von einer Veränderung von | |
Behälterkomponenten und Brennelementen auszugehen“, schreibt Becker. Dies | |
könne sich auf die Sicherheit der Zwischenlager auswirken, von denen die | |
Hälfte in Norddeutschland liegt. Zudem würde es die Handhabung von | |
Brennelementen und Kokillen, in denen radioaktiver Müll eingeglast ist, | |
erschweren. Den Müll zu verladen und zu transportieren würde zum Problem, | |
die Endlagerung weiter verzögert. Die Zwischenlager müssten deshalb | |
systematisch beobachtet werden, fordert Becker. | |
Für die Zwischenlager laut Becker wie für die Kraftwerke selbst, dass sie | |
unzureichend gegen Terrorangriffe geschützt sind. Unterstützt von | |
Greenpeace klagen zwei Anwohner gegen das AKW Brockdorf, weil dieses nicht | |
genügend gegen einen Bombenanschlag oder Flugzeugabsturz geschützt sei. | |
Eine Vernebelung wie sie auch zum Schutz des AKW Grohnde vorgesehen ist, | |
reiche gegenüber einem anfliegenden Passagierflugzeug nicht aus. | |
Das Zwischenlager am Standort Brunsbüttel ist aus eben diesem Grund seit | |
einem Jahr ohne Genehmigung. Damals wurde ein Urteil des | |
schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgerichts rechtskräftig, das | |
monierte, dass die Genehmigungsbehörde nicht berücksichtigt habe, dass der | |
Riesenairbus A380 in Dienst gestellt werden würde. Ein weiteres Risiko | |
sehen die Behörden in einem Angriff mit panzerbrechenden Waffen auf | |
Castorbehälter. | |
Mit Blick auf die Reaktorkatastrophe 2011 in Fukushima wertete Gutachterin | |
Becker die Sicherheitsüberprüfung der deutschen Atomkraftwerke durch die | |
Reaktorsicherheitskommission und den Stresstest der EU aus. Demnach wäre | |
das AKW Grohnde weder ausreichend gegen Erdbeben noch gegen Hochwasser | |
gefeit. Grohndes Erdbebensicherheit bleibe unter der international | |
empfohlenen Norm. Allerdings seien Erdbeben in der Region extrem selten. | |
Der Hochwasserschutz des Kraftwerks sei zu sparsam ausgelegt, bemängelt | |
Becker. Außerdem könnte das niedrig gelegene Kraftwerksgelände bei einem | |
starken Hochwasser überflutet werden. Das Kraftwerk wäre dann schwer | |
zugänglich; elektrische Anlagen könnten ausfallen und Wasser eindringen. | |
Defizite gebe es auch bei der sicheren Kühlung der Lagebecken und der | |
Vorbeugung gegen Wasserstoffexplosionen. | |
Den Kraftwerksbetreibern wirft Becker vor, diese Probleme zu verharmlosen: | |
„In den Grundzügen ist die Situation in Deutschland vergleichbar mit der | |
Situation in Japan vor der Atomkatastrophe“, schreibt sie. Dabei wären die | |
Folgen eines schweren Atomunfalls in Deutschland wegen der dichten | |
Besiedelung besonders fatal, warnt Becker. Das gelte umso mehr, wenn die | |
Katastrophenschutzplanung nicht darauf eingestellt sei, wie die taz am | |
Beispiel des AKW Emsland zeigte. | |
13 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Energiewende | |
Atomausstieg | |
Zwischenlager | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Gewässerschutz | |
AKW | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Flüchtlinge | |
Atommüll | |
Atommüllendlager | |
Atomkraftwerk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abschaltung von AKW: Grohnde schwitzt weiter | |
Weil das Kühlwasser der Flüsse zu warm ist, drosseln Atomreaktoren ihre | |
Leistung. Das ist auch in Frankreich und der Schweiz so. | |
Umweltstreit in Österreich: Auenschutz kontra Energiewende | |
In Graz kämpfen Befürworter eines Wasserkraftwerks gegen Umweltaktivisten. | |
Diese fordern, dass der Fluss Mur sein natürliches Bett behalten kann. | |
Atomkraftwerke in der Ukraine: Angst vor einem neuen Tschernobyl | |
Die Ukraine will ihre AKWs künftig aus wirtschaftlichen Gründen kurzfristig | |
hoch- und runterfahren. Das halten sogar die Betreiber für gefährlich. | |
Atommüll nach Brokdorf: Die Castoren kommen | |
In das AKW-Zwischenlager Brokdorf soll nach dem Willen des grünen | |
Umweltministers Habeck neun Castoren eingelagert werden. | |
Die Wahrheit: Gorleben für alle | |
Die Zukunft strahlt jetzt schon: Endlich wird der weltweite Atomabfall | |
gerecht aufgeteilt: 50 Gramm Atommüll pro Kopf, ab sofort. | |
Atomausstieg: Niemand will den Strahlenschrott | |
Atommeiler stillzulegen, ist einfach, sie zu entsorgen, ist ein Problem. | |
Niemand weiß, wo der Abfall hin soll. Im Norden hat die Suche nach Deponien | |
begonnen. | |
Streit um Atomkraftwerk Grohnde: AKW-Gegner wollen notfalls klagen | |
Anwohner der umstrittenen Anlage nahe Hameln haben einen Antrag zur | |
Stilllegung eingereicht. Sie befürchten terroristische Anschläge. | |
Geheime Übung von Bund und Ländern: Nicht bereit für den Super-GAU | |
Behörden haben einen schweren Reaktorunfall in Deutschland simuliert. Das | |
Katastrophenmanagement ist gründlich schiefgegangen, zeigt eine | |
taz-Recherche. |