# taz.de -- Streit um AKW Brunsbüttel: Mühen des Rückbaus | |
> Das Atomkraftwerk Brunsbüttel soll rückgebaut werden – nun streiten | |
> Kritiker, Behörde und Betreiber, wie sicherer Rückbau aussieht. | |
Bild: Nur darüber, dass er weg soll, herrscht Einigkeit: Atommeiler in Brunsb�… | |
KIEL taz | Blechtonnen mit dem Strahlen-Warnsignal, Gitarrenklänge und | |
Protestlieder: „Schluss mit der Atomkraft“, singt der Chor, der sich an der | |
Tür des Elbeforums Brunsbüttel aufgestellt hat, um die Gäste des | |
„Erörterungstermins zum Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel“ zu begrüß… | |
Robert Habeck, Minister für Energiewende und oberster Dienstherr der | |
Strahlenschutzbehörde in Schleswig-Holstein, wippt mit. | |
Das Ziel der Demonstranten könnte der Grüne sofort unterschreiben – „der | |
Einstieg in die Atomkraft war ein historischer Fehler“, sagt er später in | |
seiner Rede im Saal. Und auch Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter der | |
Vattenfall GmbH für Norddeutschland, erklärt: „Vattenfall will die | |
Geschichte zu Ende schreiben, Vattenfall hat sich für den Rückbau | |
entschieden. | |
„Alle einig? Keine Spur: „Abbau ja – aber sicher“, fordert der | |
Umweltverband Bund. Karsten Hinrichsen, Atomkraftgegner aus Brokdorf, | |
präzisiert: „Wir alle wollen, dass Brunsbüttel zurückgebaut wird – aber | |
nicht um jeden Preis.“ | |
Noch erhebt sich der schwarze Block des Kraftwerks nahe der Elbe. „Ich | |
hatte das Ziel, dass am Ende meiner Amtszeit dort Schafe weiden“, sagt | |
Habeck. „Aber es wird länger dauern.“ | |
Von rund 20 Jahren gehen das Ministerium und Vattenfall für den gesamten | |
Prozess aus, der mit der Stilllegung angefangen hat – wobei politische wie | |
technische Überraschungen nicht ausgeschlossen sind (siehe Kasten). | |
Der jetzige Erörterungstermin, bei dem Anwohner und Verbände ihre Bedenken | |
äußern dürfen, ist ein Schritt auf dem Weg zur ersten Abbauphase. | |
Fast 900 Personen haben Einwände eingereicht, darunter sind viele | |
Sammelbeschwerden. „Technisch sind alle Fragen eines Rückbaus gelöst“, | |
betont Ingo Neuhaus, Technischer Geschäftsführer bei Vattenfall. | |
Radioaktiv belastet seien nur zwei Prozent des Gebäudes, die übrigen 98 | |
Prozent könnten „in den konventionellen Stoffkreislauf“ eingespeist, also | |
zu einer normalen Deponie gebracht werden: „Salopp gesagt, geht es vor | |
allem um Putzen und Saubermachen.“ | |
Eben das bezweifeln die Gegner: „Vattenfall weiß gar nicht, was in dem | |
schwarzen Kasten drin ist“, sagt Karsten Hinrichsen. Statt pauschal den | |
Rückbau zu genehmigen, müsse ein genauer Plan her. In der Atomaufsicht des | |
Landes hält man das für schwierig: Erstens seien nicht alle kontaminierten | |
Bereiche zugänglich, zweitens könnten sich Strahlenbelastungen im Lauf des | |
Verfahrens ändern. | |
Kritiker Hinrichsen kontert: Das Ministerium gehe dem Betreiber auf den | |
Leim. Die Behörde setzte „die wirtschaftlichen Ziele von Vattenfall über | |
den Strahlenschutz“. | |
Robert Habeck weist das zurück: Es werde nach „Recht und Gesetz“ | |
entschieden. Aber stimmen die Gesetze, etwa beim Grenzwert? So sind nach | |
offizieller Meinung Strahlungsschwankungen unter zehn Mikrosievert nicht | |
messbar. Falsch, meint Werner Neumann, der als Experte des BUND | |
Kraftwerkrückbauten begleitet. | |
Viele der Grundlagen, auf denen das Zehn-Mikrosievert-Konzept beruhe, seien | |
fachlich überholt oder beruhten auf „willkürlich angehobenen“ Werten. Der | |
Effekt: die Zahl „politisch in Kauf genommener Krebstoter“ sei erhöht | |
worden“. Die Atombehörde verweist darauf, dass Schwankungen um zehn | |
Mikrosievert durch natürliche Strahlung vorkommen könnten. | |
Hinrichsen, der seit Jahrzehnten gegen Atomkraft kämpft, wirft dem | |
Ministerium vor, es lasse sich von Vattenfall erpressen – der Konzern hat | |
zwar den Rückbau beantragt, behält sich aber vor, seinen Antrag verfallen | |
zu lassen, wenn die Auflagen zu hoch sind. | |
So fordern einige Kritiker, zu warten statt auf Bedingungen der Betreiber | |
einzugehen. Scharf kritisierten Hinrichsen und Neumann, dass zu wenig | |
Unterlagen vorlägen. Laut Vattenfall sind alle „gesetzlich geforderten“ | |
Dokumente veröffentlicht. | |
Habeck warnt davor, zu lange auf Zeit zu spielen: „Detailfragen dürfen | |
nicht den Blick auf das Große und Ganze verstellen“. Als Beispiel nennt er | |
die Forderung, alle Bauteile als strahlenden Müll zu behandeln und zu | |
lagern: „So viel Deponieplatz gibt es nicht“, so der Minister. „Kritik an | |
Atomkraft darf nicht dazu führen, dass wir beim Rückbau handlungsunfähig | |
werden.“ | |
6 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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