# taz.de -- Atomausstieg: Der Meiler soll weg – aber wie? | |
> Das AKW Brunsbüttel soll abgebaut werden. Doch über den Abriss herrscht | |
> Streit zwischen den Anti-Atom-Initiativen und dem Energieministerium. | |
Bild: Soll rückgebaut werden – doch niemand weiß, wohin mit dem Restmüll: … | |
Karsten Hinrichsen klingt nicht wie jemand, der kurz vor seinem Ziel steht. | |
„Ich finde es sehr mutig von Robert Habeck, dass er sich hierher in die | |
Höhle des Löwen wagen will“, sagt der pensionierte Meteorologe, der seit | |
Jahrzehnten im Widerstand gegen die AKWs Brokdorf und Brunsbüttel an der | |
Elbmündung kämpft. Wenn Schleswig-Holsteins grüner Energieminister am | |
kommenden Montag um 9.30 Uhr im Elbeforum Brunsbüttel den Erörterungstermin | |
zum Abbau des Atommeilers Brunsbüttel eröffnet, würden seine Initiative | |
Brokdorf-akut und andere Anti-Atom-Gruppen „ihm einen angemessenen Empfang | |
bereiten“, kündigt Hinrichsen an. | |
Betreiber Vattenfall hatte am 1. November 2012 beantragt, den 15 Monate | |
zuvor stillgelegten Reaktor (siehe Kasten) abbauen zu dürfen. Rund 900 | |
Menschen haben gegen das Abrisskonzept Einwendungen erhoben, über die nun | |
debattiert werden soll. Hinrichsen ist selbstverständlich auch darunter: | |
„Habeck will Vattenfall einen sehr schlanken Abriss erlauben“, den | |
Hinrichsen selbst „starken Tobak“ nennt. | |
Die vorgelegte Planung sei „voller unnötiger Belastungen für Mitarbeiter, | |
Anwohner und Umwelt“, sagt Hinrichsen. Dem Konzern gehe es vor allem darum, | |
„möglichst viel Deponieraum zu sparen und dafür Menschen und Natur als | |
Billigdeponie zu missbrauchen“, vermutet er. Konkret moniert Hinrichsen, | |
dass der Antrag zum Rückbau kein Gutachten über die zu erwartende | |
Strahlenbelastung enthält. Auch gebe es kein radiologisches Gesamtkataster, | |
aus dem ersichtlich sei, welche radioaktiven Stoffe in welchem Maß im | |
Meiler Brunsbüttel vorhanden sind: „Der Tenor von Vattenfall ist deutlich: | |
Je mehr radioaktiven Abfall wir in die Umwelt entlassen können, umso | |
weniger kostet uns die Entsorgung“, lautet Hinrichsens Interpretation. | |
Das sieht Habeck naturgemäß anders. „Der Rückbau ist ein Riesenprojekt und | |
löst natürlich Sorgen aus“, räumt er ein. Aber es gebe „keinen | |
Automatismus, dass genauso genehmigt wird wie beantragt, das sind zwei paar | |
Schuhe. Aber dass der Meiler weg muss, steht für mich außer Frage“, stellte | |
Habeck im taz-Interview klar. Am heutigen Abend will er seinen Fahrplan für | |
den Abriss des Meilers Brunsbüttel in kleiner Medienrunde detailliert | |
vorstellen. 2017, so seine Hoffnung, könnte ein von der Atomaufsicht im | |
Energieministerium genehmigtes Konzept vorliegen und Vattenfall mit dem | |
Rückbau beginnen. | |
Keinen Zweifel will Habeck aufkommen lassen an seiner Absicht, „das Kapitel | |
Atomkraft bei uns zu beenden, das ist mein politischer Wille.“ Die 900 | |
Einwendungen gegen die Rückbaupläne sind aus seiner Sicht nicht gegen den | |
Abriss gerichtet, sondern fordern höhere Sicherheiten. Für ihn sei | |
vollkommen klar, „dass der Rückbau so sorgfältig und gut wie möglich | |
geplant werden und ablaufen muss“. | |
Das allerdings wird so einfach nicht gehen. Zunächst müssen die | |
Atombrennstäbe aus dem Reaktordruckbehälter entfernt werden. Dafür sind | |
Castorbehälter erforderlich, die noch nicht zur Verfügung stehen, und eine | |
sichere Lagerstätte. Habeck hat dafür das Zwischenlager am benachbarten AKW | |
Brokdorf im Visier. Für das Lager Brunsbüttel hatte zu Jahresbeginn das | |
Oberverwaltungsgericht Schleswig die Betriebsgenehmigung wegen | |
Sicherheitsbedenken rückwirkend einkassiert. Ein atomares Endlager in | |
Deutschland indes liegt in noch sehr weiter Ferne. | |
Zudem müssen 632 verrostete Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem | |
Abfall aus den Kavernen des Meilers geborgen und sicher entsorgt werden. | |
Sie könnten ins niedersächsische Endlager Schacht Konrad gebracht werden, | |
wenn dieses betriebsbereit wäre – frühestens 2022 wird das der Fall sein. | |
Und dann muss auch noch 3.000 bis 6.000 leichtkontaminierter Bauschutt auf | |
Sondermülldeponien abgelagert werden, die es noch gar nicht gibt. | |
Und auch deshalb hält Karsten Hinrichsen die Abrisspläne für eine Farce. | |
„Es gibt keine vereinbarten Fristen für den Start des Rückbaus“, sagt | |
Hinrichsen: „Der Meiler kann noch lange vor sich hinstrahlen, während die | |
Abrissgenehmigung in der Schublade vergilbt.“ | |
28 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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