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# taz.de -- Kolonialismus-Debatte in Berlin: Der Knochenjob beginnt
> In Debatte über Rückgabe menschlicher Überreste kommt Bewegung. So soll
> geklärt werden, wie Knochen und Schädel in die Museumssammlungen
> gelangten.
Bild: Wo kommt dieser Schädel her?
In Berliner Museen könnte es vielleicht bald ein paar Knochen und Schädel
weniger geben. So zumindest kann man ein Grundsatzpapier interpretieren,
das die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) vor wenigen Tagen
veröffentlicht hat. Thema ist der „Umgang mit menschlichen Überresten in
den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin“. Die SPK kündigt darin an,
künftig den Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes folgen zu wollen.
Neben einer angemessenen und würdigen Lagerung und Präsentation gehört auch
eine gründliche Provenienzforschung – also eine Klärung, auf welchen Wegen
Knochen und Schädel in die Museumssammlungen gelangten. In Einzelfällen
könne eine Bestattung oder eine Übergabe der Überreste an die
Herkunftsgesellschaften erfolgen.
In den vergangen Jahren gab es immer wieder Debatten über die Gebeine, die
seit der Kolonialzeit im Besitz der Berliner Museen sind. Mit der
anthropologisch-osteologischen Sammlung der Charité übernahm die SPK 2011
ein besonders sensibles Gebiet: rund 8.000 Skelette, Schädel und Knochen –
die sogenannte Luschan-Sammlung geht auf den Anthropologieprofessor Felix
von Luschan (1854–1924) zurück. Die Überreste dienten auch der
rassistischen Forschung. Nun will die Stiftung deren genaue Herkunft
klären.
Restitutionen gab es schon vereinzelt: Namibia, Australien und Paraguay
erhielten von Berlin Gebeine zurück. Doch noch immer lagern viele während
der Kolonialzeit zusammengetragene Überreste in den Depots. Und noch immer
werden Forschungen daran durchgeführt. Initiativen wie „No Humboldt 21“ und
„Berlin Postkolonial“ werfen den Verantwortlichen vor, sich nicht aktiv für
eine Rückgabe menschlicher Überreste einzusetzen. Sie fordern eine Rückgabe
der Skelette und Kunstschätze an die Nachfahren der rechtmäßigen
Eigentümer.
## Zeichen des Aufbruchs
Die vorsichtigen Ankündigungen der SPK werten kolonialismuskritische
Initiativen als Zeichen des Aufbruchs: Bei „No Humboldt 21!“ freut man
sich, dass die Staatlichen Museen sich „endlich offen zur Rücknahme der
umfangreichen „Schädel-Sammlung“ von der Charité bekennen“. Der tansani…
Aktivist Mnyaka Sururu Mboro von „Berlin Postkolonial“ jubelt: „Das ist e…
großer Tag: Nun besteht Aussicht, dass wir Wachagga unsere hier in
Schuhkartons gelagerten, ermordeten Ahnen zurückführen und traditionsgemäß
bestatten können!“
Mit der euphorischen Reaktion auf eine eher schwammige Absichtserklärung
wollen die Aktivisten die Museen unter Zugzwang setzen. Erst im Dezember
2014 konfrontierten sie die Dahlemer Museen mit Hinweisen, dass die
„Schädel-Sammlung“ auf Kriegsbeute zurückgeht. Nun fordern sie die
Umsetzung des Museumspapiers.
Was die Rückgabe angeht, hält sich die SPK bedeckt. „Menschliche Überreste
haben auch heute in den Sammlungen einen wichtigen Platz und besitzen einen
hohen wissenschaftlichen Erkenntniswert“, wird in dem Papier betont. In
Deutschland gebe es „nur in wenigen Fällen Vorbehalte dagegen, dass
Überreste von Menschen, die seit mehr als 100 Jahren tot sind, im Museum
verwahrt werden und auch Gegenstand von Forschungen sind“.
Nur wenn ein unethischer Ursprung eines Sammlungsobjekts – Grabschändungen
etwa – nachgewiesen werden kann, will die Preußenstiftung handeln. Oder
wenn „es nachhaltige Einwände der Herkunftsgesellschaft gegen den weiteren
Verbleib der Überreste im Museum gibt“. Dabei, diese Einwände zu bündeln,
sind die antikolonialen Bündnisse sicher gern behilflich.
2 Apr 2015
## AUTOREN
Nina Apin
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