Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Eklat bei Rückgabe der Herero-Gebeine: Bis auf die Knochen blamiert
> Die Zeremonie zur Rückgabe von 20 Schädeln namibischer Opfer des
> deutschen kolonialen Genozids gerät zum deutsch-namibischen Showdown.
Bild: Es geht nicht nur um die Rückgabe der Schädel von Opfern des deutschen …
BERLIN taz | Ständig wird die deutsche Staatsministerin bei ihrer Rede
unterbrochen. "Entschuldigung sofort" und "Reparationen" steht auf Zetteln,
die die namibischen Delegierten hochhalten. "Ihr habt unser Volk getötet!"
ruft eine Frau. Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin im Auswärtigen Amt
und höchstrangige Vertretung der Bundesregierung bei der Zeremonie in der
Berliner Charité zur Rückgabe der Schädel von 20 Opfern des deutschen
Völkermords an den Herero und Nama in Namibia 1904, gerät außer Fassung.
"Deutschland ist das Land der freien Rede", da habe man zuzuhören, doziert
Pieper. Sie wird ausgebuht. Schließlich brüllt sie: "Ich bitte das
namibische Volk im Namen der deutschen Regierung um Versöhnung!!"
Die namibische Antwort aus dem Saal: Gelächter. Andere deutsche Vertreter
schauen betreten weg. Was für ein Unterschied zur "Bitte um Vergebung" von
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) 2004 in
Namibia - die allerdings nicht als offizielle Entschuldigung gilt.
Die Schädelrückgabe am Freitagnachmittag sollte Abschluss und Höhepunkt
einer bewegenden Berlinreise von Regierungsvertretern und traditionellen
Führern aus Namibia sein. Aber es dominierte die Irritation. Die namibische
Seite fühlte sich von offizieller Seite ignoriert, auch weil Minister aus
Namibia nicht von Ministern aus Deutschland empfangen wurden.
## Irritiert von Irritationen
Die deutsche Seite war irritiert, dass die namibische Seite irritiert war.
Am Donnerstagabend stand der Besuch kurz vor dem Abbruch. Die namibischen
Regierungsvertreter wollten zurückfahren. Die traditionellen Ältesten
sagten, sie würden nicht ohne die Schädel nach Hause fahren. Also blieb die
Delegation. Aber die Regierungsvertreter sagten ihre Teilnahme an einer
Unterschriftenzeremonie ab.
Während in Namibias Hauptstadt Windhoek zu Demonstrationen vor der
deutschen Botschaft aufgerufen wurde, bot sich im Großen Hörsaal der
Charité am Freitag ein seltsames Bild: zwei Schädel in Glasvitrinen,
dahinter weitere Schädel in Kartons auf einem Tisch mit namibischen
Flaggen, feierlich bewacht von namibischen Offizieren in Uniform. Von
deutscher Seite: nichts dergleichen. Es war ja bloß eine Veranstaltung der
Charité.
Direkt nach Pieper ergreift Namibias Kulturminister Kazenambo Kazenambo das
Wort, seine dröhnende Stimme übertönt die Aufregung im Saal.
Der prominente Herero-Politiker zählt die Verbrechen des Kolonialgenerals
Lothar von Trotha auf, dessen "Vernichtungsbefehl" als Grundlage des
Völkermordes gilt. "Und hier hält man ihn für einen Helden", ruft ein
Delegierter. Eine Delegierte hält die Hände vors Gesicht und weint.
30 Sep 2011
## AUTOREN
E. Beis
D. Johnson
## TAGS
Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolonialismus-Debatte in Berlin: Der Knochenjob beginnt
In Debatte über Rückgabe menschlicher Überreste kommt Bewegung. So soll
geklärt werden, wie Knochen und Schädel in die Museumssammlungen gelangten.
Rassistische Wissenschaft: Der Schreck sitzt in den Knochen
Für die Erforschung der menschlichen „Rassen“ brachten Sammler einst
Tausende Gebeine aus den Kolonien nach Berlin. Um den Umgang damit wird
heute hart gerungen.
Peter van Ham über Kopfjäger: "Schädel wurden regelmäßig gereinigt"
Noch heute ist die Kopfjagd bei den Naga mit ihrem Sozialgefüge verbunden,
sagt Buchautor Peter van Ham. Er besuchte mehrmals die Kopfjäger im
Nordosten Indiens.
Historiker über deutschen Krieg in Namibia: "Immer noch eine offene Wunde"
Historiker Joachim Zeller über Deutschlands Kolonialvergangenheit, gezielte
Reparationen an Herero und Nama und warum die Kanzlerin nach Namibia reisen
sollte.
Rückgabe von Herero-Schädeln: "Die Wahrheit muss ans Licht"
Wir sind nicht von unseren deutschen Kollegen begrüßt worden, sagt Namibias
Kulturminister Kazenambo verärgert. Es sei schockierend gewesen.
Deutsche Kolonialgeschichte: Der verleugnete Völkermord
Eine namibische Delegation will Gebeine Ermordeter aus dem Kolonialkrieg
abholen. Deutsche Politiker ignorieren den Besuch. "Wir sind auch
Menschen", sagt ein Herero enttäuscht.
Kommentar Rückgabe von Herero-Gebeinen: Keine Anerkennung
Die deutschen Streitkräfte begingen in Namibia einen Völkermord, das ist
eine historische Tatsache. Nur die offiziellen Stellen wollen das nicht
akzeptieren.
Völkermord in Namibia: Deutschland gibt Schädel zurück
Eine namibische Delegation soll in Berlin 20 von mehreren hundert
Herero-Schädeln abholen. Sie zeugen von den Verbrechen Deutschlands als
Kolonialmacht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.