# taz.de -- Koloniales Berlin: „Das waren Widerstandskämpfer“ | |
> Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz will die Herkunft Tausender Schädel | |
> aus dem Berliner Völkerkundemuseum prüfen und diese dann eventuell | |
> zurückgeben. Auch ein Erfolg des Vereins Berlin Postkolonial. | |
Bild: Die Charité hat bereits 2011 Gebeine aus ehemaligen Kolonien an Opferorg… | |
Herr Mboro, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) will in einem | |
zweijährigen Projekt die Herkunft von menschlichen Gebeinen erforschen, die | |
im Berliner Völkerkundemuseum gesammelt wurden. Ihr Verein begrüßt das. | |
Warum? | |
Mnyaka Sururu Mboro: Das hätte schon seit Langem passieren müssen. Wir | |
fordern diesen ersten Schritt zur Rückgabe der Gebeine, seitdem deren | |
Sammlung vor sechs Jahren von der SPK übernommen wurde. Bislang gab es aber | |
immer nur ausweichende und hinhaltende Reaktionen auf unsere Forderung. | |
Um wessen Gebeine handelt es sich und warum sind sie hier? | |
Es handelt sich größtenteils um Gebeine von BewohnerInnen europäischer und | |
speziell deutscher Kolonien, heute Tansania, Ruanda, Burundi, Namibia, | |
Kamerun, Togo und Papua-Neuguinea. Ich kenne diese Geschichte, seit ich | |
sechs Jahre alt war, von meiner Großmutter. Menschen wurden verhaftet, weil | |
sie gegen deutsche Kolonialisten gekämpft hatten. Viele wurden erhängt oder | |
erschossen. Ihre Schädel wurden abgetrennt und zu Zwecken der | |
Rassenforschung nach Deutschland geschickt, teils auch komplette Skelette. | |
Oft wurden auch Grabstätten geplündert. | |
Von den Gebeinen wie vieler Menschen reden wir? | |
In den Depots der SPK liegen über 8.000 Schädel. Sie kommen überwiegend aus | |
Afrika, über 1.000 Schädel allein aus Ruanda. | |
Was wollten die Rassenforscher anhand der Skelette erforschen? | |
Letztendlich wollte man wohl beweisen, dass die Afrikaner nicht so | |
intelligent wie die Weißen sind. Interessanterweise ist etwa der Arzt und | |
Anthropologe Felix von Luschan am Ende seines Lebens wohl zu einem anderen | |
Ergebnis gekommen. | |
Warum jetzt der Gesinnungswandel bei der SPK bezüglich einer Rückgabe? | |
Ich sehe keinen Gesinnungswandel. Ich denke, sie wollen unseren anhaltenden | |
Protesten den Wind aus den Segeln nehmen. Dabei ist die Frage von Recht und | |
Unrecht bei menschlichen Gebeinen doch völlig klar: Alle diese sterblichen | |
Überreste sind illegal hier. Unsere Vorfahren haben ihre Verstorbenen doch | |
nicht verschenkt oder verkauft! | |
Sie kämpfen seit Jahren für die Rückgabe der Gebeine – warum ist die so | |
wichtig? | |
Es geht um unsere Vorfahren, zum Teil historisch bedeutsame Menschen, die | |
Kriege gegen die deutschen Kolonisatoren angeführt haben: Es geht um | |
WiderstandskämpferInnen. | |
Sind Sie zuversichtlich, dass nach der zweijährigen Forschung eine Rückgabe | |
erfolgt? | |
Ich wäre überrascht, wenn sie alle zurückgeben. Denn offenbar soll an den | |
Schädeln weiterhin anthropologische und medizinische Forschung betrieben | |
werden, sofern sie nicht als Opfer von Gewaltverbrechen identifiziert sind. | |
Wir finden es skandalös, dass diese Forschung noch immer betrieben wird. | |
Was wird mit den Gebeinen nach einer Rückgabe geschehen? | |
Wenn sie an die Volksgruppen zurückgegeben werden, von denen sie stammen, | |
werden sie dort nach den jeweiligen Traditionen beerdigt werden, etwa unter | |
den Bäumen, an denen sie einst gehängt wurden. Es ist auch möglich, dass | |
Regierungen entscheiden, Teile der Gebeine in Nationalmuseen auszustellen. | |
Wenn die Herkunftsgemeinschaften einverstanden sind, wäre das aber eine | |
legale Art der Präsentation. | |
3 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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