| # taz.de -- Kolonialismus bei Straßennamen: Die Sklavenhalterin von Wedding | |
| > Neuer Streit um Straßennamen: Ist Königin Ana Nzinga erinnerungswürdig – | |
| > oder geht es den Kritikern darum, gegen „neuen Kolonialismus“ zu | |
| > wetttern? | |
| Bild: Wer war Ana Nzinga: Sklavenhändlerin oder panafrikanische Ikone des anti… | |
| Gerade eine Woche alt sind die Vorschläge der Jury für neue Straßennamen im | |
| Weddinger Afrikanischen Viertel, da steht einer der Namen schon wieder zur | |
| Disposition. Nachdem verschiedene Medien in den letzten Tagen massiv Kritik | |
| geübt hatten an der Entscheidung, Ana Nzinga, Königin von Ndongo und | |
| Matamba (heute Angola), auf die Liste zu setzen, ruderte die zuständige | |
| Bezirksstadträtin Sabine Weißler (Grüne) am Dienstagabend zurück. Die Jury | |
| werde erneut zusammentreten, „um auf die Kritik einzugehen und unter | |
| Umständen eine Ersatznominierung vorzunehmen“, erklärte sie. | |
| Die Vorwürfe haben es in der Tat in sich: Nzinga sei eine „Königin, die mit | |
| Sklaven handelte“, titelte die Berliner Zeitung. „Die Holländer belieferte | |
| sie mit etwa 12.000 Sklaven pro Jahr“, schrieb der Tagesspiegel. Und für so | |
| jemanden solle Gustav Nachtigal weichen, der zwar „zeitweise in leitender | |
| Stellung bei der Kolonialverwaltung tätig war“, aber „gegen den | |
| Sklavenhandel kämpfte“? „Politische Korrektheit“ witterte da | |
| Tagesspiegel-Kolumnist Harald Martenstein. Die Welt sah gar „neuen | |
| Kolonialismus“ am Werk, denn in der Jury, die die Vorschläge erarbeitete, | |
| saßen „vor allem Mitglieder afrikanischer Herkunft“, die „sozusagen | |
| hauptberufliche Antirassisten“ seien. | |
| Man nehme das sehr ernst, sagte Weißler, die selbst in der Jury saß, am | |
| Mittwoch der taz – auch wenn die Kritik „sehr unterschiedlich fundiert“ | |
| sei. „Es war immer Ziel der Jury, mit den Namen etwas zu vermitteln. Wenn | |
| das scheitert, muss man das womöglich ändern.“ | |
| Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte hatte Anfang 2016 nach | |
| jahrelangen Diskussionen beschlossen, Lüderitzstraße, Petersallee und | |
| Nachtigalplatz umzubenennen. Alle drei Namen beziehen sich auf Männer, die | |
| im deutschen Kolonialismus wichtige Rollen spielten. Vorige Woche hatte nun | |
| eine Jury aus BezirkspolitikerInnen und Vertretern antirassistischer und | |
| antikolonialistischer Initiativen sechs Namen vorgestellt, aus denen die | |
| BVV drei wählen kann. | |
| Über Königin Nzinga (1583-1663) und den Sklavenhandel habe man „natürlich�… | |
| diskutiert, so Weißler. Aber am Ende habe die Jury mehrheitlich | |
| „akzeptiert, dass sie auf der afrikanischen Seite als Heldin rezipiert | |
| wird. Das ist eine Frage des Respekts vor anderen Perspektiven“, findet die | |
| Stadträtin. | |
| Wer war Ana Nzinga? Sklavenhändlerin, wie nun moniert wird, oder | |
| panafrikanisches Symbol des Widerstands gegen Kolonialismus, wie es etwa | |
| die UN-Kulturorganisation UNESCO sieht? Beides, sagt Andreas Eckert vom | |
| Institut für Asien- und Afrikawissenschaft der Humboldt Universität. „Sie | |
| hat versucht, gegen den Vormarsch der Portugiesen im heutigen Angola zu | |
| kämpfen, aber sie hat auch vom Sklavenhandel profitiert.“ Nzinga war eine | |
| ambivalente Figur, so Eckert: einerseits eine Art Amazone und eine der | |
| wenigen bekannten mächtigen Frauen der vorkolonialen afrikanischen | |
| Geschichte, andererseits mit ihrem Königreich Teil der damaligen | |
| Sklavenwirtschaft. Aber wegen dieser Ambivalenz sei die Wahl Nzingas als | |
| Namenspatin für eine Weddinger Straße „nicht so besonders geschickt“, | |
| findet der Afrikanist. Auf der anderen Seite, so Eckert, könne man aber | |
| auch nicht – wie der Tagesspiegel-Kolumnist – Nachtigal zu einem „bis heu… | |
| respektierten Afrikaforscher“ machen. „Nachtigal stand für Herrendenken, | |
| Nationalismus und die Unterjochung Afrikas.“ | |
| Doch den Kritikern der Jury-Entscheidung gehe es ohnehin nicht um eine | |
| historisch korrekte Einordnung der diskutierten Namen, sagt Tahir Della, | |
| Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und | |
| ebenfalls Jury-Mitglied. „Der Widerstand gegen Nzinga ist vorgeschoben“, | |
| glaubt er. „Es geht darum, den ganzen Umbenennungsprozess zu hinterfragen.“ | |
| Christian Kopp von Berlin Postkolonial sieht das genau so. „Die Kritiker | |
| sehen offenbar grundsätzlich nicht ein, dass im afrikanischen Viertel | |
| Straßen nach afrikanischen Frauen benannt werden sollen.“ Allerdings ist | |
| auch seine Initiative mit den Namensvorschlägen nicht glücklich – weil die | |
| meisten keinen Bezug zu Berlin haben. „Ziel ist ja ein Lern- und | |
| Erinnerungsort Afrikanisches Viertel“, erinnert Kopp an den BVV-Beschluss. | |
| „Die Straßennamen sollten uns also etwas lehren über deutschen | |
| Kolonialismus.“ | |
| 7 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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