# taz.de -- Freiburg Biennale zu Tourismus: Den Prunk der Brunnen kontern | |
> Was verbirgt sich hinter touristischen Kulissen? „Happy Place“, die | |
> dritte Freiburg Biennale für Gegenwartskunst, verknotet Lokales mit | |
> Globalem. | |
Bild: Helena Uambembe, To test the depth of water with both feet, 2025, Install… | |
Antalya und Freiburg haben auf den ersten Blick nicht viel gemein. Gut, | |
beide gelten als Tourismus-Hotspots. Beide wecken Assoziationen an Sommer, | |
Sonne, Sorglosigkeit – aber sonst? Reicht doch, finden Catherin Schöberl | |
und Ozan Güngör vom Basler Kunstkollektiv The Unofficial Hiking Society AG. | |
Auf dem Schauinsland, dem Hausberg von Freiburg mit Panoramablick über | |
Schwarzwald und Rheinebene, haben sie einen Stand aufgebaut, an dem sie | |
QR-Codes zu ihrem jüngsten Audio Walk verteilen. Er ist eine klangliche | |
Kartierung beider Tourismusregionen aus der Perspektive derjenigen, die | |
dort wohnen, ohne genug Geld zu haben, um in die Ferien zu fahren. | |
„Happy Place“ lautet ironisch das Motto der dritten Biennale für Freiburg, | |
an der Schöberl und Güngör zu Gast sind. Kuratorin Lorena Juan, im | |
beschaulichen Léon in Kastilien aufgewachsen und in Berlin zu Hause, wo sie | |
bis 2024 zum Team der [1][Transmediale] gehörte, arbeitet sich für ihr | |
Programm am Klischee Freiburgs als Wohlfühlstadt ab. Schon seit Längerem | |
interessiert sie sich für die Verwandlung von Orten und Landschaften, die | |
in den Blick der Tourismusindustrie geraten – und für die unschönen | |
Verhältnisse und Abhängigkeiten, die daraus entstehen. | |
Der Trip mit der Seilbahn ist da eine sanfte Einstimmung ins Thema, denn | |
oben auf dem Berg wird schnell klar, welche Mühe es kostet, an touristisch | |
definierten Orten nicht selbst Tourist:in zu werden, also: eine Person | |
mit der klaren Bereitschaft, Wesentliches zu übersehen, um die Illusion | |
einer intakten und deshalb als erholsam empfundenen Umgebung | |
aufrechtzuerhalten. | |
„Happy Place“ widmet sich den Erzählungen hinter den touristischen | |
Kulissen. Lorena Juan hat dazu 30 Künstler:innen eingeladen, nahezu drei | |
Viertel sind nicht männlich, viele mit spanischsprachigem Hintergrund. Im | |
Zentrum der vielteiligen Schau, die durch acht Kunsträume in der Stadt | |
mäandert, stehen Arbeiten über die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen | |
im Namen von Freizeit und Reiselust. | |
## Immer knapper werdender Rohstoff Sand | |
Im Kunstverein Freiburg etwa folgt Enar de Dios Rodríguez den Spuren des | |
Sandes von Abbauregionen in der Westsahara an die Traumstrände von Madeira | |
und anderswo. Ihre Postkartenserie „Greetings From“ rückt die | |
katastrophalen Folgen des Geschäfts mit dem wichtigen und immer knapper | |
werdenden Rohstoff Sand ins Licht romantischer Sonnenuntergänge. | |
Paloma Contreras Lomas nimmt in einer satirisch-barocken Videoinstallation | |
mit Reggae-Soundtrack die eigene Rolle als Künstlerin in den Blick und | |
fragt, in welcher Weise sie selbst an der Touristifizierung von | |
Szene-Stadtteilen in Mexiko-Stadt und der Verdrängung der ärmeren | |
Bevölkerung beteiligt ist. | |
Daneben plätschert ein aus Ziegelsteinen und Aluschalen improvisierter | |
Glücksbrunnen von [2][Helena Uambembe]. Mit dem hält die Künstlerin aus | |
Südafrika gegen den Prunk europäischer Brunnenarchitekturen und ihre | |
Ästhetik des Überflusses, den es im trockenen Südafrika durch den knapp | |
gehaltenen Zugang zu Wasser gar nicht erst geben kann. | |
Überhaupt zählt Lorena Juans Interesse an lokalen Perspektiven auf | |
postkoloniale Fragen zu den großen Stärken von „Happy Place“. Eindringlich | |
zeigt das die fortlaufend erweiterte Installation „Underlying Spirits“ der | |
frankokanadischen Künstlerin Eve Tagny im Kunstraum DELPHI_space. In | |
Vitrinen liegen zum Mitnehmen Fotokarten mit Texten aus. Sie handeln von | |
Botanischen Gärten, davon, wie sich in diesen Einrichtungen zur | |
Pflanzenkunde Wissenschaft und Kolonialismus überschneiden, wie einige | |
Objekte und Relikte durch Diebstahl, Zwang oder Gewalt nach Europa kamen. | |
Darunter auch fünf menschliche Schädel aus der Sammlung des umstrittenen | |
Anthropologen Alexander Ecker an der Universität Freiburg. Sie stammen von | |
Angehörigen der Maka aus dem heutigen Kamerun, die im Kampf gegen die | |
deutsche Kolonialherrschaft getötet wurden. Eine Delegation aus Kamerun | |
hatte erst kürzlich in Freiburg erneut ihr [3][offizielles | |
Rückgabebegehren] bekräftigt. Tegnys Arbeit trägt dieses Begehren nun in | |
die Biennale, diesen „Happy Place“. | |
2 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Dieter Roeschmann | |
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