Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wikileaks-Aktivistin über EU-Pläne: „Unsicherheit für Whistleb…
> Die EU will gegen Wirtschaftskriminalität vorgehen. Das hat negative
> Konsequenzen für Whistleblower und Journalisten, sagt
> Wikileaks-Aktivistin Sarah Harrison.
Bild: „Echte Innovation braucht keine Geheimnisse“, sagt Sarah Harrison.
taz: Frau Harrison, die EU will Unternehmen besser vor
Wirtschaftskriminalität schützen. Sie fürchten nun, dass dadurch
Whistelblowern das Leben schwer gemacht wird. Warum?
Sarah Harrison: Weil die Definition von Betriebsgeheimnissen in dem
Vorschlag für die Richtlinie extrem vage ist. Sie umfasst alle
vertraulichen Informationen - unanbhängig vom Zweck der Enthüllung.
Muss man nicht trotzdem gegen Wirtschaftsspionage vorgehen?
Einige der größten Fälle von Wirtschaftsspionage, die wir in den
vergangenen Jahren hatten, sind erst durch die Enthüllungen von Edward
Snowden ans Licht gekommen. Von der Spionage betroffen waren auch
europäische Unternehmen, zum Beispiel der Telekommunikationsanbieter
Belgacom oder das SWIFT-Bankennetzwerk. Whistelblower können also zur
Aufdeckung beitragen.
Und das heißt?
Bei den Plänen der EU werden die Interessen von großen, multinationalen
Unternehmen über die Interessen der Öffentlichkeit gestellt - dafür haben
die Konzerne einiges an Lobbyismus gemacht. Aber es sind nicht die
Konzerne, die darüber entscheiden sollten, was die Öffentlichkeit wissen
muss. Im Gegenteil: Sie haben ein Interesse, wichtige Informationen geheim
zu halten, wenn die Veröffentlichung ihnen schaden könnte. Darum braucht es
Whistleblower.
Die geplante Richtlinie der EU enthält auch Regeln zum Whistleblowing.
Reichen die nicht aus?
Die würden in der Praxis nicht viel nützen. Sie erlauben etwa, im
öffentliche Interesse Informationen zu veröffentlichen, um Missstände
bekannt zu machen, aber nur, wenn es „notwendig“ ist. Aber woher soll man
denn im Vorfeld wissen, ob eine Enthüllung notwendig ist oder nicht? Das
lässt sich erst hinterher bewerten. Und genau diese Unsicherheit ist ein
enormes Hindernis für Whistleblower und Journalisten.
Unternehmen halten den Schutz von Betriebsgeheimnissen für wichtig für ihr
Geschäftsmodell.
Eigentlich geht der Trend bei den wirklich innovativen Unternehmen eher in
Richtung Open Data. Toyota und Tesla zum Beispiel, als Entwickler von
Wasserstoffautos, haben sich entschieden, ihre Patente offen zu legen.
Damit können sie zwar auch Konkurrenten einsehen, aber die Entwicklung und
der Einsatz einer neuen Technologie beschleunigt sich. Man kann also nicht
sagen, dass Betriebsgeheimnisse das sind, was echte Innovation braucht.
Wenn die EU sich mit ihrem Plan durchsetzt, sind es letztlich Richter, die
darüber entscheiden, ob jemand ein Whistleblower ist oder ein Krimineller.
Was bedeutet das für Informanten?
Richter entscheiden nicht immer im Sinne des öffentlichen Interesses. Und
selbst wenn wir in einer solchen Welt leben würden - die Bedrohung beginnt
schon vorher. Nämlich dann, wenn potenzielle Whistleblower auf eine
Veröffentlichung verzichten, zum Beispiel weil sie Angst davor haben, dass
ihr Arbeitgeber vor Gericht geht. Und dazu kommt: Laut dem Plan der EU
gehen nicht nur die Informanten das Risiko ein, verklagt zu werden, sondern
auch Medien, die die Informationen veröffentlichen.
In Deutschland ist der Schutz von Whistleblowern gering. Die
Bundesregierung hat etwa den G20-Plan gegen Korruption, der einen
Basisschutz bietet, nicht ratifiziert. Können Sie sich erklären, warum?
Mir scheint, es gibt da eine Diskrepanz zwischen der Regierung und der
Bevölkerung. In Deutschland befürworten viele Bürger etwa ein Asyl für
Snowden, seine Enthüllungen haben hier ein großes Echo gefunden. Ich hoffe,
die Regierung erkennt das eines Tages.
Wie ließen sich denn Whistleblower besser schützen?
Das mindeste wäre, dass Informanten sich immer auf das öffentliche
Interesse berufen können. Die, die das größte Risiko eingehen, wie etwa
Snowden, werden aber realistischerweise nie Sicherheit erwarten können. Ich
glaube daher, man bräuchte eine Übereinkunft, dass, wo Informanten nicht
geschützt werden, sie zumindest in einem anderen Land Asyl beantragen
können.
7 Apr 2015
## AUTOREN
Svenja Bergt
Marlene Halser
## TAGS
Unternehmen
Wirtschaft
Edward Snowden
Sarah Harrison
Whistleblower
Dieselskandal
Transparenz
Agenten
Sarah Harrison
USA
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Whistleblower
Schwerpunkt Überwachung
NSA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Managementforscher über Firmenkultur: „VW ist nicht Katastrophe genug“
Mitarbeiter, die Missstände in ihrem Haus kritisieren, werden selten
geschätzt. Johannes Ludwig fordert deshalb Gesetze, die Whistleblower
begünstigen.
NSA-Ausschuss im Bundestag: Wikileaks veröffentlicht Mitschriften
Bisher waren die Protokolle der öffentlichen Sitzungen nicht zugänglich.
Wikileaks ändert das nun und hilft, das 1.380-seitige Dokument zu
überblicken.
Hackerauflauf in Berlin: Codename Satzungsänderung
Seit Ex-Agenten, Whistleblower und Hacker Berlin als neues Mekka feiern,
treibt auch die Vereinsmeierei neue Blüten. Langsam wird es eng.
Offener Brief an die EU: „Unsere Freiheit ist bedroht“
In der EU soll das Betriebsgeheimnis besser geschützt werden. Das stößt auf
Kritik. Die taz dokumentiert einen Appell an die EU-Institutionen.
John Oliver interviewt Edward Snowden: Das Penisbild zählt
Der Satiriker John Oliver spricht mit Edward Snowden. Das ist sehr
unterhaltsam – und zeigt, wie Amerikaner den NSA-Skandal endlich verstehen
könnten.
Eklat beim Flughafen BER: Transparency gibt auf
Die Korruptionsjäger haben ihre Zusammenarbeit mit der
Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg aufgekündigt - weil Ex-Chef
Hartmut Mehdorn Informationen zurückhielt.
Bremer Whistleblowerin: „Ich fügte mich den Umständen“
Andrea Schulz war bis 2012 Justitiarin der Kassenärztlichen Vereinigung
Bremen. Von ihrer schlimmsten Zeit dort handelt ihr Buch „Eine Frage der
Selbstachtung“.
Urteil zu US-Whistleblower Barrett Brown: Copy. Paste. Knast.
Der Journalist Barrett Brown sollte für das Kopieren eines Links Jahrzehnte
ins Gefängnis. Kann Verlinkung eine Straftat sein?
Whistleblower über smarte Überwachung: „Sie wollen das Empire“
Der Ex-NSA-Direktor Bill Binney über ineffektive Geheimdienste, den
Datenmüll von Millionen Menschen und die Nadel im Heuhaufen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.