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# taz.de -- Rot-grüne Koalition in Hamburg: Gezähmt und ausgezahlt
> Die Grünen dürfen mitregieren, setzen ihre Kernanliegen aber nicht durch.
> Dafür erhält die Partei drei Senatsposten – und Hamburg ausgebaute
> Radwege.
Bild: Es sieht gar nicht gut aus für die Forderungen der Grünen: Fraktionsvor…
HAMBURG taz | Hamburgs rot-grüne Koalition steht. Knapp acht Wochen nach
der Bürgerschaftswahl, in der die SPD ihre absolute Mehrheit verlor, legten
die Spitzen beider Parteien am Mittwoch ihren 115-seitigen
Koalitionsvertrag vor, der nun noch von den anstehenden Parteitagen beider
Partner gebilligt werden muss. Schon am kommenden Mittwoch soll dann der
neue Senat unter Führung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) inthronisiert
werden.
Sechs Wochen lang hatten sich die Grünen in den Koalitionsverhandlungen an
Scholz die Zähne ausgebissen, der seinem Ruf als zäher und unnachgiebiger
Koalitionspartner alle Ehre machte. Am Ende wurden sie gezähmt und
ausbezahlt.
Getreu dem von Scholz vor den Gesprächen ausgegebenen Motto, es werde
keinen Umbau sozialdemokratischer Regierungspolitik, sondern nur einen
grünen Anbau geben, gelang es den Grünen nicht, auch nur ein einziges ihrer
Kernanliegen durchzusetzen: Eine Stadtbahn wird es ebenso wenig geben wie
eine autoreduzierte Umweltzone oder ein kollektives Bleiberecht für die in
Hamburg gestrandeten Lampedusa-Flüchtlinge.
Die Gefahrengebiete, in der „anlassunabhängige“ Polizeikontrollen jederzeit
möglich sind, sollen bestehen bleiben, eine von den Grünen bislang
abgelehnte „geschlossene“ und damit knastähnliche Unterbringung
jugendlicher Intensivtäter wird kommen. Auch die Kennzeichnungspflicht für
Polizisten setzten die Grünen nicht durch: Hier soll erst mit den
Polizeigewerkschaften geredet werden, die aber jede Identifizierbarkeit der
Beamten ablehnen.
## „Das größte gemeinsame Projekt“
Dafür werden dem Senat drei grüne SenatorInnen angehören: Der bisherige
Fraktionschef Jens Kerstan soll das neu zugeschnittene Umwelt- und
Energieressort leiten, Justizsenator soll Till Steffen werden, der die
Behörde schon 2008 bis 2010 unter Schwarz-Grün geleitet hatte. Die grüne
Spitzenkandidatin Katharina Fegebank wird für Wissenschaft, Forschung und
Gleichstellung zuständig sein und sich zudem mit dem Titel „Zweite
Bürgermeisterin“ schmücken dürfen.
Die 100 Millionen, die die Landesregierung in den kommenden fünf Jahren für
zusätzliche Ausgaben zur Verfügung stellt, sollen vor allem den von den
Grünen geleiteten Behörden zugutekommen: 40 Millionen gehen an den Bereich
Wissenschaft und Forschung, 30 Millionen soll sich das Umweltressort
einverleiben. Dazu sollen 30 weitere Euromillionen aus dem Bundeshaushalt
in den Ausbau des Hamburger Fahrradnetzes fließen – der einzige inhaltliche
Punkt von Bedeutung, in dem sich die Grünen durchsetzten.
Dass es mit den geplanten neuen Velorouten gelingen kann, das Versprechen
des Koalitionsvertrags einzulösen, „den Radfahranteil in den zwanziger
Jahren auf 25 Prozent zu steigern“, dafür fehlt jedoch jeder
wissenschaftliche Beleg.
„Das größte gemeinsame Projekt“ sei „die Olympia-Bewerbung unserer Stad…
für 2024 oder 2028, betont Scholz. Diese wollen beide Seiten vorantreiben,
dabei aber auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Bürgerbeteiligung und solide
Finanzplanung achten.
## 70 Prozent Zustimmung?
„Bei der SPD ist die Stimmung gut“, sagt Scholz im Hinblick auf die
SPD-Deligiertenkonferenz am kommenden Dienstag, die den Vertrag aller
Voraussicht nach mit überwältigender Mehrheit absegnen wird. „Bei uns ist
es komplizierter“, sagt hingegen Katharina Fegebank in Bezug auf die grüne
Mitgliederversammlung am Wochenende, für die die grüne
Verhandlungsdelegation zwar mit heftigem Gegenwind, aber auch mit einer
soliden Quote der Zustimmung zu einer Koalitionsbildung von etwa 70 Prozent
rechnet.
Mit diesem Koalitionsvertrag hätten „die Grünen gezeigt, dass sie für
Senatorenposten bereit sind, alle Prinzipien und Wahlversprechen zu
verkaufen“, sagt die Fraktionschefin der Linken, Sabine Boeddinghaus:
„Dieser Vertrag hat viele schöne Überschriften, aber praktisch keine
konkreten Ansätze für ein sozial gerechtes Hamburg.“ Die CDU, die noch vor
Wochen vor einem zu großen grünen Einfluss auf Hamburg gewarnt hatte,
kritisiert nun, dass die Grünen „in keinem wichtigen Politikfeld versucht
haben, eigene Akzente zu setzen“.
8 Apr 2015
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
SPD
Grüne
Bürgerschaftswahl
Hamburg
Olaf Scholz
Katharina Fegebank
Verkehr
Hamburg
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Grüne
Koalitionsverhandlungen
Fraktion
Dietrich Wersich
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