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# taz.de -- Unterbringung von Jugendlichen: Die Heim-Kröte
> Hamburg plant gemeinsam mit Bremen ein geschlossenes Heim für delinquente
> Jugendliche. Die Grünen hoffen, es nicht zu brauchen.
Bild: Blick in das 2008 geschlossene Hamburger Heim „Feuerbergstraße“.
HAMBURG taz | Eine richtig fette Kröte, die die Hamburger Grünen schlucken
werden, ist die Einrichtung eines geschlossenen Heims, das Hamburg
demnächst gemeinsam mit der Stadt Bremen betreiben könnte. Entsprechende
Verhandlungen laufen seit einigen Wochen zwischen den beiden Stadtstaaten.
Das bereits rot-grün regierte Bremen plant eine solche Unterbringung in
einem leer stehenden Gefängnisgebäude auf dem Gelände der Bremer
Justizvollzugsanstalt „Am Fuchsberg“. Die Stadt Hamburg hat eigens einen
Träger gegründet, der dieses Heim betreiben soll.
Noch im Wahlkampf hatten Hamburgs Grüne erklärt, dass sie Erziehung hinter
Mauern ablehnen. „Ich halte geschlossene Unterbringung für fachlich
falsch“, sagt die zuständige Fachsprecherin Christiane Blömeke noch heute.
Und doch zeigt man sich kompromissbereit.
Hamburg hatte 2008 sein Heim „Feuerbergstraße“ auf Druck der Grünen
geschlossen und hat seither über 50 Kinder und Jugendliche in den
[1][brandenburgischen Haasenburg-Heimen] untergebracht, die im Dezember
2013 vom dortigen Ministerium geschlossen wurden. Schon damals hatte
Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) erklärt, die Stadt werde ein
eigenes Heim für delinquente Jugendliche schaffen. Allerdings suchte seine
Behörde vergeblich nach einer passenden Liegenschaft.
Seit April 2014 versucht eine „Koordinierungsstelle“ beim Paritätischen
Wohlfahrtsverband, individuelle Lösungen für Kinder mit „komplexerem
Hilfebedarf“ zu finden. In 15 Fällen ist dies bereits gelungen. Die Grünen
setzten nun im Koalitionsvertrag durch, dass diese bisher nur aus einer
Mitarbeiterin bestehende Stelle „finanziell und personell“ verstärkt wird.
Das Ziel sei es, geschlossene Unterbringung zu vermeiden.
Doch einen Verzicht auf ein neues Heim bedeutet das nicht. Man wolle
gemeinsam mit Bremen eine Einrichtung betreiben, „die auch Freiheitsentzug
mit sich bringt“, sagt SPD-Bürgermeister Olaf Scholz und spricht von einer
„kleinen einstelligen Platzzahl“.
In Bremen wird derweil kurzfristig eine geschlossene Einrichtung für eine
Gruppe von etwa zehn minderjährigen Flüchtlingen gesucht, von denen es
heißt, sie hätten lange auf der Straße gelebt und seien nicht zugänglich.
Unsicher ist, ob beide Städte dieselbe Zielgruppe im Auge haben: Hamburg
hat gerade für eine kleine Gruppe problematischer minderjähriger
Flüchtlinge eine Spezialeinrichtung eröffnet, die zwar strenge Regeln hat,
aber explizit nicht geschlossen ist.
Unklar ist auch, was denn wird, wenn die „Koordinierungsstelle“ so
erfolgreich ist, dass Hamburg gar keine Plätze braucht. Joachim Speicher,
der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, ist diesbezüglich
optimistisch. „Wenn sich alle verantwortlich fühlen, wird es für jeden
Jugendlichen eine Lösung geben.“ Der Hamburger Kriminologe und Heimkritiker
Michael Lindenberg hält das Ja der Grünen für einen fundamentalen Fehler.
Wenn man am Ende doch ein geschlossenes Heim vorhält, sei dies „nur eine
Stufe mehr im System.“
9 Apr 2015
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Haasenburg/!t13838/
## AUTOREN
Kaija Kutter
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Olaf Scholz
Grüne
Hamburg
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Straßenkinder
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Flüchtlinge
Katharina Fegebank
Rot-Grün
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