# taz.de -- Debatte Hillary Clinton: Die Familienversteherin | |
> Bislang war Familienpolitik Sache der Republikaner. Mit Hillary Clinton | |
> wird die andere Familie zum Zukunftsthema der Demokraten. | |
Bild: Hillary Clinton präsentiert sich volksnah und familienfreundlich. | |
Hillary Clintons Ankündigung, dass sie für die Präsidentschaft kandidieren | |
werde, dürfte der Moment gewesen sein, in dem die Demokraten offiziell zur | |
Partei der Familie wurden. In den späten 1970ern, 80ern und 90ern geißelten | |
die Konservativen in den Vereinigten Staaten die Demokraten noch | |
erfolgreich als die Feinde von ganz normalen Eltern und ihren Kindern. | |
Die versuchten sich zu verteidigen und argumentierten, dass ökonomische | |
Gerechtigkeit und ein stärkeres soziales Sicherheitsnetz die Familien | |
schützen würden, nicht Abtreibungsverbote und Anti-Homosexuellen-Demagogie. | |
Doch so recht sie hatten, sie drangen damit nicht durch. | |
Zu viele Amerikaner machten den Feminismus und die sexuelle Revolution – | |
und irgendwie auch die Linke – für die sozialen und wirtschaftlichen | |
Turbulenzen verantwortlich, unter denen sie litten. Ozzies und Harriets | |
Amerika war eine ahistorische Fantasie, doch viele Menschen sehnten sich | |
nach dieser „Normalität“, und der Rechten gelang es damals, diese Sehnsucht | |
zu besetzen. | |
Tatsächlich zählen die Entlassung der Gesundheitsministerin Jocelyn Elder | |
im Dezember 1994 wegen ihrer Äußerungen zur Masturbation, die | |
Unterzeichnung des Ehegesetzes, das nur heterosexuellen Paaren diesen | |
Status gewährt, sowie die Streichung der Hilfe für Familien mit | |
Minderjährigen, zu den dunklen Momenten in der Ära Bill Clinton. Der | |
Präsident wollte sich damit den Familienwerten der Republikaner anpassen. | |
## Ein Sieg des Feminismus | |
Nun aber beweist das [1][überraschend bewegende Video Hillary Clintons], | |
dass die Demokraten eine authentische Version einer familienorientierten | |
Politik gefunden haben. Unter dem Titel „Getting Started“, werden normale | |
Familien gezeigt, die drauf und dran sind, den nächsten großen Schritt zu | |
wagen: Eine Mutter zieht um, damit ihre Tochter einen besseren Kindergarten | |
besuchen kann, ein Pärchen bereitet sich auf die baldige Geburt ihres | |
Kindes vor, eine Hausfrau ist kurz davor, in die Berufswelt zurückzukehren, | |
und zwei verlobte Männern freuen sich auf ihre baldige Heirat. „Normale | |
Amerikaner brauchen einen Champion, und ich möchte dieser Champion sein“, | |
sagt die Kandidatin Clinton. | |
Schon diese Ankündigung legt nahe, dass sich der Wahlkampf dieses Mal | |
deutlich von dem des Jahres 2008 unterscheiden wird. Er wird die Gender- | |
und die vermeintlichen „Frauen“-Fragen stark machen, anstatt vor ihnen | |
wegzulaufen. Was immer man von Hillary Clinton halten mag: Es ist ein Sieg | |
des Feminismus – oder zumindest einer bestimmten Variante davon –, dass | |
„weiche“ Themen wie Elternzeit und Fürsorge für Kinder erstmals im Zentrum | |
eines Präsidentschaftswahlkampfs in den Vereinigten Staaten stehen. | |
Dass Hillary Clinton nun als Fahnenträgerin für einen familienorientierten | |
Fortschritt auftritt, hat natürlich eine gewisse Komik, und doch zeigt sich | |
hier auch eine Kontinuität. Immerhin wurde Clinton in den 90er Jahren | |
erfolgreich als kekshassende Feindin von Heim und Herd dämonisiert. | |
„Wenn Bill und Hillary Clinton von Familienwerten sprechen, sprechen sie | |
weder über die Familie noch über Werte“, sagte Pat Robertson 1992 beim | |
National Konvent der Republikaner. „Sie sprechen von einem radikalen Plan | |
zur Zerstörung der traditionellen Familie.“ | |
## Feministin mit Sorge für Mütter und Kinder | |
Just auf diesem Konvent feierten die Republikaner auch die Frau des | |
Vizepräsidenten, Marilyn Quayle, weil sie das repräsentierte, was die New | |
York Times einmal als „Un-Hillary“ bezeichnet hat: Eine Frau, die ihre | |
Karriere als Juristin aufgab, um ganz ihrer Familie dienen zu können. | |
„Marilyn Quayle hat immer Zeit für ihre Kinder“, hieß es in der Zeitung, | |
„und ist jeden Abend zum Abendessen um 7 Uhr zu Hause.“ | |
Tatsächlich aber war Hillary Clinton nie eine radikale Feministin, die die | |
Familie ablehnte oder gar verachtete. So chamäleonhaft ihre öffentliche | |
Person ist, die Sorge für Mütter und Kinder zieht sich wie ein roter Faden | |
durch ihre Karriere. Angefangen bei ihrer einstigen Tätigkeit für den | |
Children’s Defense Fund über ihr Buch „It Takes a Village“ bis hin zu ih… | |
Arbeit zur Müttersterblichkeit im State Department. Anders als es die | |
Karikatur behauptet, die die Rechten von ihr immer wieder zeichnen, hatte | |
der Feminismus Hillary Clintons immer eine starke Bindung an Mutterschaft. | |
## Rasante öffentliche Akzeptanz der Homo-Ehe | |
Und eine solche wird nun auch ihre Präsidentschaftskampagne prägen. Das ist | |
zunächst ein klares Zeichen dafür, dass sie ein neues und anderes | |
Wahlkampfteam hat. Der verhasste Mark Penn, der ihr 2008 einredete, dass | |
Wählerinnen und Wähler den Präsident als Vaterfigur betrachten und „keine | |
’First Mutter‘ wollen, schon gar nicht in dieser Welt“, ist zum Glück we… | |
Wichtiger aber noch: Die neue Clinton-Kampagne zeigt, dass auch das Land | |
sich verändert hat. Die rasante öffentliche Akzeptanz der Homo-Ehe hat die | |
einstige Waffe der Republikaner zu einem Thema der Demokratie gemacht, die | |
nun die Republikaner als schlecht gelaunte Feinde von Liebespaaren dastehen | |
lässt, die ja nichts anderes wollen als den Zugang zur bürgerlichsten aller | |
Institutionen. | |
Der generelle Verbreitung der weiblichen Familienernährerinnen unter den | |
Erwerbstätigen hat zudem das traditionelle Familienkonzept ausgehöhlt. | |
Familie heißt nicht länger, dass der Vater arbeitet und die Mutter zu Hause | |
bleibt. Das ist vorbei. | |
Familie ist nicht mehr das Synonym für rückwärtsgewandte soziale | |
Arrangements. Gleichzeitig ist es heute offensichtlicher denn je, dass | |
nicht die Konservativen, sondern die Demokraten beziehungsweise die | |
Liberalen unter ihnen dafür kämpfen, dass Frauen (und Männer) Zeit für ihre | |
Kinder haben und zu einer vernünftigen Zeit zum Abendessen nach Hause | |
kommen können. | |
Dass Hillary Clinton sich diesen Kampf nun auf ihre Fahnen schreibt, gibt | |
Mut. Denn es ist schon lange ihr Thema. | |
Aus dem Englischen von Ines Kappert | |
19 Apr 2015 | |
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## AUTOREN | |
Michelle Goldberg | |
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