# taz.de -- Auf der Flucht in Nordafrika: Die Alternative zum Boot ist keine | |
> 60 Flüchtlinge harren an der Grenze zwischen Tunesien und Libyen aus. Sie | |
> wollen lieber einen offiziellen Asylantrag stellen. Das gestaltet sich | |
> schwierig. | |
Bild: Diese Flüchtlinge haben den Weg über das Mittelmeer gewählt, hier tref… | |
SHOUSHA taz | Den Namen des ehemaligen Flüchtlingslagers Shousha und eine | |
Bestätigung der UNO, das ist alles, was Usman Bagura an der Straßensperre | |
der tunesischen Polizei vorweisen kann. Das zerknitterte Papier stellt sich | |
bei genauerem Hinsehen als eine drei Jahre alte Verpflegungsliste heraus, | |
aber dem maskierten Beamten reicht der Stempel des UNHCR, des | |
UN-Flüchtlingshilfswerkes, das Shousha schon lange geschlossen hat. | |
Der 33-jährige Bagura harrt zusammen mit rund 60 anderen Flüchtlingen | |
trotzdem in dem Niemandsland an der libysch-tunesischen Grenze aus. Während | |
des Aufstandes gegen Muammar al-Gaddafi wurden mehr als 50.000 Menschen aus | |
Tripolis hierher in Sicherheit gebracht. Die asiatischen Arbeitskräfte | |
wurden von ihren Regierungen bereits nach wenigen Wochen in die Heimat | |
zurückgeflogen. | |
Afrikanische Regierungen überließen ihre Staatsbürger jedoch meist ihrem | |
Schicksal, hatten sich doch viele wegen politischer Probleme oder Kriegen | |
um einen Job in Libyen bemüht. So entschieden sich die meisten für Europa. | |
Über den tunesischen Hafen in Sfax und nach Kriegsende über das 100 | |
Kilometer entfernte libysche Suwara wagten sich Tausende über das Meer. | |
Usman Bagura und sein Freund Margai Keller entschieden sich gegen das | |
Himmelfahrtskommando und für einen offiziellen Asylantrag. In ihre | |
Heimatländer Liberia und Ghana können sie aufgrund des Krieges nicht | |
zurück. „Das einzige was ich noch habe, ist mein Leben“, sagte Bagura. | |
„Warum sollte ich es in die Hände von profitgierigen Menschenschmugglern | |
legen?“ Es sei ihnen egal, welches Drittland sie aufnehmen würde. Nachdem | |
sie durch zwei Kriege vertrieben wurden, hätten sie doch wohl das Recht auf | |
einen offiziellen Status. | |
In Tunesien gibt es jedoch keine Asylgesetzgebung. Das auf eine | |
Stammbesatzung geschrumpfte UNHCR-Büro in Zarzis hat den ohne Strom und | |
Wasser lebenden Männern 2012 einen Ablehnungsbescheid übergeben. Man sei | |
jetzt nicht mehr zuständig, hieß es darin lapidar. | |
## Sie leben von Spenden | |
„Ich hatte in Libyen offiziell Arbeit und wurde im Februar 2011 von der UNO | |
mit dem Bus aus Tripolis evakuiert“, sagt Keller. „Statt die afrikanischen | |
Regierungen zu zwingen, uns mit neuen Pässen auszustatten, war man froh, | |
dass die Probleme mit den Booten nach Europa verschwanden.“ Bis auf 60 | |
Starrköpfe. Seit vier Jahren sitzen sie staaten- und schutzlos in Shousha, | |
weil sie die Fahrt über das Mittelmeer nicht antreten wollen. | |
Anais Elbassil vom Maison de Migration, einer französisch-tunesischen | |
Nichtregierungsorganisation, kann den beiden bei ihrem Besuch in Tunis | |
keine Hoffnungen machen. Es würden sicher noch fünf Jahre vergehen, bevor | |
das tunesische Parlament ein ordentliches Asylrecht verabschieden wird, | |
sagt sie. | |
Bagoura und Keller können nur warten. Sie teilen das Schicksal von | |
Zehntausenden in Tunesien, die von Schlepperbanden Westafrikas als | |
Studenten oder Haushaltshilfen angeworben wurden. Wer nach drei Monaten | |
nicht die fälligen Anmelde- oder Studiengebühren zahlen kann, häuft saftige | |
Strafgebühren an. „Vor der Ausreise muss man zahlen, was den meisten wegen | |
der geringen Löhne in Tunesien unmöglich ist“, sagt Elbassil. | |
An der Straße zum Grenzort Ben Guardene, wo viele vom informellen | |
Warenaustausch mit Libyen leben, stehen die Gestrandeten täglich an der | |
Straße. Sie leben von Spenden, die ihnen libysche Familien zustecken. „Die | |
EU überlegt, Asylverfahren künftig in Tunesien abzuwickeln?“ Bagura runzelt | |
die Stirn. „Wie denn, Tausende kommen jeden Monat nach Libyen und Tunesien. | |
Wir in Shousha sind 60 und haben es in vier Jahren nicht geschafft, | |
jemanden zu finden, der unser Asylgesuch überhaupt annimmt.“ | |
27 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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