# taz.de -- Misshandlung von Flüchtlingen in Ungarn: Käfigknast und Arbeitszw… | |
> Per Referendum will Premier Orbán rechtswidrige Maßnahmen gegen | |
> Asylsuchende absegnen lassen. Die Zahl der Flüchtlinge soll eingedämmt | |
> werden. | |
Bild: Europäische Werte: Ungarns Premier hat Flüchtlinge unter Verdacht. | |
WIEN taz | Anfang Mai soll allen wahlberechtigten UngarInnen ein Fragebogen | |
mit zwölf Punkten zugestellt werden, der dann bis 1. Juli ausgefüllt zu | |
retournieren ist. Unter anderem soll das Volk befragt werden, ob | |
Flüchtlinge – entgegen der EU-Regeln – länger als 24 Stunden festgehalten | |
werden sollen. Derzeit ist es gängige Praxis, Asylsuchende zu inhaftieren | |
und mehrere Tage schmoren zu lassen. | |
Jene, die nachweislich die europäischen Schutzmechanismen missbrauchen, | |
sollen sofort abgeschoben werden. Die anderen sollen die Kosten für ihre | |
Unterbringung abarbeiten. Beides widerspricht der Europäischen | |
Menschenrechtskonvention. In den meisten Ländern dürfen Asylsuchende | |
anfangs gar nicht arbeiten. | |
Ungarn hat derzeit unbestreitbar ein Flüchtlingsproblem. War das Binnenland | |
bis vor wenigen Jahren kaum von Asylsuchenden angesteuert worden, so haben | |
die Kriege in Nahost und die Krise auf dem Balkan einen Exodus ausgelöst, | |
der auch um Ungarn keinen Bogen mehr macht. Wurden im Jahr 2012 gerade | |
2.157 Flüchtlinge registriert, so explodierte die Zahl 2013 auf fast | |
19.000. Im vergangenen Jahr waren es über 42.000. Die Hälfte davon kam aus | |
dem Kosovo, das in der Europäischen Union als sicheres Drittland gilt. | |
Flüchtlinge von dort haben so gut wie keine Chance, als politische | |
Flüchtlinge anerkannt zu werden. | |
Auch im ersten Quartal dieses Jahres hält der Zustrom von Kosovaren an. | |
„Von den bis Ende März illegal eingereisten 30.000 Personen kamen etwa | |
25.500 aus dem Land“, heißt es in einem Regierungsbericht. Allerdings | |
zeigen die wenigsten große Lust, in Ungarn zu verbleiben. „Etwa 90 Prozent | |
der Asylbewerber haben die Entscheidung im Asylverfahren nicht erwartet, | |
sondern haben das Land in einigen Tagen (in Richtung Westeuropa) | |
verlassen“, so die Regierung. | |
## Zwei Tage ohne Toilette eingesperrt | |
Die Ursachen dafür dürften nicht nur in der geringen Absorptionsfähigkeit | |
des ungarischen Arbeitsmarktes zu suchen sein. Ungarns Regierung unternimmt | |
auch alles, um Flüchtlinge abzuschrecken. Viktor Orbán selbst hat die | |
„illegale Einwanderung“ wiederholt als „Quelle des Terrorismus“ bezeich… | |
Flüchtlinge sind für ihn in der Regel „organisierte Kriminelle“. | |
Dementsprechend geht man mit ihnen um. | |
„Wir durften nicht auf die Toilette gehen und bekamen in dieser Zeit weder | |
etwas zu Essen noch zu Trinken“, schilderte der Syrer Ibrahim gegenüber den | |
österreichischen Asylbehörden seine zwei Tage im ungarischen Auffanglager. | |
20 Personen seien in „einem Käfig von drei mal drei Metern gefangen | |
gehalten worden“. Für den zuständigen Amtsdirektor in Wien handle es sich | |
dabei „um Fehlverhalten von Einzelpersonen, das dem Staat nicht zuzurechnen | |
ist“. | |
Anders sehen das offenbar deutsche Gerichte, die bereits wiederholt | |
Rückschiebungen nach Ungarn untersagten, weil das Land nicht mehr als | |
„sicheres Drittland“ gemäß den EU-Dublin-Verträgen einzustufen sei. Die … | |
Kammer des Berliner Verwaltungsgerichtes erkannte am 15. Januar 2015, dass | |
in Ungarn „tatsächliche Anhaltspunkte für eine willkürliche und | |
unverhältnismäßige Anwendungspraxis bezüglich der Inhaftierung von | |
Asylsuchenden“ bestünden. Dem syrischen Antragsteller drohe dort eine | |
„systematische Verletzung seines Rechts auf Freiheit“. | |
28 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Viktor Orbán | |
Ungarn | |
Kosovo | |
Flüchtlinge | |
Asylpolitik | |
Flüchtlinge | |
Todesstrafe | |
Europäische Kommission | |
Österreich | |
Fidesz-Partei | |
Wladimir Putin | |
Asylrecht | |
sichere Herkunftsländer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Flüchtlinge auf dem Westbalkan: Von Behörden misshandelt | |
In Mazedonien, Serbien und Ungarn werden Flüchtlinge Opfer behördlicher | |
Willkür, sagt Amnesty International. Merkel müsse das auf ihrer Balkanreise | |
thematisieren. | |
EU nimmt sich Ungarn vor: Todesstrafe ist „niemals eine Lösung“ | |
Der ungarische Regierungschef Orban will über die Wiedereinführung der | |
Todesstrafe diskutieren. In der EU trifft er auf vehementen Widerspruch. | |
EU-Kommission für Aufnahmequoten: Juncker will die Türen öffnen | |
EU-Kommissionspräsident Juncker will Flüchtlinge auf ganz Europa verteilen | |
und kritisiert die Mitgliedsstaaten. In zwei Wochen will die Behörde | |
Vorschläge machen. | |
Flucht aus dem Kosovo: Der Exodus ist abgeebbt | |
Die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge aus dem Kosovo ist | |
zurückgegangen. De Maizière droht trotzdem weiter mit schnellen | |
Abschiebungen. | |
Kommentar Nachwahl in Ungarn: Orbán kommt ins Stolpern | |
Parteifreunde prassen mit ihren Pfründen – die Popularität der Regierung | |
schwindet. Die Wirkung der Wahlniederlage ist nicht zu unterschätzen. | |
Präsident Putin besucht Ungarn: Orbáns Kuschelkurs | |
Es ist der erste Besuch des Russen in einem EU- und Nato-Land seit der | |
Ukraine-Krise. In Budapest hofiert Viktor Orbán Wladimir Putin. | |
Illegale Pushbacks von Flüchtlingen: Die Ukraine, Asylvorhof Europas | |
Die EU soll Asylsuchende ohne Anhörung in die Ukraine zurückschieben. Dort | |
warten von Europa finanzierte Haftplätze und untragbare Zustände. | |
Diskussion um sichere Herkunftsländer: Strategien zur Abschreckung | |
Die Zahl der Asylanträge von Kosovaren steigt sprunghaft an. Quer durch die | |
Parteien fordern Politiker daher, Kosovo als sicheres Land einzustufen. |