# taz.de -- Flucht aus dem Kosovo: Der Exodus ist abgeebbt | |
> Die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge aus dem Kosovo ist | |
> zurückgegangen. De Maizière droht trotzdem weiter mit schnellen | |
> Abschiebungen. | |
Bild: An der Grenze: Kosovarische Flüchtlinge werden von serbischen Beamten au… | |
SARAJEVO taz | Vor einem Monat machten sich noch ganze Familien aus dem | |
Kosovo auf den Weg nach Österreich und Deutschland. Mit von Schleppern | |
organisierten Bussen erreichten Anfang Februar jeden Tag mehr als tausend | |
Menschen die serbisch-ungarische Grenze, überquerten sie zu Fuß und | |
versuchten, über Ungarn nach Österreich oder Deutschland weiterzureisen. | |
Allein am 10. Februar sollen 1.500 Kosovaren nach Deutschland eingereist | |
sein, damit war die Spitze dieser Fluchtbewegung erreicht. | |
Denn dieser Exodus scheint jetzt wieder abgeebbt zu sein. Inzwischen kämen | |
täglich nur noch 175 Menschen aus dem Kosovo nach Deutschland, sagte | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch nach einem Treffen | |
mit seinem kosovarischen Amtskollegen Skender Hyseni in Berlin. „Das ist | |
immer noch zu viel, aber es ist ein gewaltiger Rückgang.“ Nun müsse daran | |
gearbeitet werden, dass es dabei bleibe. | |
Zum Rückgang beigetragen hat eine mit der dortigen Regierung abgestimmte | |
Informationskampagne der Bundesregierung im Kosovo. In allen Medien des | |
Landes wurde eindringlich vor den Folgen einer überstürzten Flucht gewarnt. | |
Die von Schlepperorganisationen systematisch verbreiteten Gerüchte, | |
Flüchtende aus dem Kosovo würden in Deutschland problemlos Asyl, eine | |
Wohnung und Arbeit erhalten, seien haltlos. | |
Im Fernsehen berichteten Menschen von den Gefahren einer Flucht und dem | |
Hunger unterwegs. Manche hatten ihre Wohnstätten und Land verkauft, um die | |
Schlepperorganisationen bezahlen zu können. Dass sich sogar Angestellte der | |
Stadtverwaltung Prishtinas, die ein relativ hohes Gehalt bekommen, mit | |
Kleinkindern nach Deutschland aufgemacht und damit eine sichere Existenz | |
aufs Spiel gesetzt hatten, löste im Kosovo heftige Diskussionen aus. | |
Asylbewerber aus dem Kosovo, so die Botschaft der deutschen, | |
österreichischen und kosovarischen Behörden, hätten keine Chance auf | |
Anerkennung und würden nach erfolgtem Verfahren umgehend wieder | |
zurückgeschickt. Zwar mögen die paar hundert Euro, die es während des | |
Asylverfahrens pro Monat gibt, für die Ärmsten der Armen im Kosovo | |
verlockend erscheinen. Doch in den kosovarischen Medien und von offizieller | |
Seite wurde auch klargestellt, dass damit kein Start in ein neues Leben | |
möglich ist. | |
## 25.000 Kosovaren eingereist | |
De Maizière betonte am Mittwoch erneut, die Asylbewerber würden so schnell | |
wie möglich ins Kosovo zurückgeschickt. Ob diese Maßnahmen und die | |
verstärkten Grenzkontrollen allein aber genügen, um das Problem der | |
Armutsauswanderung aus dem Kosovo zu lösen, wird im Innenministerium selbst | |
bezweifelt. Im Januar stellten 3.630 Kosovaren einen Asylantrag in | |
Deutschland, im Februar waren es laut Innenressort sogar mehr als 7.000. | |
Seit Jahresbeginn sind aber über 25.000 Menschen aus dem Kosovo nach | |
Deutschland eingereist – weit mehr, als Asyl beantragt haben. Viele docken | |
sich lieber an Verwandte an, die seit Generationen legal in Deutschland | |
leben, oder tauchen erst einmal illegal unter. | |
Kosovos Innenminister Hyseni führte die hohe Arbeitslosigkeit als | |
hauptsächlichen Fluchtgrund an, gestand aber offen ein, dass auch die weit | |
verbreitete Korruption eine Rolle spiele. Um eine weitere Massenflucht zu | |
vermeiden, forderte Hyseni Visa-Erleichterungen für die Bürger seines | |
Landes. | |
In der Tat ist Kosovo das einzige Land der Region, für das immer noch eine | |
Visumspflicht gilt – und das, obwohl es mit der Rechtsstaatsmission Eulex | |
und den Eufor-Truppen das von der EU am meisten kontrollierte Land in | |
Europa ist. Das Gefühl, im Kosovo regelrecht „eingesperrt“ zu sein, habe | |
wesentlich zur Ausreisehysterie beigetragen, sagen kosovarische | |
Intellektuelle wie der Theaterregisseur Jeton Neziraj. | |
5 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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