# taz.de -- Kommentar Flüchtlingsquote: Quote oder Tote | |
> Wenn die EU sich noch als Gemeinschaft versteht, braucht sie die Quote in | |
> der Asylpolitik. Die Mittelmeeranrainer sind schon jetzt heillos | |
> überfordert. | |
Bild: Vor Lampedusa trifft die private Flüchtlingshilfe MOAS auf ein Boot mit … | |
So kompliziert die europäische Flüchtlingspolitik ist, eines steht immerhin | |
fest: Sie muss sich dringend ändern. Es geht nicht mehr, dass offiziell nur | |
die EU-Staaten für Asyl zuständig sind, in denen die Flüchtlinge zuerst | |
ankommen. Bei weiter steigenden Flüchtlingszahlen wird dieses System, das | |
einst federführend von Deutschland durchgesetzt wurde, erst recht nicht | |
mehr funktionieren. | |
Die EU-Kommission hat jetzt einen ersten kleinen, aber wichtigen Schritt | |
getan: das Eingeständnis des Scheiterns. Indem Brüssel eine freiwillige | |
Quote zur Verteilung in der EU in akuten Notfällen vorschlägt und diese als | |
„Pilotprojekt“ bezeichnet, signalisiert die EU immerhin Reformbereitschaft. | |
Aus der freiwilligen soll eines Tages eine echte, verbindliche Quote | |
werden. Genau deshalb haben britische und osteuropäische Politiker auch | |
sofort entsetzt protestiert: Bloß keine Quoten! | |
Aber anders wird es nicht gehen, jedenfalls wenn sich die EU noch als eine | |
Gemeinschaft versteht, die Rechte und Pflichten halbwegs gerecht verteilt – | |
auch in Sachen Asyl. Die ohnehin ärmeren Mittelmeeranrainer sind | |
überfordert. Sie registrieren die Menschen oft gar nicht mehr, verweigern | |
die Versorgung oder schicken sie weiter mit dem Rat, anderswo ihr Heil zu | |
suchen. | |
Was dann folgt, ist Willkür: Manche Länder, wie Deutschland und Schweden, | |
die offiziell gar nicht zuständig wären, nehmen zum Glück relativ viele | |
Flüchtlinge unter relativ guten Bedingungen auf. Deshalb versuchen auch | |
relativ viele Flüchtlinge, hierherzugelangen. Andere Länder behandeln | |
Flüchtlinge schlechter, weshalb dort auch die wenigsten hinwollen. | |
Nötig ist es, alle EU-Staaten zu verpflichten, menschenrechtliche Standards | |
einzuhalten und so viele Flüchtlinge aufzunehmen, wie es ihrer Größe und | |
Wirtschaftskraft entspricht. Das kann für Deutschland bedeuten, mehr | |
Flüchtlinge als jetzt aufzunehmen. Aber nur mit solchen Quoten wird die | |
Aufnahme von Flüchtlingen dauerhaft Akzeptanz finden. Klar, Quoten | |
einzuführen, wird sehr schwer – weil Länder Zugeständnisse machen müssten, | |
in denen rechte Parteien jetzt schon stark sind. Aber man muss es | |
versuchen. Wenn die Kanzlerin dabei auch nur halb so viel Führungswillen | |
bewiese wie bei der Sparpolitik, wäre schon viel gewonnen. | |
Alternativlos sind Quoten nicht. Die Alternative ist der kleinste | |
gemeinsame Nenner, der sich mit den Militäraktionen gegen Schlepper bereits | |
abzeichnet: Abschottung. | |
12 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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