# taz.de -- Schlechte Reklame: Pinkstinks gegen sexistische Werbung | |
> Aktivistinnen ziehen die rote Karte – und übergeben dem Deutschen | |
> Werberat eine Petition gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung. | |
Bild: Demo in Berlin am Wochenende. | |
BERLIN taz | Neulich hat Stevie Schmiedel vor ihrer 9-jährigen Tochter auf | |
den Knien gelegen und beinahe flehend gefragt: „Willst du wirklich keine | |
Barbie haben?“ Nein, soll die Tochter geantwortet haben: „Du musst jetzt | |
damit leben, Mama, dass alle denken, ich will keine Barbie – weil du mir | |
das eingeredet hast.“ | |
Ja, so kann es sein, wenn eine Frau sich nicht nur als „Gender-Mutter“ | |
bezeichnet, sondern auch noch öffentlich gegen sexistische Werbung kämpft | |
und damit jede Menge Aufmerksamkeit erregt. Seit einem Jahr zieht Stevie | |
Schmiedel mit ihrer Kampagne Pinkstinks durch die Lande und sorgt für jede | |
Menge Unruhe: Sie kritisierte das neue rosa Ü-Ei für Mädchen und sorgte | |
dafür, dass die Deutsche Bahn ein Plakat änderte. Aus „Papa ist der Beste, | |
Mama die Schönste“ wurde „Papa ist der Beste, Mama die Beste“. | |
Jetzt legt sich die Hamburger Gender-Forscherin mit dem Werberat an. Am | |
Montag hat sie dem Deutschen Werberat eine Petition gegen Sexismus in der | |
Werbung übergeben. Rund 16.000 Frauen und Männer und zahlreiche | |
Organisationen wie der Deutsche Frauenrat, Terre des Femmes und der | |
Ingenieurinnenbund haben bislang unterschrieben. | |
Bis 2016, so die Idee von Pinkstinks, soll eine Gesetzesinitiative gegen | |
geschlechtsdiskriminierende Werbung in den Bundestag eingebracht werden. | |
Dafür will die Initiative bis zum nächsten Frühjahr Kriterien entwickeln, | |
die im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) klarer als bisher | |
festlegen, wann eine Werbung auf „die ständige sexuelle Verfügbarkeit von | |
Frauen“ abzielt. | |
## „Mit dem Zweiten sieht man besser“ als Affront | |
Das findet Julia Busse erst mal gut. Sie ist die Geschäftsführerin des | |
Werberates und auch gegen frauenabwertende Werbung. Aber, schränkt sie ein, | |
nicht alles, was eine Minderheit kritisiert, könne Maßstab dafür sein, eine | |
Werbung zu verbieten oder ändern zu lassen. | |
Ein Beispiel: Das ZDF wirbt seit einigen Jahren mit seinen Moderatoren, die | |
sich ein Auge zuhalten. Darunter steht der Satz: „Mit dem Zweiten sieht man | |
besser.“ Wer stößt sich daran? Sehbehinderte beispielsweise. Sie fühlen | |
sich diskriminiert und haben seinerzeit Beschwerde beim Werberat | |
eingereicht. | |
Nun ist der Minderheitenschutz im Grundgesetz verankert. Aber nicht jede | |
Kritik aus Minderheitensicht sei sinnvoll, sagt Juristin Julia Busse. Sie | |
nennt dieses Abwägen „Balancegebot“. | |
Im vergangenen Jahr gingen beim Werberat so viele Sexismusbeschwerden ein | |
wie nie zuvor. 112 Unternehmen hätten mit ihren Anzeigen Frauen beleidigt | |
und diskriminiert, sagt die Statistik. Das waren über ein Drittel aller | |
eingereichten Mängelrügen. | |
## Normatives Schönheitsideal | |
Stevie Schmiedel stört vor allem, dass Kindern – an Häuserwänden, an | |
Litfaßsäulen auf der Straße und in TV-Spots – suggeriert werde, wie eine | |
Frau zu sein habe: schön, schlank, schutzbedürftig. Die Folge: „Jedes | |
zweite Mädchen heute fühlt sich zu dick“, sagt Schmiedel. Falsch, | |
widerspricht Julia Busse, das sei eine „künstlich hergestellte Kausalität: | |
„Werbung ist auch nicht schuld daran, wenn jemand zu schnell Auto fährt.“ | |
Wie aber sieht eine Werbung aus, die sexy und nicht sexistisch ist? | |
Pauschal könne man das nicht sagen, da sind sich Schmiedel und Busse | |
immerhin einig. Wie groß die Spannbreite zwischen Geschmack, Mode und | |
gefühlter Diskriminierung ist, zeigt ein anderes Beispiel. | |
Für Schmiedel ist die Werbung eines Reiseanbieters, die ein Mädchen in | |
Seeräuberattitüde zeigt, „positiv konnotiert“. Vorsicht, warnt sogleich | |
Werberats-Frau Busse: „Es könnten sich Leute beschweren, die in den nackten | |
Kinderarmen ein Ziel für Pädokriminelle sehen.“ | |
2 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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