| # taz.de -- Pinkifizierung stinkt: Die Feindin der Farbe Rosa | |
| > Stevie Schmiedel kämpft gegen limitierende Rollenbilder in Werbung und | |
| > Industrie. Aber aus der eigenen Szene schlägt ihr sehr viel Kritik | |
| > entgegen. | |
| Bild: "Wir können innerhalb von einer halben Stunde ein Produkt wegshitstormen… | |
| HAMBURG taz | Der Name ist problematisch: „[1][Pinkstinks]“. Das ruft bei | |
| vielen falsche Assoziation hervor. Deshalb beginnt Stevie Schmiedel, die | |
| Gründerin von „Pinkstinks“ Deutschland, jeden Vortrag mit einer | |
| Richtigstellung: Pink stinkt nicht. Pinkifizierung stinkt. | |
| „Wenn Spielsachen, die es früher in einer Farbe für alle gab, auf einmal in | |
| einer Version für Mädchen in Pink aufgelegt werden, nennt man das | |
| Pinkifizierung“, erklärt Schmiedel. Problematisch daran ist das | |
| limitierende Rollenbild, das die Industrie den Mädchen mit ihren pinken | |
| Produkten aufdrängt: „Mädchen werden abgewertet – über eine Farbe“, sa… | |
| Schmiedel. Dagegen engagiert sich ihr Verein. | |
| Aktuell stinkt Schmiedel besonders, dass in Hamburg wieder | |
| Heidi-Klum-Plakate an Bushaltestellen hängen. Diese Werbung suggeriere den | |
| Mädchen, dass sie lieber Topmodels werden sollten als Kanzlerin. „Dann | |
| stehen sie da und gucken besorgt an sich herunter, während ihre Freunde die | |
| Models an der Werbewand anschmachten“, sagt sie. Dieser Ärger brachte sie | |
| 2012 dazu, den Verein zu gründen. | |
| Die gebürtige Britin war damals 40, hatte in London Kulturwissenschaften | |
| studiert und anschließend in Nottingham in Gender Studies promoviert. In | |
| Hamburg hatte sie verschiedene Lehraufträge. Im Sommersemester 2012 gab sie | |
| ein Seminar an der Hochschule für Soziale Arbeit, in dem es um den | |
| Zusammenhang von Essstörungen und Körperbildern in der Populärkultur ging. | |
| „Wir beschäftigten uns unter anderem mit einer Studie, die ganz klar | |
| belegte, dass ’Germany’s next Topmodel‘ Mädchen total unter Druck setzt … | |
| nachhaltig ihr Körperbild schädigt“, sagt sie. „Gleichzeitig war die ganze | |
| Stadt mit Werbung für die neue Staffel zutapeziert, da habe ich mich | |
| gefragt, ob es denn niemanden gibt, der die Verantwortung dafür übernimmt.“ | |
| ## Die Gesetze der Werbung | |
| Schmiedel begann, sich mit den Gesetzen der Werbeindustrie zu beschäftigen. | |
| Wer reguliert die Inhalte und bestimmt, an wen welche Flächen für was | |
| vermietet werden? Hamburg hat diese Entscheidungen 2009 an die beiden | |
| Firmen JCDecaux und Ströer abgegeben. Bis mindestens 2022 kann die Stadt | |
| keinen Einfluss auf Inhalte nehmen. | |
| „Das hat mich so geärgert, dass ich einen Leserbrief an die Wochenzeitung | |
| Die Zeit geschrieben habe“, sagt sie. Die Zeitung interviewte Schmiedel und | |
| schließlich gründete sie „Pinkstinks Germany“. Mittlerweile hat der Verein | |
| einen Förderpreis der Bewegungsstiftung bekommen und seinen Newsletter | |
| haben rund 12.000 Menschen abonniert. „Die Industrie kann uns nicht mehr | |
| ignorieren“, sagt Schmiedel. „Wir können innerhalb von einer halben Stunde | |
| ein Produkt wegshitstormen.“ | |
| ## 60 Stunden pro Woche, ehrenamtlich | |
| Das hatte sich die heute 42-Jährige noch vor drei Jahren nicht vorstellen | |
| können. Auch nicht, mal mehr als 60 Stunden in der Woche ehrenamtlich für | |
| „Pinkstinks“ zu arbeiten und nebenbei Vorträge zu halten, die ihr den | |
| Unterhalt sichern. In den vergangenen zwei Jahren hat sie sich noch | |
| zusätzlich über den Verkauf ihres Buches finanziert: „Pink für alle“ hei… | |
| es. | |
| Seit vergangenem November arbeitet Schmiedel nicht mehr so viel. Ein Piepen | |
| im Ohr hält sie davon ab: Tinnitus, ein eindeutiges Stress-Syndrom und | |
| Zeichen von Überarbeitung. Seitdem versucht sie, ihre Arbeitszeit radikal | |
| auf 30 Stunden pro Woche zu beschränken – inklusive der Vorträge. Meistens | |
| klappt das nicht. Aber auch damit hat sie sich arrangiert. „Viele Leute | |
| haben einen Tinnitus“, sagt sie. | |
| Was Stevie Schmiedel weh tut, ist die Kritik, die ihr aus der eigenen Szene | |
| entgegenschlägt. An die Art, wie in Deutschland Diskurse geführt werden, | |
| habe sie sich erst gewöhnen müssen. In England beispielsweise sei es | |
| üblich, erst etwas Nettes zu sagen, bevor man jemanden auseinandernehme. | |
| „Pink stinkt nicht, ihr Lauchs“, lautet dagegen der Titel eines | |
| feministischen Blog-Eintrags, in dem die Autorin Sassy Heng eine Aversion | |
| gegen „Pinkstinks“ zum Ausdruck bringt, die so umfassend ist, dass sie | |
| „Pinkstink“-Fans „bis ins Unermessliche“ verurteilt. Der Verein richte … | |
| an eine intellektuelle, weiße Mittelschicht, kritisiert die Autorin. | |
| Anstatt normschöne Körperideale und Heteronormativität zu dekonstruieren, | |
| trage er vielmehr zu deren Reproduktion bei. Eine Abwertung der Farbe Pink | |
| werte zugleich alles ab, was damit assoziiert wird: Weiblichkeit, | |
| Homosexualität, Kindlichkeit, Sexualität. | |
| ## Verachtung aus tiefem Herzen | |
| Eine andere Autorin beschreibt auf ihrem Blog, wie sie beim Lesen der | |
| „Pinkstinks“-Homepage den Löffel aus ihrer Kaffeetasse nehmen und ihn sich | |
| ins Herz rammen möchte. Dass bei „Pinkstinks“ Cis-Männer arbeiten, also | |
| Männer, deren biologisches Geschlecht in einem ungebrochenen Verhältnis zu | |
| ihrem sozialen Geschlecht steht, ist für die Kritikerin ein Grund, | |
| „Pinkstinks“ aus tiefem Herzen zu verachten. | |
| Mittlerweile hat Schmiedel gelernt, sich abzugrenzen. „Man kann es nicht | |
| allen recht machen“, sagt sie. Dass zwei von drei Menschen, die gegen Geld | |
| für „Pinkstinks“ arbeiten, Cis-Männer sind, findet sie unproblematisch. F… | |
| den Feminismus sei es wichtig, Männer mit ins Boot zu holen. Man solle | |
| ruhig sichtbar machen, dass es männliche Feministen gibt. Die Art, in der | |
| Kritik an ihrer Organisation geübt wird, tue ihr trotzdem weh. „Es verletzt | |
| mich, wenn Menschen ’Pinkstinks‘ kritisieren, weil sie finden, der Name | |
| reproduziere Homophobie oder werte Weiblichkeit ab“, sagt sie. „Aber so | |
| einen Namen kann man auch nicht über Nacht ändern.“ | |
| Oft wird Schmiedel gefragt, ob ihre beiden Töchter mit Barbies spielen | |
| dürfen. Sie sagt dann immer, dass sie nicht die Gender-Vorzeigemutti sei. | |
| Manchmal gucken sie und ihre Töchter eine Serie zusammen, die | |
| Mädchen-Klischees reproduziert. „H20 – Plötzlich Meerjungfrau“ heißt d… | |
| Aber manchmal seien ihre Töchter auch feministischer als sie selbst. Es | |
| gehe eben nicht um individuelle Biografien, sondern um die Industrie und | |
| ihr Gender-Marketing. Und darüber könne man auch mit kleinen Kindern gut | |
| reden. Und das tut sie mit ihren beiden Töchtern. | |
| Den ganzen Frauentags-Schwerpunkt lesen Sie in der Norddeutschland-Ausgabe | |
| der gedruckten taz.am Wochenende oder [2][hier]. | |
| 6 Mar 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.pinkstinks.co.uk/ | |
| [2] /ePaper/!p4350/ | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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