# taz.de -- Work-Life-Balance: Arbeit als Lebensinhalt ist out | |
> Artikel über die Arbeitsunwilligkeit der Gen Z sind unverschämt. Denn | |
> keinen Bock darauf, sich kaputt zu rackern, darf kein Privileg der Jugend | |
> sein. | |
Bild: Leben in einer Industrie- und Massengesellschaft ist out: Charlie Chaplin… | |
Das Thema ist immer noch nicht durch! Ich stoße weiter dauernd auf Artikel, | |
in denen diskutiert wird, ob die [1][Generation Z arbeitsunwillig] ist. | |
Oder faul. Oder einfach zu hohe Ansprüche an Berufsleben und Arbeitswelt | |
hat. | |
Ich finde das unverschämt. Nicht, dass der Gen Z Fleiß und Arbeitswille in | |
Abrede gestellt werden. Sondern, dass die Artikel meist nur von ihr | |
handeln: Keinen Bock haben sich kaputt zu rackern, das darf kein Privileg | |
der Jugend sein. Sorry Leute, ihr macht mich und meine abgegessenen | |
Mitmillennials unsichtbar. | |
Gegen Ende meiner Schulzeit wurden wir von allen Seiten vollgequatscht, | |
dass wir uns auf große Flexibilität am Arbeitsmarkt einstellen sollen. Jobs | |
würden einfach nicht mehr so sicher sein. „Ihr werdet nicht wie eure Eltern | |
nach dem Abschluss in einem Betrieb einsteigen und dort bis zur Rente | |
bleiben“, hieß es. | |
Das galt als gute Nachricht: Ihr könnt machen, was ihr wollt! Wählt euren | |
Beruf nicht nach einem Gefühl von Sicherheit, die es ohnehin nicht mehr | |
geben wird, sondern nach Interesse und Leidenschaft. Denn nichts ist sicher | |
und das ist eure Chance. Schnuppert in viele Berufe rein und investiert in | |
eure Ausbildung. | |
Kurz darauf befanden wir uns in peinlichen Ausbeutungsverhältnissen und | |
erhielten das Loser-Label „Generation Praktikum“. Der Gedanke „Ich verbin… | |
die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, um ein Dach über dem Kopf und Essen | |
im Bauch zu haben, mit Leidenschaft und Lebenssinn“ war mir schon immer | |
suspekt. Aber er wird einem so oft entgegengeschleudert, dass es wiederum | |
einiges an Arbeit kostet, ihn abzuschütteln. | |
## Mehrgenerationen-Phänomen | |
Gegenstimmen zum Arbeitskult können wir deshalb gut gebrauchen. Ich halte | |
es da mit Nadia Shehadeh: „Ein halbwegs öder Tag zu Hause ist immer noch | |
besser als ein interessanter Tag bei der Arbeit.“ | |
Und das, obwohl ich den besten Job habe, den ich haben kann. Was ich tue, | |
um Geld zu verdienen, entspricht meinen Interessen und Talenten und ich | |
kann mit Freund*innen zusammen sein. Ich mache gerade wieder einen Job | |
mit Lieblingsmenschen, und wenn wir uns morgen verabschieden, werden wir | |
sagen, dass wir uns aber auf jeden Fall privat treffen, bevor es wieder mit | |
der Arbeit losgeht. Da steht ein Abendessen aus. (Seit etwa einem Jahr.) | |
Der Haken? Wenn du dein Hobby zum Beruf machst, dann brauchst du danach ein | |
neues Hobby, und die sind schwer zu finden. Ich hüte meine verbliebenen | |
reinen Freizeitaktivitäten wie einen Eimer Gold. Und dass Arbeit als | |
Lebensinhalt out ist, hat nicht nur persönliche Gründe: | |
Die einen haben während der Pandemie gelernt, dass das, was sie tun, | |
entbehrlich ist. Dass sie verzichtbar sind. Und die Unverzichtbaren? Die | |
haben gelernt, dass sie zwar „systemrelevant“ sind, aber dass selbst hohes | |
Risiko und größte Überarbeitung nur ein Klatschen wert sind. | |
Vor einer Weile habe ich geschrieben, wie absurd es sich angesichts der | |
Kriege und Krisen um mich herum anfühlt, einfach am Schreibtisch zu sitzen. | |
[2][„Alles brennt. Ich bin im Büro.“] Und das Gefühl ist bis jetzt nicht | |
fort. Weitermachen mit der Arbeitsroutine, so interessant und kreativ die | |
Tätigkeit auch sein mag, wirkt deplatziert angesichts der Kriege und Krisen | |
und der großen gesellschaftlichen Fragen, denen wir uns stellen müssen. | |
Dass Arbeit als Lebensinhalt inzwischen einfach out ist, ist ein | |
Mehrgenerationen-Phänomen. | |
12 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simone Dede Ayivi | |
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