| # taz.de -- Wohnungsmangel in der Großstadt: In Hamburg gilt Villenschutz | |
| > Hamburg hat ein scharfes Wohnraumschutzgesetz – theoretisch. Doch mit der | |
| > Anwendung tun sich die Bezirke oft schwer. Die Folge: jahrelanger | |
| > Leerstand. | |
| Bild: Steht seit 2018 leer: Villa im vornehmen Harvestehude | |
| Hamburg taz | Viel Stuck und große Rundbogenfenster zieren die Fassade der | |
| Villa in der Johnsallee 3 im Hamburger Stadtteil Harvestehude. In einer | |
| Wohnlage, von der viele Hamburger:innen nur träumen können, keine 500 | |
| Meter von der Außenalster entfernt, ist das Gebäude zwar von außen schön | |
| anzuschauen, im Innern herrscht dagegen seit Jahren Leere. | |
| Trotz [1][Wohnungsnot in Hamburg], steht die Luxusvilla mit einer | |
| Wohnfläche von 500 Quadratmetern seit 2018 leer, wie die Fraktion Die Linke | |
| im Bezirk Eimsbüttel mitteilt. Die Linke-Bezirksabgeordneten Mikey Kleinert | |
| und Marvin Brinkmann wandten sich deshalb mit einer kleinen Anfrage an das | |
| Bezirksamt. Sie wollten wissen, was die Behörde gegen den Leerstand | |
| unternommen hat. | |
| Laut dem [2][Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz] ist es eine verbotene | |
| [3][Zweckentfremdung], wenn ein Gebäude mindestens vier Monate leer steht. | |
| Der Bezirk kann den Eigentümer:innen dann [4][ein | |
| Wohnungsnutzungsgebot] zustellen, also anordnen, dass das Gebäude wieder | |
| Wohnzwecken zugeführt wird. Wenn die Eigentümer:innen nicht reagieren, | |
| kann die Verwaltung ein [5][Zwangsgeld verhängen.] | |
| Zuletzt kommt sogar die [6][Einsetzung eines Treuhänders] in Betracht, der | |
| das Gebäude an Stelle der Eigentümer:in beispielsweise vermietet. Im | |
| Fall der Johnsallee 3 hat das Amt zwar die Adresse bei der deutschen | |
| Botschaft in Georgien ermittelt, aber dann keine Zustellung eines | |
| Wohnungsnutzungsgebots versucht. | |
| ## Zu groß für Otto-Normalverbraucher:in | |
| Auf die Frage der Linken, welche Maßnahmen aktuell unternommen werden, um | |
| die Villa wieder zugänglich zu machen antwortet das Bezirksamt: „Es werden | |
| keine Maßnahmen ergriffen.“ Begründung: „Bei der Liegenschaft handelt es | |
| sich um eine ungeteilte Villa mit einer Wohnfläche von ca. 500 qm.“ Bei | |
| dieser Größenordnung sei der „Normzweck des Zweckentfremdungsverbots“ im | |
| Wohnraumschutzgesetz „nicht mehr tangiert“. | |
| Dieses solle den Bestand an Wohnraum breiter Bevölkerungsschichten zu | |
| angemessenen Bedingungen sichern. Es sei davon auszugehen, dass es für | |
| Wohnraum bei einer Größe von 500 qm „keine nennenswerte Nachfrage auf dem | |
| Wohnungsmarkt gibt, womit der Wohnraum nicht mehr schützenswert ist“. | |
| Die Teilung des Wohnraums in kleinere Wohneinheiten würde laut Kay Becker, | |
| Pressesprecher des Bezirksamts, einen unzulässigen Eingriff in die | |
| Eigentumsgarantie aus [7][Artikel 14 Grundgesetz] darstellen und sei | |
| demnach ebenfalls keine Option. | |
| Für den Linken Marvin Brinkmann eine absurde Begründung: „Der Luxus einer | |
| großen Wohnfläche schützt hier vor Verfolgung, während die breite | |
| Bevölkerung auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen ist“, entgegnet er. | |
| Rolf Bosse, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, vermutet, es | |
| fehle dem Bezirksamt an Interesse oder Fantasie, Nutzungskonzepte zu | |
| entwickeln. Bosse hält die Vermietung einzelner Zimmer im Falle der | |
| treuhänderischen Verwaltung durchaus für zumutbar. Damit könnte die Villa | |
| auch für den allgemeinen Wohnungsmarkt nutzbar werden. Bosse sagt: „Es gibt | |
| eben eine ängstliche und eine mutige Herangehensweise und der Bezirk hat | |
| die ängstliche gewählt.“ | |
| Das Bezirksamt sagt dazu: „Ob die Eigentümer das Gebäude als Ganzes | |
| vermieten oder einzelne Räume separat, ist der zivilrechtlichen | |
| Privatautonomie der Eigentümer unterworfen. Die Verwaltung hat insoweit | |
| kein Eingriffsrecht.“ | |
| Das scheint jedoch zumindest fraglich, denn die Vermietung unter | |
| treuhänderischer Verwaltung wäre ja nur die Ultima Ratio: Die | |
| Eigentümer:innen hätten vor diesem Schritt zahlreiche Möglichkeiten, | |
| selbst tätig zu werden, womit ihre Interessen durchaus Berücksichtigung | |
| fänden. „Eigentum verpflichtet eben auch“, sagt Mietrechtler Bosse. Er | |
| fasst zusammen: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ | |
| Die Johnsallee 3 ist nach der [8][Grindelallee 80] bereits der zweite | |
| prominente Fall von Leerstand, dem der Bezirk Eimsbüttel machtlos zusieht. | |
| Und in anderen Hamburger Bezirken sieht es ähnlich aus: Unter dem Slogan | |
| „Leerstand zu Wohnraum!“ haben Aktivist:innen am vergangenen Freitag in | |
| einem leerstehenden Stadthaus am begehrten Wohlers Park in Altona-Altstadt | |
| ein Banner entrollt, das zu einer Demo gegen den mittlerweile wieder | |
| abgesagten Wohnungsgipfel der Bundesregierung am 5. Dezember (17 Uhr, | |
| Gänsemarkt) aufruft. | |
| „Es ist inakzeptabel, dass hier Gebäude leer stehen, während Menschen auf | |
| dem Wohnungsmarkt verzweifelt nach bezahlbaren Alternativen suchen oder | |
| sogar auf der Straße leben müssen“, so Maria, eine Sprecherin der | |
| Aktivist:innen. | |
| 26 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wohnungsnot-begegnen/!6042670 | |
| [2] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-WoPflGHArahmen | |
| [3] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-WoPflGHAV4P9 | |
| [4] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-WoPflGHAV3P12 | |
| [5] https://www.hamburg.de/resource/blob/190990/150ee793cc0566ffba4f76c6d4e3107… | |
| [6] https://www.hamburg.de/resource/blob/190990/150ee793cc0566ffba4f76c6d4e3107… | |
| [7] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_14.html | |
| [8] /Kampf-gegen-Leerstand-in-Hamburg/!5953488 | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Dürr | |
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