| # taz.de -- Werkschau Haruomi Hosono: Rumba auf Japanisch | |
| > Die wunderbaren Klangwelten des japanischen Studiozauberers und | |
| > Klangforschers Haruomi Hosono werden wieder zugänglich gemacht. | |
| Bild: Cool und schläfrig: Haruomi Hosono 1973 | |
| Gelbe Magie? Wir kennen sie in Schwarz, in Weiß, aber die Farbe Gelb könnte | |
| in diesem Zusammenhang selbst Harry Potter ins Grübeln bringen. | |
| Diese Musikzauberkunst trug maßgeblich zum Annus Mirabilis des japanischen | |
| Bassisten, Komponisten und Produzenten Haruomi Hosono bei. Auf seinem | |
| vierten Soloalbum [1][„Paraiso“], veröffentlicht 1978 als Harry Hosono and | |
| the Yellow Magic Band, erweist er als Verehrer von kalifornischer | |
| Gourmet-Popmusik gleich zweien seiner Helden Respekt: dem Sänger und | |
| Songwriter Harry Nilsson und Captain Beefheart, der sich stets von einer | |
| Magic Band begleiten ließ. | |
| Bei den Aufnahmen zu „Paraiso“ macht der zu diesem Zeitpunkt vor allem von | |
| Studiojobs lebende Hosono die Bekanntschaft des Pianisten Ryuichi Sakamoto. | |
| Ein weiterer Gast bei den Sessions ist der Schlagzeuger Yukihiro Takahashi, | |
| der zuvor als Mitglied der Sadistic Mika Band schon in Glam-Rock-Zirkeln | |
| für Aufsehen gesorgt hatte. Diese beiden höchst unterschiedlichen | |
| Gefolgsleute führt Hosono noch im selben Jahr ins nächste Abenteuer: das | |
| [2][Yellow Magic Orchestra], das ihm – und vor allem seinem Zauberlehrling | |
| Sakamoto – letztlich Weltruhm und in Japan fast den Status eines Heiligen | |
| bescheren wird. | |
| ## In Japan unsterblich | |
| Für das Interview im Booklet der Neuauflage von „Paraiso“, die das | |
| US-Reissue-Label Light in the Attic jetzt zusammen mit vier weiteren | |
| Hosono-Alben in die Läden bringt, führt Hosono noch weitere Bezüge auf: den | |
| Fleetwood-Mac-Song „Black Magic Woman“ (in der Version von Santana ein | |
| Welthit) und den chinesischen Klassiker „Die Reise nach Westen“ von Wu | |
| Cheng’en aus dem 16. Jahrhundert, speziell die darin agierenden | |
| „Yokai“-Dämonen, die „gelben Dämonkönige“. | |
| Man kann das glauben und noch weiter zu recherchieren versuchen, aber man | |
| sollte im Hinterkopf behalten, dass Hosono ein Prankster ist, ein | |
| Spaßvogel, der sein Publikum stets auf die Probe stellt. Nicht zuletzt | |
| dieser eigenwillige Humor ist es, der ihn zusammen mit einem nimmermüden | |
| künstlerischen Forschergeist zu einem der interessantesten Künstler der | |
| Gegenwart macht. | |
| Fangen wir vorne an: Im September 1969 erscheint in Japan das einzige Album | |
| der Acid-Rock-Band [3][Apryl Fool], die vor allem dem Westcoast-Sound der | |
| San-Francisco-Band Moby Grape nacheifert. Bassist und Songschreiber Haruomi | |
| Hosono indes findet den sanfteren Folk-Rock von Buffalo Springfield | |
| spannender und richtet sein nächstes Projekt, das Quartett [4][Happy End], | |
| entsprechend aus: Americana würde man heute dazu sagen, | |
| Westcoast-Country-Folk-Pop mit einer kleinen Funk-Note, also ungefähr | |
| vergleichbar mit den zeitgleichen Arbeiten von Little Feat auf der anderen | |
| Seite des Pazifiks. | |
| ## Auf dem Land in WG-Atmosphäre | |
| Als Mastermind von Happy End wird Hosono-san in Japan zum ersten Mal | |
| unsterblich. Doch nachdem man für die Aufnahmen zum dritten Album nach | |
| Kalifornien gereist war und lokale Kräfte wie den multitalentierten | |
| Musik-Intellektuellen Van Dyke Parks und die Little-Feat-Mitglieder Lowell | |
| George und Bill Payne zur Mitwirkung überreden konnte, waren für Hosono | |
| erst mal alle Ziele erreicht. Er beschließt, es seinem Vorbild Buffalo | |
| Springfield nachzutun und es wie Neil Young solo zu versuchen. 1973 | |
| erscheint [5][„Hosono House“], Name und Konzept des Albums folgen einem | |
| weiteren (zu diesem Zeitpunkt gerade mal vier Jahre alten) | |
| Americana-Klassiker, „Music from Big Pink“ von The Band: Hosono kauft sich | |
| ein Haus auf dem Land und nimmt darin in WG-Atmosphäre mit einigen Kollegen | |
| neue Songs auf. Im Vergleich zu Happy End hört man mehr Keyboards und | |
| deutlichere New-Orleans-Grooves, im Prinzip schreitet er aber auf dem mit | |
| Happy End eingeschlagenen Weg voran. | |
| Auf den folgenden Soloalben treibt er mit schwül-bunten Covergemälden und | |
| milchig-verschwommenen Songs aus einer tropisch-träumerischen | |
| Unwirklichkeit seine Selbstinszenierung als Fremder in einer fremden Welt | |
| voran, die bei näherem Hinhören bewusst und intelligent mehrfach gebrochen | |
| ist. | |
| Da ist eine Ahnung jungfräulicher pazifischer Traumstrände, aber an Japans | |
| Küsten dürfte man sie kaum verorten. Stattdessen durchzieht diese Lieder | |
| ein Dauer-Feedback der US-Fernost-Sehnsüchte, deren Erfüllung ihm als | |
| Japaner genauso unmöglich ist wie ihm als denkenden Menschen. Er weiß das | |
| und ist doch fasziniert davon, will nachspüren, wie sich das anfühlt und | |
| weiß doch um die rassistische Herabsetzung darin. | |
| ## Ambitionierter Yachtrock | |
| Mittlerweile hat er ein Auskommen als Studiomusiker, findet Gefallen daran | |
| und gründet mit drei Kollegen die Band Tin Pan Alley, nach dem Vorbild der | |
| US-Studiomusiker-Band Stuff. Auf den Alben von Tin Pan Alley (schon auf | |
| ihrem Debüt heißt ein Titel „Yellow Magic Carnival“) sowie dem Projekt | |
| [6][„Pacific“] inszeniert Hosono einen gefälligen, aber etwas | |
| spannungsarmen Ambient-Yachtrock. Die Ambitionen bewahrt er sich für seine | |
| Soloarbeiten. | |
| So reist er 1977 mit dem Künstler und Designer Tadanori Yokoo nach Indien, | |
| um sich für sein Lieblingsthema, die Außenwahrnehmung Japans, eine weitere | |
| Perspektive zu erschließen. Geplant ist eine Collage aus Field Recordings, | |
| doch nachdem ihn Yokoo mit Kraftwerk und Krautrock bekannt gemacht hat, | |
| stürzt er sich auf elektronische Klangerzeuger. „Cochin Moon“ (auch 1978 | |
| veröffentlicht) zeigt, wie schnell Hosono begreift, dass Synthesizer ihm | |
| helfen können, seine künstlerische Vision zu präzisieren. | |
| Synthetische Naturgeräusche und leckeres Maschinen-Sounddesign sind noch | |
| besser geeignete Metaphern zur Beschreibung der Entfremdung, um die es ihm | |
| geht, als die aufwendigeren Inszenierungen seiner letzten Alben. Er | |
| inkorporiert meditative und repetitive Klangmuster in sein | |
| Ausdrucksrepertoire und ist nun endgültig bereit, geboren zu werden. | |
| „Paraiso“ ist wieder ein Songalbum, allerdings hält hier nun der | |
| Maschinenpark von [7][„Cochin Moon“] Einzug in Hosonos tropisches | |
| Americana-Universum. Er schult den Kollegen Sakamoto an allerlei | |
| Synthesizern und Sequencern und fusioniert unaufgeregt und problemlos die | |
| alte Welt mit der neuen. Stoisch-repetitive Can-Passagen fügen sich nahtlos | |
| an sentimentale Sonnenuntergänge an der Tropicana-Beach-Bar, mittendrin | |
| Coverversionen des alten Glenn-Miller-Hits „Japanese Rumba“ und des | |
| obskuren Fifties-Schlagers „Fujiyama Mama“ von Earl Burrows – | |
| abgeschmackte, rassistische Japanklischees werden umarmt wie ein | |
| verhasster, aber nun im Sterben liegender Feind. | |
| Mit diesen Aufnahmen ist er schon ganz nahe am Kern seines Anliegens, das | |
| er schließlich zu fassen bekommt, als er wenige Wochen später das | |
| Debütalbum von Yellow Magic Orchestra produziert. Mittlerweile hat er die | |
| Musik des US-„Exotica“-Komponisten [8][Martin Denny] kennengelernt, der für | |
| die Tiki-Bars der 1950er Jahre einen pan-pazifischen Sehnsuchtsort | |
| inszeniert hatte, in den Japan zwischen Hawaii und Tahiti unscharf | |
| hineingemorpht ist. Das elektronische Arrangement von Dennys „Firecracker“ | |
| zwischen Zitaten aus anderen gerne exotisierenden Stilen wie etwa Surf, | |
| vollelektronisch arrangierten Jazz-Balladen und Computerspiel-Musik gibt | |
| ein präzises Bild der Gedankenwelt Hosonos zu Exotismus und der Rolle | |
| Japans in der Welt. | |
| Mit dem YMO-Album hat er den Exotismus-Komplex aus sich heraus exorziert. | |
| Er geht nun leichter, zärtlicher mit US-Themen um, sie bedrücken ihn nicht | |
| mehr. Bis heute bringt Hosono immer wieder Soloalben heraus und initiiert | |
| Bandprojekte wie Sketch Show. Light in the Attic ermöglicht Nichtjapanern | |
| nun eine erste Begegnung mit einem Ausschnitt aus dem großen und | |
| vielfältigen Werk des Magiers und Visionärs. | |
| 2 Dec 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=dzEgxgJ8puw | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=OkkFST5qrLg | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=1Trr6NwW54Y | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=EZQQlzCqqNs | |
| [5] https://www.youtube.com/watch?v=Wlc2AhdzT5k | |
| [6] https://www.youtube.com/watch?v=52lXg9asnn8 | |
| [7] https://www.youtube.com/watch?v=vxknIdGNU44 | |
| [8] https://www.youtube.com/watch?v=Nnq2Z2Iu9S4 | |
| ## AUTOREN | |
| Detlef Diederichsen | |
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