| # taz.de -- Neues Album von Malakoff Kowalski: Bis einer heult | |
| > Der Pianist Malakoff Kowalski hat mit seinem fünften Solo-Album | |
| > „Onomatopoetika“ eine aparte Seelenklanglandschaft erschaffen. | |
| Bild: Kitsch him if you can: Malakoff Kowalski | |
| Malakoff Kowalski fiel zuerst Mitte der nuller Jahre als schlumpfig | |
| gekleidete Hälfte des HipHop-Duos Jansen & Kowalski auf. Danach begann er, | |
| sich, seine Kunst und sein Leben neu zu erfinden. Er stellte seine | |
| Ernährung auf Trennkost um, kleidete sich ausschließlich in Schwarz und | |
| Weiß und zog nach Berlin. | |
| Dort komponiert er seitdem Musik für Filme von [1][Klaus Lemke] und | |
| Theaterstücke von [2][Angela Richter] oder ergänzt als Bühnenmusiker die | |
| Band Zweiraumwohnung. Außerdem veröffentlicht er Klavierstücksammlungen. | |
| Das neue Album „Onomatopoetika“ entstand im Saal 3 des altehrwürdigen | |
| Funkhauses Nalepastraße im Ostberliner Ortsteil Oberschöneweide. | |
| Mitproduziert hat Nils Frahm. Der hat sich im Lauf seines Künstlerlebens | |
| mit präparierten Klavieren, Synthesizern, Sequenzern und Orchestern durch | |
| so ziemlich jede Musik von Joachim Kühn über Jean-Michel Jarre bis zum | |
| Pyrolator und von Notwist bis Markus Popp durchgespielt. | |
| Kowalski geht es allerdings weniger um verschiedene Genres als um ein | |
| Gefühl von Zeit. Schon im ersten Stück „Ono“ kommen die Töne so langsam | |
| heran, als würden sie sich beim Nachhallen umschauen. Einen langen Weg | |
| haben sie dabei allemal hinter sich. Denn der Pianist Malakoff Kowalski | |
| hat 40 Lebensjahre verbracht, um ihn zurückzulegen. Währenddessen | |
| entwickelte er sich zu einem Staunen erregenden Musiker, der hier die | |
| „Gymnopédies“ des Erik Satie mal eben mit dem musikalischen Backwerk des | |
| Richard Clayderman verbinden kann. | |
| ## Noch tragischer | |
| Das zweite Stück, „Noma“, klingt noch tragischer, nicht mehr wie das Vor-, | |
| sondern bereits wie das bedrohliche Nachspiel zum „Nachmittag eines Fauns“. | |
| Unter „Mato“ liegt Chopin wie ein Pflaster unter einem Strand. „Atopo“ | |
| reißt immer mehr und größere Stücke aus dem Herzen und die einzelnen Noten | |
| fallen noch weiter aus der Zeit raus. Kowalski schaut ihnen dabei zu, | |
| während er behutsam Tasten anschlägt. Bei „Topo“ wird die Stimmung besser, | |
| Kowalski tanzt sich von einem Springbrunnen in Versailles bis zu einer | |
| Wiese in Sanssouci. Dass er musikalisch nie festgelegt ist, zeigt „Oéti“, | |
| wo die jazzigen Sextakkorde schon einen Ausblick auf weitere Alben | |
| ermöglichen. | |
| Mit seinen aktuellen Aufnahmen dokumentiert Kowalski Traurigkeit, die | |
| keinen weiteren Anlass mehr braucht. Weil er sich trotzdem strebend bemüht, | |
| kann er uns mit der aparten Seelenklanglandschaft „Onomatopoetika“ | |
| mindestens ein bisschen erlösen. | |
| So fasziniert Kowalski, und das nicht nur mit seiner Musik, sondern darüber | |
| hinaus mit seiner in Interviews zur Sprache kommenden Lebensführung. Denn | |
| den Herrn im weißen Hemd, der schwarzen Prinz-Heinrich-Mütze auf dem Kopf | |
| und neuerdings der Fliege am Hals treibt sein Wille zum Selbstregime an. | |
| Der hat ihn in Verbindung mit seinem manierlichen Erscheinungsbild zum | |
| Szene-Liebling werden lassen. Kowalski hat sich als ebenso produktiv wie | |
| dekorativ herausgestellt. Mit seiner Musik ist es mittlerweile wie mit | |
| seinen Klamotten, sie passt zu vielen Anlässen, für das Konzert in der | |
| Privatwohnung eines Galeristen ebenso wie für die | |
| Buchveröffentlichungsparty einer Schriftstellerin. | |
| ## Zarteste Töne, schlimmste Gewalt | |
| Das einzige Problem, das „Onomatopoetika“ hat, ist, dass Kowalskis Wille | |
| zur Selbstorganisation musikalisch auf eine oft schwer erträgliche | |
| Fein-geisterei hinausläuft. Die lässt den Hörer an Filme denken, in welchen | |
| die zartesten Töne die schlimmste Gewalt untermalen. Etwa an „Das Schweigen | |
| der Lämmer“, wenn Hannibal Lector die „Goldberg-Variationen“ hört, bevo… | |
| einem Polizisten ein Stück aus dessen Gesicht beißt. | |
| Oder an „Django Unchained“, wo „Für Elise“ auf einer Harfe kredenzt wi… | |
| während tollwütige Hunde einen Sklaven zerreißen. Es wäre daher unpräzise | |
| zu sagen, dass Kowalski Musik macht. Denn tatsächlich stellt er am Klavier | |
| historistische Teegedecke zwischen einem langsamen Adagio und einem | |
| schreitenden Andante her. Das kommt bei Menschen an, die gern in sich | |
| selber schwelgen möchten und nur dann noch Gewissensbisse kriegen, wenn sie | |
| ihre Putzkraft schwarz und nicht auf Rechnung bezahlen. | |
| 13 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Regisseur-Klaus-Lemke-ueber-die-Berlinale/!5101095 | |
| [2] /Angela-Richter-inszeniert-Esra/!5165141 | |
| ## AUTOREN | |
| Kristof Schreuf | |
| ## TAGS | |
| Klavier | |
| Kitsch | |
| Prinz-Heinrich-Mütze | |
| Haruomi Hosono | |
| Jazz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Werkschau Haruomi Hosono: Rumba auf Japanisch | |
| Die wunderbaren Klangwelten des japanischen Studiozauberers und | |
| Klangforschers Haruomi Hosono werden wieder zugänglich gemacht. | |
| Relaunch des Jazzlabels MPS: Dicke Schlitten in Brandenburg | |
| Einst war MPS Records ein Garant für Jazz. Dann wurde das Label verkauft, | |
| die Musik verschwand. Dank Relaunch ist sie nun wieder da. |