| # taz.de -- Werbeverbot für ungesundes Essen: Besser zuckerwerbefrei | |
| > Werbung für Zuckriges und Fettiges fernhalten von Kindern, fordern die | |
| > Krankenkassen AOK und TK. Bevormundung? Nein, notwendiger | |
| > Gesundheitsschutz. | |
| Bild: In Maßen ist das ja ok | |
| Jetzt geht das Gejaule wieder los: Ein Werbeverbot für Junkfood sei eine | |
| Bevormundung der VerbraucherInnen. Der Staat solle den Leuten bitte die | |
| Freiheit lassen, sich zu ernähren, wie sie wollen. So klagen die Lobby der | |
| Lebensmittelindustrie und manche BürgerInnen. | |
| Anlass ist eine [1][Forderung von 40 Organisationen] – Krankenkassen, | |
| Ärzteverbänden und Verbraucherschutzvereinen – an die Ampel. Von 6 bis 23 | |
| Uhr solle Werbung für ungesunde Nahrungsmittel in allen Fernseh- und | |
| Radiosendungen verboten werden, ebenso bei nach Uhrzeit geschalteten | |
| Anzeigen im Internet. So heißt es in dem am Montag veröffentlichten Appell. | |
| In sozialen Netzwerken aktive WerberInnen („Influencer“) sollten für | |
| Nahrungsmittel, die mehr Zucker, Fett und Salz enthalten als [2][von der | |
| Weltgesundheitsorganisation (WHO]) empfohlen, überhaupt nicht mehr werben | |
| dürfen. Für Plakatwerbung solle eine 100-Meter-Bannmeile im Umkreis von | |
| Kindergärten, Schulen und Spielplätzen gelten, so die ExpertInnen. | |
| Die Organisationen wollen also mitnichten vorschreiben, was wir essen. Sie | |
| wollen weder Cornflakes noch Bonbons oder Kartoffelchips verbieten. Sie | |
| sprechen sich aber sehr wohl dafür aus, dass der Staat Werbung für solche | |
| Produkte stark einschränkt. Für das Publikum würde es etwas schwieriger, | |
| sich Werbung für die Frühstücksflocken „Smacks“ anzugucken. Als | |
| Freiheitseinschränkung ist das kaum der Rede wert. | |
| Die Freiheit der Lebensmittelindustrie und der Werbebranche würde dagegen | |
| tatsächlich bedeutend beschnitten. Doch dafür gibt es gute Gründe. Denn | |
| Junkfood trägt dazu bei, dass viele Menschen zu dick sind. Kinder und | |
| Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süßwaren, aber nur halb so viel | |
| Obst und Gemüse wie empfohlen. „Auch der Fleisch- und Wurstverzehr ist | |
| deutlich zu hoch“, kritisiert der Appell der 40 Organisationen. | |
| ## Kinder sind leichte Beute | |
| Laut Robert-Koch-Institut sind [3][15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen | |
| übergewichtig]. Durch falsche Ernährung mitbedingte Krankheiten wie | |
| Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes oder Herzinfarkt nehmen auch in Deutschland | |
| zu. | |
| Studien zeigen, dass Kinder, die Werbung für Lebensmittel sehen, | |
| tatsächlich mehr Kalorien zu sich nehmen. Eigentlich ist das logisch: Wenn | |
| Kindermarketing nicht funktionieren würde, gäben die Konzerne auch kein | |
| Geld dafür aus. Kinder sind eine leichte Beute für sie. Sie sind stärker | |
| beeinflussbar als Erwachsene. Bis zum Alter von 4 Jahren können sie noch | |
| gar nicht zwischen Werbung und dem normalen Fernsehprogramm unterscheiden. | |
| Dass sie trotzdem durch Werbung manipuliert werden dürfen, ist ein Skandal. | |
| SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart: „An Kinder | |
| gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt | |
| darf es in Zukunft [4][bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige] | |
| nicht mehr geben.“ Die Koalition will offenbar nur Werbung mit einem | |
| bestimmten Anteil an Kindern unter den Rezipienten untersagen. Das wird | |
| aber nicht reichen. Denn oft ist der Kinderanteil nur gering, aber ihre | |
| absolute Zahl riesig. Die bei 3- bis 13-Jährigen erfolgreichsten Sendungen | |
| im Fernsehen waren 2021 Übertragungen von zwei Fußballspielen, berichtet | |
| die Fachzeitschrift [5][Media Perspektiven]. Auf Platz 3 lag das Comeback | |
| von „Wetten, dass..?“. Unter den rund [6][14 Millionen ZuschauerInnen] | |
| waren 0,7 Millionen Kinder. | |
| Der [7][Lebensmittelverband] der Wirtschaft argumentiert dagegen, es gebe | |
| „bereits umfassende Regelungen im Bereich der Werbung, die sich an Kinder | |
| richtet“. Aber diese Regelungen reichen eben nicht, sonst würde nicht so | |
| viel Junkfood im Beisein von Kindern beworben. | |
| Die Industrie sagt auch, statt Werbung für bestimmte Lebensmittel zu | |
| verbieten, sollten die Menschen lieber dazu angehalten werden, sich mehr zu | |
| bewegen. Für mehr Fitness zu werben ist sicherlich richtig. Aber das | |
| schließt ja nicht aus, durch ein Werbeverbot eine bessere Ernährung zu | |
| fördern. | |
| Deshalb sollte die Ampelkoalition diesem Vorstoß Aufmerksamkeit schenken. | |
| Sie muss Werbung für unausgewogene Lebensmittel nicht nur in | |
| Kindersendungen, sondern in allen Formaten verbieten. Ein kleiner Preis | |
| dafür, dass millionenfaches Leid durch Gesundheitsprobleme vermieden wird. | |
| 7 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://link.mediaoutreach.meltwater.com/ls/click?upn=sh9qhdB2r2W02VlPpZ3ue… | |
| [2] https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/270716/Nutrient-childr… | |
| [3] https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichtersta… | |
| [4] https://www.spd.de/koalitionsvertrag2021/ | |
| [5] https://www.ard-media.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/pdf/2022/… | |
| [6] https://www.dwdl.de/zahlenzentrale/85307/wetten_dassreichweite_stieg_noch_d… | |
| [7] /Aerzte-fuer-Werbeverbote-in-TV-und-Netz/!5831595 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
| ## TAGS | |
| Lebensmittel | |
| Werbung | |
| Übergewicht | |
| Krankenkassen | |
| Kolumne Digitalozän | |
| Verbrauchertäuschung | |
| Ernährung | |
| Übergewicht | |
| Kolumne Kinderspiel | |
| Kolumne Die Nafrichten | |
| Lebensmittel | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ungekennzeichnete Werbung auf X: Seele, scheibchenweise verkauft | |
| Produktplatzierung? Verdeckte Werbung? Was im Netz mitunter für Aufregung | |
| sorgt, ist offline längst Standard. Doch das macht es nicht besser. | |
| Schmähpreis für Mini-Pom-Bären: Weniger Fett, aber viel mehr Zucker | |
| Hersteller Intersnack vermarktet die kleine Version der bärenförmigen Chips | |
| als gesund. Zu Unrecht, finden Verbraucherschützer:innen. | |
| Werbeverbote für Junkfood: Das wurde auch Zeit | |
| Ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel ist ein effizientes Mittel, um | |
| Kinder zu schützen. Mit Bevormundung hat das nichts zu tun. | |
| Özdemir für Junkfood-Werbeverbot: Kindersicherung für Süßkram | |
| Ernährungsminister Cem Özdemir will Junkfood-Werbung für unter 14-Jährige | |
| verbieten. Das Verbot soll täglich von 6 bis 23 Uhr gelten, so der Grüne. | |
| Püriertes Obst für Kinder: Woher kommt der Quetschie-Hass? | |
| Zu Quetschies haben viele Leute eine Meinung, die leidenschaftlicher ist, | |
| als ein Beutel Obstmus das verdient hätte. Woran liegt das? | |
| Inflationsrate ist existenzbedrohend: Kaum Geld für Süßigkeiten | |
| Überall auf der Welt werden Lebensmittel teurer. Ob hierzulande oder in | |
| Marokko, vor allem Rentner*innen und Kinder müssen jeden Cent umdrehen. | |
| Nährwertkennzeichnung für Lebensmittel: Zu wenige Produkte mit Nutri-Score | |
| Nur 40 Prozent der untersuchten Nahrungsmittel trügen die | |
| Nährwertkennzeichnung, so die Verbraucherzentralen. Das Siegel müsse | |
| Pflicht werden. | |
| Zwei Jahre Nutri-Score: Manchmal ist sie zu Unrecht grün | |
| Seit zwei Jahren soll die Lebensmittelampel Nutri-Score | |
| Verbraucher:innen vor Zucker- und Fettbomben warnen. Das klappt aber | |
| nur bedingt. | |
| Verstöße gegen EU-Bioverordnung: Biokontrolleure verlieren Erlaubnis | |
| Die EU-Kommission entzieht wegen Gift im Sesam großen Ökokontrollstellen | |
| die Zulassung für Importe aus Indien. Die Inspekteurslobby kritisiert das. | |
| Fleischverzicht in Kita und Grundschule: Freiburg kann Vorbild sein | |
| Auch andere Städte sollten ihre Mensen auf vegetarische Kost umstellen. | |
| Eltern muss gezeigt werden, wie sie ihre Kinder zu Hause ausgewogen | |
| ernähren. |