| # taz.de -- Wahlkampfdebatte im Bundestag: Bundeskanzler Molz? Kein Scherz! | |
| > Die Regierungserklärung ist der Auftakt zum Wahlkampf. Olaf Scholz hält | |
| > sich mit Attacken auf Friedrich Merz zurück, der wiederum schont die | |
| > Grünen. | |
| Bild: Der Wahlkampf beginnt | |
| BERLIN taz | Der Wahlkampf ist da. Das zeigt am Mittwoch allein der Andrang | |
| im Bundestag, die Reihen der Abgeordneten und die Besuchertribüne waren bis | |
| auf den letzten Platz besetzt. Sogar die chronisch abstinente Sahra | |
| Wagenknecht war gekommen. Selten war eine Regierungserklärung mit | |
| derartiger Spannung erwartet worden, genauer gesagt das Duell des | |
| amtierenden Bundeskanzlers mit Herausforderer und CDU-Chef Friedrich Merz. | |
| Auch die Fraktionen hatten aufgerüstet. Die Union hatte den bayerischen | |
| Ministerpräsidenten Markus Söder als Redner nach Berlin geladen, die SPD in | |
| letzter Minute Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil akquiriert. | |
| Schon die vorgelagerte Geschäftsordnungsdebatte über die Tagesordnung auf | |
| Antrag der AfD geriet zum Aufwärmsparring, eine halbe Stunde verging bis | |
| zum Hauptact. Wie hart würde Scholz seinen Herausforderer angreifen, welche | |
| sozialdemokratische Erzählung für den Wahlkampf skizzieren? Und mit welchem | |
| Plan konterte Merz? Um es vorwegzunehmen: Olaf Scholz hielt nicht die | |
| stärkste Rede seines Lebens, aber auch Merz blieb unter den Erwartungen. | |
| Markus Söder gab einen passablen Sidekick. Und Robert Habeck musste ganz | |
| passen – der Regierungsflieger war kaputt. Bleibt also spannend. | |
| Scholz verteidigte nochmals seine Entscheidung, die Ampel zu beenden, als | |
| im „Grundsatz richtig“. Gefühlt in einem anderen Zeitalter, tatsächlich | |
| aber erst vor eine Woche, entließ er am 6. November den FDP-Finanzminister | |
| und verkündete, die Vertrauensfrage zu stellen. [1][Nach einwöchigem | |
| parteipolitischem Hickhack] steht fest: Neuwahlen finden am 23. Februar | |
| statt. | |
| Scholz vermied es, seinen Herausforderer namentlich zu nennen, arbeitet | |
| sich auch nicht mehr an Christian Lindner ab. Er skizzierte stattdessen die | |
| großen Herausforderungen, vor denen das Land stünde: der Krieg in der | |
| Ukraine, die drohende Eskalation in Nahost und die angekündigten Strafzölle | |
| der künftigen US-Regierung unter Donald Trump. Geht es nach Scholz, werden | |
| die Menschen am 23. Februar darüber entscheiden, ob „wir unser Land | |
| zusammenhalten“, ob äußere, innere und soziale Sicherheit zusammengebracht | |
| werden oder nicht. „Ich will vermeiden, dass es zu Verteilungskämpfen jeder | |
| gegen jeden kommt“, versprach der amtierende Kanzler und designierte | |
| SPD-Kanzlerkandidat. Man ahnt also, auf welche Erzählung die SPD im | |
| Wahlkampf setzt: Sicherheit und Zusammenhalt. | |
| ## Merz: Scholz international ein Leichtgewicht | |
| Voraussetzung für ein solches Versprechen bleibt der Knackpunkt, an dem | |
| auch die Ampel zerbrach: die Schuldenbremse zu reformieren und zunächst die | |
| Ausgaben für die Unterstützung der Ukraine – rund 12 Milliarden Euro allein | |
| in diesem Jahr – aus dem Haushalt herauszurechnen. „Die Sicherheit der | |
| anderen darf nicht gegen die Sicherheit unserer Bevölkerung ausgespielt | |
| werden“, sekundierte später SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und stellte | |
| sich demonstrativ hinter den Kanzler. Er sei der richtige. Ein Wink auch an | |
| jene in der SPD, die da Zweifel haben, und ein Versuch, das „Grummeln“ in | |
| den eigenen Reihen zu unterbinden. | |
| „Die Debatte um ein Entweder-oder führe das Land in die Irre“, erwärmte | |
| Scholz dann doch die Herzen und Hände der sozialdemokratischen | |
| Bundestagsabgeordneten, eine solche könnten sich nur Leute leisten, „die | |
| nicht rechnen müssen“. Es blieb der einzige indirekte Angriff auf Friedrich | |
| Merz. | |
| Der parierte nicht so zurückhaltend, nannte Scholz’ Regierungserklärung | |
| „eine Geisterstunde“ und erklärte den Kanzler zum „Leichtgewicht“ auf | |
| internationaler Bühne. „Glauben Sie mal nicht, dass Sie noch irgendeine | |
| Autorität im Weißen Haus besitzen“, höhnte Merz, halb Staatsmann, halb | |
| Bierzeltredner. Auch Merz nannte die drohenden Strafzölle als | |
| Herausforderung. Seine Antwort, wie darauf reagiert werden solle, blieb | |
| aber vage. | |
| Jedenfalls nicht mit „noch mehr Protektionismus“. Stattdessen müsse man die | |
| Ärmel aufkrempeln, den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen und Steuern und | |
| Abgaben für Haushalte und Unternehmen senken. Es ist das altbekannte Mantra | |
| von Steuersenkungen für die einen gepaart mit mehr Druck auf die anderen. | |
| Außerdem will Merz in der Energiepolitik umsteuern – „Weg von Wind und | |
| Sonne, weg von der Wärmepumpe hin zu einem technologieoffenen Konzept“. Er | |
| kündigte zudem eine härtere Gangart beim Thema Migration an, mit | |
| Zurückweisungen an der Grenze. Mit ähnlichen Forderungen stellte sich auch | |
| FDP-Chef Christian Lindner an die Seite der Union – und auch der | |
| „Zukunftsplan für Deutschland“, [2][den AfD-Chefin Alice Weidel] für die | |
| ersten hundert Tage einer angestrebten Regierungsbeteiligung präsentierte, | |
| war inhaltlich ziemlich deckungsgleich. Eine kalkulierte Avance, sowohl | |
| Merz als auch Söder wiesen diese scharf zurück. „Weder vorher noch nachher | |
| wird es eine Zusammenarbeit geben“, so Merz. | |
| ## Am Anfang von Söders Rede klatschte selbst die SPD | |
| Auch Söder teilte, als er schließlich um 15.23 die Bühne für sich hatte, | |
| zunächst gegen „die da“ als „Handlanger Putins“ aus, da applaudierte s… | |
| die SPD. Viel zu klatschen hatten die Genoss:innen dann doch nicht. | |
| Scholz habe Deutschland Schaden zugefügt, tönte Söder, nun brauche es eine | |
| „starke Führung für Deutschland, eine neue Mentalität, mehr Fleiß und | |
| Pünktlichkeit“. Man merkte, der Mann wäre selbst gern Kanzlerkandidat | |
| geworden. | |
| Dass sich die Union noch mal so zerstreiten könnte wie 2021, bleibt aber | |
| wohl eine vage Hoffnung der SPD. Söder betonte am Ende: „Der | |
| Regierungsauftrag liegt bei uns und einem Bundeskanzler Friedrich Merz.“ | |
| Nutzte aber noch mal die Gelegenheit, kräftig gegen die Grünen auszuteilen, | |
| speziell gegen den abwesenden Habeck, „der droht den Deutschen an, in ihre | |
| Küchen zu kommen“. Hihi. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann parierte | |
| mit „betreuter Kanzlerkandidatur.“ | |
| Merz hörte sich das geduldig an, er weiß, dass er sich im Falle eines | |
| Wahlsieges alle Optionen offenhalten und wohl sowohl mit Grünen als auch | |
| mit der SPD sprechen muss. | |
| Ein Hauch von Koalitionsverhandlungen lag an diesem Mittwoch auch im Raum. | |
| Merz bot Grünen und SPD an, bis zur Bundestagswahl noch gemeinsam Vorhaben | |
| auf die Tagesordnung zu setzen, bei denen man sich einig sei, um „denen da“ | |
| – gemeint war die AfD – keine zufälligen Mehrheiten zu verschaffen. Dazu | |
| zählt unter anderem das Gesetz, das [3][die Resilienz des | |
| Bundesverfassungsgerichts stärken soll] und welches der Bundestag mit | |
| Zweidrittelmehrheit beschließen muss. | |
| Allerdings zeigte dieser Mittwoch auch, dass die Hoffnung auf „klare | |
| Mehrheiten, die die Bundestagswahl hervorbringen soll“, wie sie Merz | |
| vorschwebt, wohl trügerisch sein könnte. Für den Antrag zur | |
| Geschäftsordnung stimmten die Gruppen von Linke und BSW gemeinsam mit der | |
| AfD. Und die letzteren beiden Parteien könnten sogar gestärkt aus der Wahl | |
| hervorgehen. | |
| 13 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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