# taz.de -- Volkswagen stellt auf E-Autos um: Autos für die Generation ID.3 | |
> Mit seinem ersten vollelektrischen Fahrzeug will VW ins Elektrozeitalter | |
> aufschließen. In Zwickau rollen nun die ersten Exemplare des ID.3 vom | |
> Band. | |
Bild: Am Fließband: Merkel mit einem Arbeiter, VW-Chef Diess und Sachsens Mini… | |
Der [1][Produktionsstart des ID.3] ist von hohem Symbolwert. Er steht nicht | |
nur für die geistige Trendwende im VW-Konzern, dem noch vor wenigen Jahren | |
die Atmosphäre so egal war, dass er mit [2][Abgaswerten getrickst] hat. Er | |
steht auch für die Weiterentwicklung des Standorts Deutschland. „Mit Recht | |
kann man sagen, dass VW heute in eine neue Ära geht“, sagt Autoexperte | |
Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Universität | |
Duisburg-Essen. „Es ist ein historisches Ereignis.“ | |
Der ID.3 ist nach Ansicht der Experten so wichtig, weil der wichtigste | |
deutsche Autohersteller damit in die Liga von Tesla, BYD oder Nissan | |
aufschließt. Denn es waren in den vergangenen Jahren Firmen aus den USA, | |
China und Japan, die die ernstgemeinte Massenproduktion von | |
batteriebetriebenen Wagen in Angriff genommen haben. Zugleich haben sie mit | |
ihren futuristischen Ingenieurleistungen ein modernes Image aufgebaut, | |
neben dem deutsche Produkte plötzlich alt aussahen. Deshalb platziert | |
[3][Konzernchef Herbert Diess] den ID.3 nun anstelle des Golf in der Mitte | |
der VW-Modellpalette – so wie dieser einst den Käfer verdrängt hat. Der | |
elektrische ID.3 soll das Standard-Auto für ganz normale Leute sein. | |
Dazu muss der ID.3 nicht das beste oder modernste Elektroauto der Welt | |
sein, aber er muss hohe Zuverlässigkeit bei schönem Design zu einem | |
akzeptablen Preis bieten. Das scheint gelungen zu sein. Das Modell mit der | |
kleinsten Batterie kostet knapp 30.000 Euro. Mit der jetzt von 4.000 auf | |
6.000 erhöhten Förderung werden daraus 24.000 Euro – das sind zwar noch | |
einige Tausend Euro mehr als ein einfacher Golf, aber der Preis soll in den | |
kommenden Jahren weiter sinken. Der ADAC spricht daher schon vom | |
„Volks-Elektroauto“. Das Einstiegsmodell erlaubt allerdings nur eine | |
Reichweite von 330 Kilometern. Wer mit einer Ladung 550 Kilometer weit | |
fahren will, muss wohl rund 15.000 Euro mehr ausgeben – Batterien sind | |
teuer. Dafür hat das Ding aber auch 204 PS. | |
## Anschluss behalten | |
Damit zieht Deutschland mit den Herstellerländern gleich, die schon seit | |
Jahren reguläre Serienmodelle für den Massenmarkt hervorbringen; Tesla ist | |
kein Schreckgespenst aus einer anderen Welt mehr, sondern ein Konkurrent | |
auf dem gleichen Feld. Nach Ansicht von Experten wie Dudenhöffer ist es | |
durchaus nicht zu spät, um den Anschluss zu behalten. In der | |
Wirtschaftsgeschichte sind nicht nur die Pioniere einer Technik | |
erfolgreich. Google war nicht die erste Internetsuchmaschine, Toyota nicht | |
der Erfinder des Autos und Osram nicht der erste Anbieter von Glühlampen – | |
aber sie waren in entscheidenden Punkten besser als die Vorreiter und | |
konnten sich daher im Markt durchsetzen. Der Markt für E-Mobilität steckt | |
trotz allen Geredes in der Praxis noch in den Anfängen. Und mit starken | |
Marken wie VW, Daimler und BMW gibt es auch künftig ein gutes Argument, ein | |
deutsches Produkt zu kaufen. | |
Ob das Umsteuern der deutschen Autobauer klappt, hängt laut Diess davon ab, | |
ob Deutschland selbst ein echter Referenzmarkt für die neue Technik wird. | |
Diess verlangte deshalb zum Produktionsstart des ID.3 eine [4][höhere | |
CO2-Besteuerung], als die Bundesregierung sie bisher vorsieht. Die | |
Forderung eines Autobosses nach strikten Umweltgesetzen klingt wie | |
verkehrte Welt, ist aber betriebswirtschaftlich logisch. VW investiert in | |
den kommenden Jahren 30 Milliarden Euro in die Elektromobilität. Damit sich | |
das lohnt, müssen die Kunden auch zugreifen. | |
Für Volkswagen ist der ID.3 der Einstieg in den Ausstieg aus der Ära des | |
Verbrennungsmotors. Das Unternehmen hat daher nicht einfach ein Auto | |
entwickelt, sondern einen ganzen Technik-Baukasten, mit dem sich künftig | |
alle Modelle elektrifizieren lassen. Das neue Modell ist nur die erste | |
Anwendung des „Modularen E-Antriebs-Baukasten“ (MEB), andere sollen schnell | |
folgen. „Mit der MEB-Plattform gelingt es – so wie Tesla – Elektroautos | |
ganz spezifisch zu bauen und nicht als Kompromiss“, sagt Dudenhöffer. VW | |
gehe „die Neuausrichtung der Branche sehr beherzt an“. | |
Diess verteidigte am Montag seinen strengen Fokus auf Elektromobilität in | |
Abgrenzung zu Wasserstoff und künstlichem Benzin. Die Welt brauche jetzt | |
sofort umweltfreundliche Mobilität, und beide Alternativen seien noch nicht | |
so weit. Sie sind zudem wegen ihres geringen Wirkungsgrades auf einen | |
Überfluss an Ökostrom angewiesen, den es vorerst nicht gebe. „Ohne | |
Elektroauto können wir den Kampf gegen den Klimawandel nicht gewinnen“, | |
sagte Diess. | |
## Das Ladeproblem | |
Wie schnell sich das Elektroauto durchsetzt, hängt nun davon ab, wie leicht | |
es sich laden lässt. Bisher hapert es hier noch. Das Verkehrsministerium | |
hat am Montag seinen „Masterplan Ladeinfrastruktur“ veröffentlicht: Um wie | |
geplant in zehn Jahren zehn Millionen E-Fahrzeuge auf die Straße zu | |
bringen, wären eine Million Ladesäulen nötig. Andere Länder investieren | |
bereits sehr viel mehr. Über eine Million Strompunkte gibt es in China | |
bereits, bis Ende 2020 sollen es 4,8 Millionen sein. Volkswagen will dafür | |
sorgen, dass es auch Autos aus deutscher Massenproduktion gibt, die sich | |
damit laden lassen. Mit 1,2 Milliarden Euro Investitionen ist Zwickau zum | |
größten Elektroautowerk Europas geworden. | |
Über die Zukunft der Automobilbranche entscheide jedoch nicht nur die | |
Antriebsart, sagt Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom. „Wir | |
brauchen intelligente, vernetzte Fahrzeuge, die Staus vermeiden und die | |
schwächsten Verkehrsteilnehmer vor Unfällen schützen.“ Auch hier ist die | |
Konkurrenz weiter. Tesla treibt die [5][Einführung des selbstlenkenden | |
Autos] voran, während chinesische Modelle schon so digital sind, dass sie | |
wie die fahrende Verlängerung des Handys wirken. „Wir brauchen die weltweit | |
besten Rahmenbedingungen für das vernetzte Fahren“, fordert Berg. Sonst | |
wirken deutsche Autos schnell altbacken. | |
4 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Finn Mayer-Kuckuk | |
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