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# taz.de -- Debatte um Verkehrswende: Böse Autos, gute Autos
> SUVs und alte Diesel sind eindeutig böse. Doch was ist mit
> Elektrofahrzeugen? Auch in Öko-Mobilitätskonzepten spielen PKWs eine
> entscheidende Rolle.
Bild: Gut oder böse? Auto mit Elektroantrieb
Hamburg taz | Gutes Auto – böses Auto? Je schneller der Klimawandel
voranschreitet, je öfter die Stickoxid-Grenzwerte in den Metropolen nicht
eingehalten werden können und je mehr Privat-PKWs– der Zulassungsboom ist
ungebrochen – die Straßen und Fahrbahnränder verstopfen, umso klarer wird
das Auto zum [1][Feindbild Nummer eins] der ökologiebewegten Gemeinde.
Je [2][größer der Wagen] und sein Spritverbrauch, umso größer der Hass, und
wenn dann auch noch Fußgänger sterben wie [3][vor einer Woche in Berlin],
herrscht Empörung auf den Titelseiten. Andererseits spielen PKWs in allen
Mobilitätsszenarien der Zukunft eine wichtige Rolle. Doch wie viel Auto ist
sinnvoll? Bestimmt die Antriebsart oder die Nutzung darüber, ob ein Auto
gut oder böse ist? Und was ist davon zu halten, dass die „bösen“
Autokonzerne sich zum Vorreiter einer klimafreundlichen Mobilitätswende
erklären?
Für viele ist die Antwort auf die Frage, ob das Auto gut oder böse ist,
ganz schlicht: Diesel ist doof, Benzin bisschen besser, Elektroantrieb
einfach enorm. Für viele steht dieser für die Verkehrswende in der
Republik. Ein Trugschluss.
Auch [4][Elektroautos] sind energie- und materialintensiv in der
Herstellung und verstopfen Fahrbahnen und Straßenränder. Für den
Elektromotor und die schweren Akkus braucht man spezielle Rohstoffe, deren
Freisetzung die Umwelt massiv schädigt. Zwar emittieren sie keine Abgase
dort, wo sie fahren, aber an anderer Stelle. Und selbst wenn der Autonutzer
an einen Ökostromanbieter zahlt, kommt faktisch derselbe Strommix aus allen
Steckdosen, ein Drittel klimaschädlicher Kohlestrom ist darunter. Und je
mehr der bundesdeutsche Strombedarf – etwa auch durch Elektroautos –
steigt, umso schwerer wird es, die Kohlekraftwerke zeitnah abzuschalten und
deren Strom vollständig durch saubere Energien zu ersetzen.
Die meisten Ökobilanzstudien zeigen, dass Elektroautos der Benzinvariante
nur dann überlegen sind, wenn es sich entweder um Kleinwagen mit kleinen
Batterien handelt oder um Autos, die auf eine große Laufleistung kommen und
auf eine lange Lebensdauer. Klimaneutral aber sind auch sie mitnichten.
## Autonome vor der Tür
„Gute Autos“ gibt es in den Szenarien vieler Mobilitätsforscher. Nur sind
sie nicht mehr in Privathand, sondern Sharing-Cars oder Sammeltaxis. Da ein
Wagen rund 90 Prozent seiner Zeit im Stand, aber nur 10 Prozent in voller
Fahrt verbringt, könnte ein Sharing-System mit ausgelasteten Fahrzeugen die
Autoflotte in den Städten gewaltig reduzieren.
Sammeltaxi-Anbieter wie Moia setzen ebenfalls auf diesen Effekt. Die
Hamburger Grünen haben allerdings in ihrem jüngsten Mobilitätskonzept
gezeigt, dass Taxi-Dienste erst dann konkurrenzfähig sind, wenn sie autonom
fahren. Von Menschenhand durch die Stadt kutschiert zu werden, wird für die
meisten Menschen immer ein Luxus bleiben, denn es ist mit Lohnkosten
verbunden.
Und wenn man dann autonom fahrende Leih-Autos kostengünstig ordern und vor
der Haustür besteigen könnte, würde der eigene PKW de facto überflüssig: Er
wäre dann nur noch eine teurere, aber kaum schnellere Alternative.
Spannend ist, dass auch die deutschen Autobauer sich als
Mobilitätsdienstleister neu erfinden. Sie steigen ins Car-Sharing- und
Sammeltaxen-System ein, dessen Zweck es doch ist, die Zulassung an Neuwagen
und damit den Absatz von VW, BMW, Audi und Co. drastisch zu reduzieren.
So steckt VW hinter Moia, und Daimler sowie BMW betreiben Drive Now und
Share Now, den ehemaligen Car2Go-Service. Wie Fleischproduzenten, die
neuerdings nebenbei auf Veggie-Produkte setzen, wollen sie so die neu
entstehenden Märkte kontrollieren und sich lieber selbst Konkurrenz machen,
als sich von anderen ausbooten zu lassen.
Doch all das gilt nur in den Metropolen. Auf dem Land fällt es nicht so ins
Gewicht, wenn statt Benzin-Rückständen aus dem Auspuff nur Kohlendioxide
aus dem Kraftwerks-Schornstein kommen. Und für Sammeltaxis gibt es dort, wo
nicht einmal ein Bus fährt, keine Nachfrage, die groß genug wäre, Anbieter
auf den Plan zu rufen. So ist derzeit nicht mal Moia in der Hamburger
Peripherie verfügbar.
In der Provinz ist das Auto nicht gut oder böse: Es ist für die dort
lebenden Menschen bis auf Weiteres einfach unverzichtbar.
22 Sep 2019
## LINKS
[1] /Proteste-bei-der-Automobilmesse-IAA/!5622693
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[3] /Unfallforscher-ueber-SUV-Unfall-in-Berlin/!5621063
[4] /Pro-und-Contra/!5528530
## AUTOREN
Marco Carini
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