# taz.de -- Verkehrspolitik am Beispiel Aachen: Rad ab | |
> Wie eine Stadt mit dem Verkehrsinfarkt umgeht: Inkompetent, feige – und | |
> selbst bei Rad-Vorrang-Routen immer dem Götzen Auto zu Diensten. | |
Bild: Hier starb im Februar Madeleine B. Ein weißes Rad erinnert an den Unfall | |
AACHEN taz | „Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Das ist ja völlig | |
verrückt. Und so was in unserem schönen Aachen.“ Die CDU-Vorsitzende des | |
Bezirksausschusses Mitte steigt entsetzt vom Sattel, als wir den nächsten | |
grotesken Radwegabschnitt in der Innenstadt queren. Der markierte Weg | |
endet, bei vorbeibrausendem Autoverkehr, abrupt vor einer Warnbarke. Sie | |
schiebt. „Das ist mir zu gefährlich.“ | |
Acht Mitglieder aus dem 19-köpfigen Gremium sind meiner Einladung gefolgt, | |
eine Radtour durch Aachen zu machen. Um unmittelbar zu erleben, welch | |
unsinnige und teils lebensgefährliche Radwege angelegt sind. Wenn es welche | |
gibt. | |
Wir strampeln weiter, über unübersichtliche Pisten mit jahrzehntealten | |
Schlaglöchern und wackelndem Gestein, über Radwege, die wie ein Trichter | |
verschlankend in eine vielbefahrene Fahrspur übergehen, die in einer | |
Bushaltestelle enden oder ansatzlos in einer Rechtsabbiegespur für Autos. | |
Fotografien all dieser Stellen würde sich der Leibhaftige hohnlachend als | |
Patchwork des Horrors ins Wohnzimmer hängen. | |
Vor einer Ampel ist ein Sozialdemokrat fassungslos: „Hier überkreuzen sich | |
bei Grün ja zwei Radwege. Das ist“, er ringt nach Worten, „wie | |
Hilfestellung zum Unfall. Wer denkt sich so was aus?“ Niemand antwortet. | |
Am Ende zählen wir durch: Alle sind durchgekommen. „Puuuh“, sagt die | |
CDU-Frau. | |
## Madeleine B., vom Sattelschlepper getötet | |
Die Radtour mit den politisch Mitverantwortlichen hat es nie gegeben. Es | |
sollte sie geben, nur: auf meine Einladung reagierte zunächst niemand; erst | |
auf Nachfrage, ob man Angst habe vor Unfall oder vor Blamage, antworteten | |
genau zwei. Der junge Mann von den Piraten schrieb, er sei sich als | |
passionierter Radler der „Unzulänglichkeiten der Radverkehrsinfrastruktur | |
durchaus bewusst“. Der Abgeordnete der Linken meldete, dass er „vom | |
Naturell her ungern Fahrrad fahre“. Ein Blick auf sein Bild: So dick ist er | |
gar nicht. Vielleicht heißt Naturell: Überlebenslust statt Hasardeurtum. | |
Am 12. Februar wurde mitten auf einem Radweg eine 53-jährige Psychologin | |
von einem rechts abbiegenden Sattelschlepper getötet. Die Polizei sprach | |
von „Kollision mit einem Lkw“. Madeleine B. war Aachens viertes Radopfer | |
binnen gut zwei Jahren. [1][Einen Abbiegeassistenten], der hätte warnen | |
können, hatte der Kipper nicht. Ist ja auch kein Muss. | |
Madeleine B.’s Leben endete auf einem abgestrichelten | |
Radsicherheitsstreifen. Die sind beliebt, weil schnell gepinselt, preiswert | |
und weil sie Fürsorglichkeit vorgaukeln. Nur: Radsicherheitsstreifen führen | |
oft direkt längs parkender Automobile. Geht eine Tür abrupt auf, ist man | |
schnell Dooring-Opfer. Fährt man zur Sicherheit weiter links, spürt man | |
die Wut der Automobilisten schon bevor sie hupen. Dann quetschen sie sich | |
vorbei, um schneller die nächste rote Ampel zu erreichen. In Flandern | |
heißen diese Radsicherheitsstreifen Moordstrookje: Todesstreifchen. | |
Moordstrookje wurde dort zum Wort des Jahres 2018 gekürt. | |
## Der Verkehrspsychologe, dessen Vorschläge verhallen | |
Bernhard Schlag, 68, Seniorprofessor für Verkehrspsychologie an der TU | |
Dresden, ist Aachener. Die Dauerfehde zwischen Zwei- und Vierrädern sei | |
„ein klassischer Ressourcenkonflikt“, sagt er, befeuert durch „gegenseiti… | |
falsche Wahrnehmungen, weil jeder den anderen verdächtigt, ihm Räume | |
wegzunehmen“. Folge: Neid, Stress, Aggression. „Der Staat hat die Pflicht, | |
Verkehre sicher zu gestalten, verantwortungsvoll an die Geschwindigkeit der | |
langsameren Verkehrsteilnehmer angepasst.“ | |
Schlag publizierte schon 2010 die Idee, innerorts höchstens Tempo 30 zu | |
erlauben („selbst das kann noch zu viel sein“) und Tempo 50 nur, sofern ein | |
ausgebauter, abgetrennter Radweg angelegt ist. „Wir brauchen eine Umkehrung | |
der Beweislast. Eine verantwortungsbewusste Stadt muss erst belegen, dass | |
eine Straße sicher genug ist für mehr als Tempo 30.“ | |
Der Verkehrssicherheitsrat, erzählt Schlag, sei damals sehr interessiert | |
gewesen. Aber: „Umgesetzt hat die Idee niemand.“ Warum? „Politik hat immer | |
Angst vor Gegenwehr, weil jede neue Regel als Einschränkung interpretiert | |
wird. Verwaltungen sind oft beratungsresistent, auch da herrschen Bedenken | |
und Angst vor Veränderungen.“ Fazit: „So kommt nichts in die Gänge.“ | |
## Die Stadt, die 3,40 Euro in den Radverkehr investiert | |
In Deutschland investieren die Kommunen meist weniger als fünf Euro pro | |
Kopf pro Jahr in die Radinfrastruktur (Aachen 3,40 Euro). In Kopenhagen | |
sind es 35, im niederländischen Venlo waren es zuletzt 60. In Deutschland | |
starben 2018 fast 450 RadfahrerInnen, das ist jeder siebte Verkehrstote. | |
Die Zahl stieg um 13 Prozent. Aachen muss bei verunglückten RadfahrerInnen | |
22 Prozent Plus vermelden. | |
Die Städte gehören längst nicht mehr den BewohnerInnen. Fußgänger oder | |
Zweiradfahrer sind nur Hindernisse des lärmenden und stinkenden Blechs. | |
Viele AachenerInnen sagen: Vom Naturell her würde ich ja sehr gern Rad | |
fahren. Aber auf diesen Straßen? Bei dem Autoverkehr? Ich bin doch nicht | |
lebensmüde! Sie haben völlig recht. Sicherlich braucht man vielerwegs Mut | |
und eiserne Nerven. Sicher ist auch: Gäbe es eigene Radtrassen, viele Autos | |
blieben in den Garagen. | |
Bernhard Schlags Wunsch: „Autofahrer müssen lernen, dass sie Gast sind in | |
den Städten. Und dass das nicht das eigene Biotop ist.“ | |
Die Viertelmillionenstadt Aachen ist hügelig und fast überall eng. Der | |
Stress radelt immer mit. Stets muss man unmittelbar auf alles gefasst sein, | |
Hände auf der Bremse, die Fahrigkeit der Autofahrer immer mitdenkend. | |
Schlechte Voraussetzungen für boomenden Radverkehr; umso mehr müsste die | |
Stadt tun. Sie redet auch seit Jahrzehnten von Anreizen und Verkehrswende. | |
Doch Reden fruchtet nicht. | |
## Radwege, die als Zwischenablage dienen | |
Die existierenden Radwege scheinen nur angelegt, um Dritten zu dienen: als | |
Zwischenablage für Mülltonnen und Straßenschnee, als Zwischenparkplätze | |
sowieso und als Habitate von Verkehrsschildern, Laternen, Bushäuschen und | |
Stromkästen. RadlerInnen in Aachen machen seit Jahren elf Prozent des | |
Verkehrs aus – in gleichgroßen Unistädten sind es 34 Prozent (Freiburg) und | |
38 (Münster). | |
Typisch in Aachen sind vierspurige Straßen mit schmalen Bürgersteigen, die | |
zudem oft beparkt werden. Und da will man mehr von diesem Störenfried | |
Radverkehr zwischenquetschen? Und wenn, werden Radwegstücke gestrichelt. | |
Das gilt nur als Bitte freizuhalten, ist also fast sinnlos: Wenn, bremsten | |
nur durchgezogene Linien die Autolenker aus. Und selbst neue Ummarkierungen | |
gibt es nur, so ein Verwaltungspapier, wenn „die Spitzenbelastungen des | |
Kfz-Aufkommens dies zulassen“. Das ist Kotau, keine Wende. | |
Aachen ist stolz zertifizierte „EU-Klimaschutzkommune“, dazu Mitglied der | |
„Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Städte und Kreise in NRW“ – und, | |
wie viele andere Städte, in erster Instanz zu Dieselfahrverboten | |
verurteilt. Aachen hat Rechtsmittel eingelegt. Im Sommer entscheidet das | |
Oberverwaltungsgericht. Bis dahin gilt es „Hausaufgaben zu machen“, wie man | |
das putzig nennt. Grenzwerte sollen anders unterschritten werden: Appelle | |
zum Radeln, Autofasten-Vorschläge oder die finanzielle Unterstützung des | |
privaten Velocity-Leihnetzes für Pedelecs. | |
## „Radvorrangrouten“, die im Abseits versteckt liegen | |
Oder eine bis 2030 geplante Radvorrangroute. Diese wurde jetzt vorgestellt: | |
Sie besteht aus zehn Planstrecken von Außenbezirken Richtung City, meist | |
über Nebenstrecken. Keine Autopiste wird angetastet. Radler werden im | |
Abseits versteckt und stören das Gerase nicht mehr. Parkplätze aufgeben? | |
Gehe oftmals nicht wegen der Bäume zwischen den Parkbuchten, schulterzuckt | |
ein Stadtbediensteter. Für die enge, verstopfte Innenstadt gibt es | |
überhaupt noch keine Lösung. | |
Oder: E-Busse. Die sind seit Jahren avisiert. Nur: Niemand liefert sie. Die | |
deutsche Autoindustrie hat auch hier den Gong nicht gehört. Und mit | |
Zulieferern aus anderen Ländern haben Niederländer und Belgier schon längst | |
Lieferverträge. | |
Man könnte auch die lächerlichen Parkgebühren erhöhen, derzeit ein Viertel | |
verglichen mit dem angenehm autobefreiten Maastricht nebenan. Die | |
Verwaltung schlug neulich zwei Euro pro halbe Stunde vor. Empörung | |
allerorten. Die CDU argumentierte, dann zahle keiner mehr, weil | |
Verwarnungsgelder kaum noch teurer sind. | |
Wahrscheinlich hat sie sogar recht. In Holland kostet Falschparken zwischen | |
50 und 140 Euro, bei uns bekommen „Parksünder“ für schlanke 10 Euro ihre | |
Absolution. Aachens FDP hatte eine besonders bizarre Idee: Gebühren in den | |
Parkhäusern runter. Dann gäbe es weniger Parkplatzsuchverkehr. | |
## Zwei Parkplätze gegen 300 Meter Radschutzstreifen | |
Homo Blech regiert. Wie passend, dass der Vorsitzende des Aachener | |
Mobilitätsausschusses auch noch Ferrari heißt. Aber gut, Achim Ferrari von | |
den Grünen tut, was er kann. Aachens Grüne, bis 2013 mit der CDU in der | |
Mehrheit, verantworten allerdings auch Rechtsbruch – für heiligen Parkraum, | |
gegen Sicherheit und Inklusion. Parken ist laut Straßenverkehrsordnung vor | |
abgesenkten Bordsteinen (§ 12, Abs. 3.5) verboten. In der Zollernstraße | |
wurden genau an einer solchen Stelle zwei neue Parkplätze ausgewiesen. Für | |
300 Meter neuer Radschutzstreifen, so ein grüner Stadtrat lapidar, sei das | |
eben der Preis gewesen. Radler bekamen dafür eine bizarre und gefährliche | |
S-Kurve. | |
Aktueller Tiefpunkt ist die innenstadtnahe Lothringer Straße, Teil der | |
ersten geplanten Radvorrangroute, die laut Stadt „neue Maßstäbe setzen | |
sollen“. Für den Umbau legte die Verwaltung im Februar vorgabenwidrig Pläne | |
mit einer so grotesken Wegführung vor (inklusive Parkbegleitflächen neben | |
dem anliegenden Parkhaus), dass das Gelächter so groß war, als wolle | |
Viertligist Alemannia in fünf Jahren Champions League spielen wollen. Sogar | |
die automane Politik sagte unisono: bitte nachbessern. | |
Der Vorschlag war so absurd, dass den Verwaltungsbediensteten, unter denen | |
man einige Radfreunde wähnt, schon unterstellt wird, sie hätten diesen | |
Entwurf mit Kalkül unterbreitet. Damit vor allem fassungslose Radler das | |
Heft des Protests in der Hand halten. Sonst ist es immer umgekehrt: Soll | |
auch nur ein Parkplatz wegfallen, heulen CDU, FDP und Einzelhandel um die | |
Wette. | |
So wie 1989, kaum dass erstmalig Rot-Grün das Sagen bekam: Da machte Aachen | |
Teile der City dicht. „Autofreie Innenstadt“ hieß das, wurde bundesweit | |
bestaunt, war eine Wohltat für Zweiräder und Flaneure – und wurde nach | |
wenigen Monaten auf Druck der Händlerlobby gekippt. „Aachen ist nicht mehr | |
erreichbar, die Kunden bleiben weg …“, heißt es da. | |
## Baustellen, bei denen Radler vergessen werden | |
Der Adalbertsteinweg, eine der meistbefahrenen Einfahrtschleusen in Aachens | |
Talkessel, wird ab Ende März monatelang auf gut einen halben Kilometer | |
Länge aufgerissen wegen der Komplettsanierung unterirdischer Leitungen. | |
Pressekonferenz vor Ort, wie das mit dem Verkehr so laufen soll: Alles wird | |
haarklein erklärt, tolle Pläne und Handouts gibt es, eine drei Meter lange | |
Planskizze wird ausgerollt. Es fallen Begriffe wie gravierende | |
Gegenverkehrssituation, Lieferverkehr-Ladezonenverlagerung, | |
Ampelmanagement, Staugefahrverringerung. | |
Und Fahrräder? Betretenes Schweigen. Ja, wie immer, sagt dann die Leiterin | |
der Verkehrsbehörde. Bitte, eine einzige Spur für Busse, Pkw, Lkw und | |
Zweiräder? Na ja, es werde halt „schon mal enger.“ Vielleicht sollten Räd… | |
anderswo fahren, merkt ein Mitarbeiter auf, er will eine | |
Umleitungsempfehlung aufhängen. Oder schieben, heißt es. Radabgang statt | |
Radvorrang. | |
Radverkehr ist in den Köpfen oft gar nicht existent. Sackgassen-Schilder | |
sind meist nur Hinweise für Autos, ein kleiner Aufkleber (Rad- und | |
Fußverkehr frei) könnte helfen. Es gibt ihn nur selten. Zu einer neuen | |
Baustelle steht in der städtischen Mitteilung: „Für die Dauer ist die | |
Strecke komplett für den Verkehr gesperrt.“ Fragt man nach, ob „komplett“ | |
auch für Fußgänger und Radler gelte, kommt fast immer: Äh, die müssten | |
durchkommen können… Verkehr und Autos sind Synonyme. | |
Verkehrspsychologe Schlag hält „neue Akteure“ jenseits von Politik und | |
Verwaltung für „sehr hilfreich, wenn sich etwas ändern soll“. So wie die | |
Umwelthilfe oder den ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland, „die | |
treiben Verantwortliche vor sich her.“ Vor allem setzt er auf | |
Bürgerbegehren, „die ein positives Narrativ aufbauen können für attraktive | |
Veränderungen“. | |
Auch in Aachen soll jetzt, wie vielerorts, ein Bürgerentscheid Abhilfe | |
schaffen. Vorbild ist der Erfolg der Berliner Initiative Volksentscheid | |
Fahrrad. Gefordert ist „ein schlüssiges, sicheres und flächendeckendes | |
Radkonzept, das zügig umgesetzt wird“. Es müsse Schluss sein, sich nur „a… | |
lebende Luftfilter durch die Straßen zu bewegen“. Im April soll es | |
losgehen. | |
Nach Madeleine B.’s Todesfahrt hat die Stadt Sofortmaßnahmen angeordnet. | |
Die rote Markierung, die sinnfrei auf ihrem Todesstreifchen mittenmang | |
endete (genau da bog der Lkw ab), wurde ein Stück verlängert. Zudem | |
bekommen Radler an dieser Kreuzung demnächst fünf Sekunden früher grün. | |
Aber nur hier, nicht an ähnlich gefährlichen Stellen. Aufgesattelt wird das | |
Eingeständnis des Scheiterns: Ängstliche Pedaleure dürfen hier auch den | |
Fußweg befahren. | |
## Elf Meter roter Radweg für den Tod einer jungen Frau | |
Für jeden Tropfen auf den heißen Stein muss es erst Tote geben. Vor 20 | |
Jahren starb ein kleiner Junge bei Grün auf seinem Rad an einer Kreuzung, | |
die Ampelschaltung wurde getrennt. Ein Radler wurde 2016 an einer | |
Vorfahrtstraße umgenietet, Folge: Stopp-Schild, rote Farbe auf ein paar | |
Metern und eine Bodenwelle – wohl weil man dem Stopp-Schild nicht traut. | |
Kontrollen? Keine. 2017 überfuhr ein Bus eine junge Frau beim | |
Rechtsabbiegen (Polizei: „Radfahrerin gerät unter einen Bus“), die Stadt | |
spendete genau elf Meter roten Radweg, der mitten auf der Kreuzung endet. | |
Die Verantwortlichen gehen mit Warnfarbe so sparsam um, als müssten sie mit | |
ihrem eigenen Blut die Wege markieren. Beim „Radschlag Düsseldorf“ | |
argumentierten Auto-Politiker kürzlich sehr apart mit dem Gewöhnungseffekt. | |
Male man alle Radwege an, sei die Warnfunktion dahin. | |
Sie sollten mal nach nebenan gucken. Radelt man aus Aachen ins | |
niederländische Grenzörtchen Vaals, ist schlagartig alles anderes: Statt | |
Löcherpisten lückenlos gute Radwege, auffällig leuchtend rot und: | |
abgetrennt mit deutlich durchgezogenen Linien. Und unbeparkt. Hier wird | |
sanktioniert, umgehend und mit 50 Euro aufwärts. Zweiräder werden in | |
Holland beachtet, als setze es schon auf zu enges Überholen | |
Untersuchungshaft. Auffällig: Hier fahren auch Wagen mit D-Schild | |
zivilisierter. | |
Verkehrspsychologe Schlag wünscht sich einen Rechtsanspruch auf Sicherheit. | |
„Saubere Luft kann man einklagen, wenn es auch kompliziert ist. Da gibt es | |
Grenzwerte. Warum nicht etwa bei Opferzahlen? Ist eine Kommune | |
unfallträchtig, muss sie umbauen oder bestimmte Wege für Autos sperren.“ | |
Wer könnte das veranlassen? „Das müsste von der EU kommen.“ Dahinter | |
könnten sich auch die feigen LokalpolitikerInnen verstecken: Tja, Brüssel, | |
müssen wir halt tun … | |
## Ein Grüner Pfeil? Aber nicht doch… | |
Fahren, wenn Autos nicht fahren, erhöht im Zweifelsfall die Sicherheit, | |
Ampelfarben hin oder her. Ein Grüner Pfeil zum Rechtsabbiegen nur für | |
Radler ist in Frankreich und Belgien üblich und erlaubt. Nicht so im | |
Geltungsbereich der deutschen Autoverkehrsordnung! Als ich in der | |
Fragestunde im Bezirksausschuss eine solche Abbiegeduldung für Aachen | |
anrege und ergänze, ich täte es bisweilen ohnehin, setzte es einen Rüffel: | |
Die Ausschussvorsitzende rügt, das sei widerrechtlich, vor allem: es seien | |
Kinder im Saal, ich möge doch bitte meine Vorbildfunktion beachten! | |
Die Eltern der Kids lachen nachher: Schon gut, ihre Töchter verstünden die | |
Problematik sehr gut. In einzelnen anderen Städten, etwa Köln und | |
Stuttgart, laufen derzeit Tests mit dem Grünen Pfeil für Pedaleure. Der | |
Fahrrad-Club ADFC fordert sie lange, auch die Gewerkschaft der Polizei ist | |
vorsichtig dafür, der ADAC skeptisch. | |
Neulich, ein Freitagabend: Die Critical-Mass-Tour mit fast 200 Rädern | |
schlängelt sich durch die Stadt, von Ghostbike zu Ghostbike für die Opfer. | |
Critical Mass heißt: Eine Gruppe von mindestens 16 Rädern (§27 | |
Straßenverkehrsordnung) darf sich auf der Straße statt auf dem Radweg | |
bewegen, als wäre man ein Fahrzeug. Fährt der erste an der Ampel bei Grün, | |
darf der ganze Verband queren, auch bei Rot. „Wunderbar. Wie ein Ausflug | |
ins Paradies“, sagt eine. | |
Der Alltag in Aachen ist schnell zurück. Sonntag, zwei Tage danach: Eine | |
Radfahrerin wird auf einer Kreuzung umgefahren, das Auto hatte Rot. Montag: | |
ein schwerverletzter Radler, beim Abbiegen übersehen. Mittwoch: | |
Rennradfahrer übersehen, Notarzt, Krankenhaus. Gleicher Tag, gleiche Zeit: | |
Messwert Wilhelmstraße Innenstadt 121 Milligramm Stickstoffdioxid pro | |
Kubikmeter statt des Grenzwertes 40. Atemmasken fehlen. Ein Radstreifen ist | |
aufgepinselt. | |
23 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Abbiegeassistenten-fuer-Lkw/!5574115 | |
## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
## TAGS | |
Fahrrad | |
Verkehr | |
Aachen | |
Lastenrad | |
Volksentscheid Fahrrad | |
Versicherung | |
Fahrrad | |
New York City | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Verkehr | |
Verkehr | |
Lkw-Abbiegeassistenten | |
Fahrrad | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Lastenräder als Alternative zu LKW: Pakete könnten abgasfrei kommen | |
Online-Handel und Lieferverkehr sorgen für verstopfte Straßen und | |
gefährliche Situationen. Dabei gibt es Konzepte für umweltverträglichen | |
Transport. | |
Erfolgreicher Radentscheid in Aachen: Rückenwind für Radverkehr | |
AktivistInnen in Aachen haben den erfolgreichsten Radentscheid Deutschlands | |
auf die Beine gestellt. Sie fordern bessere und sichere Wege. | |
Ende einer Versicherungsmarke: Adieu, AachenMünchener! | |
Am Montag wird der altehrwüdige Versicherungsname liquidiert. Die Stadt | |
Aachen hat einen Werbefaktor weniger. | |
Zu viel Verkehr: „Heute quert man vier Spuren“ | |
Ältere Menschen fühlen sich im Straßenverkehr nicht mehr wohl, warnt | |
Sozialverbands-Chef Klaus Wicher. Das Problem: Es ist zu voll. | |
Pkw-Maut für New Yorks Innenstadt: Straßen verschwinden hinter Paywall | |
New York führt als erste US-Großstadt eine Automaut ein. Umweltpolitisch | |
ist das vorbildhaft. Doch ärmere Pendler*innen werden unter ihr leiden. | |
Arbeitsgruppe zu Klimaschutz im Verkehr: Auf Kollisionskurs | |
Die Meinungen und Vorschläge der Arbeitsgruppe liegen weit voneinander | |
entfernt. Überall, wo es wehtut, wird stark gerungen. | |
Kolumne Fremd und befremdlich: Der Witz des Tages | |
David Erkalp von der Hamburger CDU hat sich zu der Idee geäußert, in der | |
Hamburger Innenstadt acht Straßen zu sperren. Danke, David Erkalp! | |
Mobilität von morgen: Raum für neue Playerinnen | |
Stadtplanerinnen wollen das Beste aus der Fahrrad- und der Autowelt | |
vereinen. Spannend ist, was Branchenfremden dazu einfällt. | |
Abbiegeassistenten für Lkw: Im toten Winkel | |
Obwohl Abbiegeassistenten das Leben von Radfahrern retten könnten, werden | |
sie nicht verpflichtend in Lkws eingebaut. Warum? | |
Fahrradfahren in der Stadt: Dass ich überhaupt noch lebe! | |
Der Verkehr in den Großstädten ist für Autos gemacht, nicht für Fahrräder. | |
Wer trotzdem Fahrrad fährt, lebt in Angst. |