# taz.de -- Pkw-Maut für New Yorks Innenstadt: Straßen verschwinden hinter Pa… | |
> New York führt als erste US-Großstadt eine Automaut ein. Umweltpolitisch | |
> ist das vorbildhaft. Doch ärmere Pendler*innen werden unter ihr leiden. | |
Bild: 80 Prozent des Mautgeldes bleiben in New York City selbst | |
Drei Kugeln Erdbeereis in Brooklyn kosten sieben Dollar. Das sind ein | |
bisschen mehr als sechs Euro. Für moderne Kunst im Guggenheim-Museum zahlt | |
man 25 Dollar – nur zum Angucken, versteht sich. New York muss man sich | |
leisten können. Ende 2020 kommt auch noch eine Automobilmaut für | |
ausgesuchte Straßen Manhattans hinzu. Das hat die New York State Assembly, | |
die Legislative des Bundesstaats, am Wochenende beschlossen. Über die | |
genaue Höhe der Abgabe wird noch beraten, im Gespräch sind 12 Dollar, also | |
fünf Bällchen Eis oder ein halber Blick auf einen Kandinsky. Gouverneur | |
Andrew Cuomo von den Demokraten ist begeistert: „Das ist die schlaueste | |
Idee für Stadtentwicklung“, sagte er. Die New York Times findet die Paywall | |
für die Straße „bahnbrechend.“ | |
Das Geld, das Autofahrer*innen abgeknöpft wird, soll in den | |
hochverschuldeten öffentlichen Nahverkehr investiert werden: Milliarden für | |
New Yorks ächzende U-Bahn. Weniger Autos, bessere Waggons, das ist gut für | |
die Umwelt, die Gesundheit und die Verkehrssicherheit. Auch Uber freut | |
sich. Der Chauffeurservice wird die Maut zwar auch zahlen müssen, aber er | |
legt sie auf die Fahrpreise um. | |
Allerdings droht die Maut zunächst eine bestimmte Gruppe zu belasten: | |
Pendler*innen, genauer gesagt ärmere Pendler*innen aus den Vororten. | |
Senator Bob Menendez aus New Jersey kritisierte prompt, die Maut sei unfair | |
gegenüber Fahrer*innen aus seinem Staat. „Wir bezahlen schon genug, um nach | |
Manhattan zu kommen“, schrieb der Demokrat auf Twitter. | |
In der Tat ist der innerstädtische Wegzoll nicht der einzige für die | |
Landbevölkerung. Wer die Verrazzano-Narrows-Brücke nach Staten Island | |
nimmt, muss bis zu 19 Dollar zahlen. Der Mindestlohn in New York liegt bei | |
15 Dollar. Die erste Stunde arbeiten manche Pendler*innen in New York also | |
umsonst. Viele von ihnen sind auf ihr Auto angewiesen, die Infrastruktur in | |
den Suburbs ist längst nicht ausreichend. | |
Allerdings soll ein Teil der Einnahmen aus dem „Congestion Pricing“ (etwa: | |
Verstopfungstarif) auch in den Ausbau von Regionalzügen gesteckt werden. | |
Jeweils 10 Prozent werden zugunsten der Long Island Railroad im Osten und | |
der Metro-North Railroad ausgegeben. Demgegenüber bleiben 80 Prozent des | |
Mautgeldes in New York City selbst – dieser Anteil soll an die U-Bahn | |
gehen, wie übrigens auch die Einnahmen aus einer neuen Luxusvillen-Steuer. | |
Andernorts ist eine Antistau-Abgabe bereits eingeführt worden, etwa in | |
London, Stockholm oder Singapur. Derweil ringen in Deutschland | |
Umweltverbände, Städte und Dieselbesitzer*innen um [1][das Politikum | |
Dieselfahrverbote]. Der Blick nach New York zeigt: Es ist kein politisches | |
Husarenstück mehr, ökologisch sinnvolle Ideen auch tatsächlich zu | |
implementieren. 2019 hat wirklich Lust auf Nachhaltigkeit (neben zu vielen | |
Fahrzeugen in der Stadt verbannt der Staat New York auch gleich | |
Einweg-Plastiktüten). | |
Zugleich lässt sich an der amerikanischen Ostküste beobachten, was auch | |
hierzulande ein Problem darstellt: Umweltpolitische Maßnahmen gefährden | |
vielfach zunächst einmal wirtschaftlich und geografisch schlechter | |
gestellte Menschen. Dörfler werden ausgeschlossen: vom Arbeitsmarkt, von | |
sozialer Teilhabe, von Erdbeereis in Brooklyn (oder Frankfurt). Die | |
freitäglich demonstrierenden Umweltaktivist*innen haben vollkommen recht, | |
wenn sie darauf hinweisen, dass die Klimarettung entbehrungsreich wird. Das | |
sollte jedoch nicht da beginnen, wo die ohnehin schon Benachteiligten noch | |
mehr belastet werden. | |
3 Apr 2019 | |
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[1] /Verkehrsminister-zu-Diesel-Fahrverboten/!5570077 | |
## AUTOREN | |
Finn Holitzka | |
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