| # taz.de -- Verkehrspolitik am Beispiel Aachen: Rad ab | |
| > Wie eine Stadt mit dem Verkehrsinfarkt umgeht: Inkompetent, feige – und | |
| > selbst bei Rad-Vorrang-Routen immer dem Götzen Auto zu Diensten. | |
| Bild: Hier starb im Februar Madeleine B. Ein weißes Rad erinnert an den Unfall | |
| Aachen taz | „Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Das ist ja völlig | |
| verrückt. Und so was in unserem schönen Aachen.“ Die CDU-Vorsitzende des | |
| Bezirksausschusses Mitte steigt entsetzt vom Sattel, als wir den nächsten | |
| grotesken Radwegabschnitt in der Innenstadt queren. Der markierte Weg | |
| endet, bei vorbeibrausendem Autoverkehr, abrupt vor einer Warnbarke. Sie | |
| schiebt. „Das ist mir zu gefährlich.“ | |
| Acht Mitglieder aus dem 19-köpfigen Gremium sind meiner Einladung gefolgt, | |
| eine Radtour durch Aachen zu machen. Um unmittelbar zu erleben, welch | |
| unsinnige und teils lebensgefährliche Radwege angelegt sind. Wenn es welche | |
| gibt. | |
| Wir strampeln weiter, über unübersichtliche Pisten mit jahrzehntealten | |
| Schlaglöchern und wackelndem Gestein, über Radwege, die wie ein Trichter | |
| verschlankend in eine vielbefahrene Fahrspur übergehen, die in einer | |
| Bushaltestelle enden oder ansatzlos in einer Rechtsabbiegespur für Autos. | |
| Fotografien all dieser Stellen würde sich der Leibhaftige hohnlachend als | |
| Patchwork des Horrors ins Wohnzimmer hängen. | |
| Vor einer Ampel ist ein Sozialdemokrat fassungslos: „Hier überkreuzen sich | |
| bei Grün ja zwei Radwege. Das ist“, er ringt nach Worten, „wie | |
| Hilfestellung zum Unfall. Wer denkt sich so was aus?“ Niemand antwortet. | |
| Am Ende zählen wir durch: Alle sind durchgekommen. „Puuuh“, sagt die | |
| CDU-Frau. | |
| ## Madeleine B., vom Sattelschlepper getötet | |
| Die Radtour mit den politisch Mitverantwortlichen hat es nie gegeben. Es | |
| sollte sie geben, nur: auf meine Einladung reagierte zunächst niemand; erst | |
| auf Nachfrage, ob man Angst habe vor Unfall oder vor Blamage, antworteten | |
| genau zwei. Der junge Mann von den Piraten schrieb, er sei sich als | |
| passionierter Radler der „Unzulänglichkeiten der Radverkehrsinfrastruktur | |
| durchaus bewusst“. Der Abgeordnete der Linken meldete, dass er „vom | |
| Naturell her ungern Fahrrad fahre“. Ein Blick auf sein Bild: So dick ist er | |
| gar nicht. Vielleicht heißt Naturell: Überlebenslust statt Hasardeurtum. | |
| Am 12. Februar wurde mitten auf einem Radweg eine 53-jährige Psychologin | |
| von einem rechts abbiegenden Sattelschlepper getötet. Die Polizei sprach | |
| von „Kollision mit einem Lkw“. Madeleine B. war Aachens viertes Radopfer | |
| binnen gut zwei Jahren. [1][Einen Abbiegeassistenten], der hätte warnen | |
| können, hatte der Kipper nicht. Ist ja auch kein Muss. | |
| Madeleine B.’s Leben endete auf einem abgestrichelten | |
| Radsicherheitsstreifen. Die sind beliebt, weil schnell gepinselt, preiswert | |
| und weil sie Fürsorglichkeit vorgaukeln. Nur: Radsicherheitsstreifen führen | |
| oft direkt längs parkender Automobile. Geht eine Tür abrupt auf, ist man | |
| schnell Dooring-Opfer. Fährt man zur Sicherheit weiter links, spürt man | |
| die Wut der Automobilisten schon bevor sie hupen. Dann quetschen sie sich | |
| vorbei, um schneller die nächste rote Ampel zu erreichen. In Flandern | |
| heißen diese Radsicherheitsstreifen Moordstrookje: Todesstreifchen. | |
| Moordstrookje wurde dort zum Wort des Jahres 2018 gekürt. | |
| ## Der Verkehrspsychologe, dessen Vorschläge verhallen | |
| Bernhard Schlag, 68, Seniorprofessor für Verkehrspsychologie an der TU | |
| Dresden, ist Aachener. Die Dauerfehde zwischen Zwei- und Vierrädern sei | |
| „ein klassischer Ressourcenkonflikt“, sagt er, befeuert durch „gegenseiti… | |
| falsche Wahrnehmungen, weil jeder den anderen verdächtigt, ihm Räume | |
| wegzunehmen“. Folge: Neid, Stress, Aggression. „Der Staat hat die Pflicht, | |
| Verkehre sicher zu gestalten, verantwortungsvoll an die Geschwindigkeit der | |
| langsameren Verkehrsteilnehmer angepasst.“ | |
| Schlag publizierte schon 2010 die Idee, innerorts höchstens Tempo 30 zu | |
| erlauben („selbst das kann noch zu viel sein“) und Tempo 50 nur, sofern ein | |
| ausgebauter, abgetrennter Radweg angelegt ist. „Wir brauchen eine Umkehrung | |
| der Beweislast. Eine verantwortungsbewusste Stadt muss erst belegen, dass | |
| eine Straße sicher genug ist für mehr als Tempo 30.“ | |
| Der Verkehrssicherheitsrat, erzählt Schlag, sei damals sehr interessiert | |
| gewesen. Aber: „Umgesetzt hat die Idee niemand.“ Warum? „Politik hat immer | |
| Angst vor Gegenwehr, weil jede neue Regel als Einschränkung interpretiert | |
| wird. Verwaltungen sind oft beratungsresistent, auch da herrschen Bedenken | |
| und Angst vor Veränderungen.“ Fazit: „So kommt nichts in die Gänge.“ | |
| ## Die Stadt, die 3,40 Euro in den Radverkehr investiert | |
| In Deutschland investieren die Kommunen meist weniger als fünf Euro pro | |
| Kopf pro Jahr in die Radinfrastruktur (Aachen 3,40 Euro). In Kopenhagen | |
| sind es 35, im niederländischen Venlo waren es zuletzt 60. In Deutschland | |
| starben 2018 fast 450 RadfahrerInnen, das ist jeder siebte Verkehrstote. | |
| Die Zahl stieg um 13 Prozent. Aachen muss bei verunglückten RadfahrerInnen | |
| 22 Prozent Plus vermelden. | |
| Die Städte gehören längst nicht mehr den BewohnerInnen. Fußgänger oder | |
| Zweiradfahrer sind nur Hindernisse des lärmenden und stinkenden Blechs. | |
| Viele AachenerInnen sagen: Vom Naturell her würde ich ja sehr gern Rad | |
| fahren. Aber auf diesen Straßen? Bei dem Autoverkehr? Ich bin doch nicht | |
| lebensmüde! Sie haben völlig recht. Sicherlich braucht man vielerwegs Mut | |
| und eiserne Nerven. Sicher ist auch: Gäbe es eigene Radtrassen, viele Autos | |
| blieben in den Garagen. | |
| Bernhard Schlags Wunsch: „Autofahrer müssen lernen, dass sie Gast sind in | |
| den Städten. Und dass das nicht das eigene Biotop ist.“ | |
| Die Viertelmillionenstadt Aachen ist hügelig und fast überall eng. Der | |
| Stress radelt immer mit. Stets muss man unmittelbar auf alles gefasst sein, | |
| Hände auf der Bremse, die Fahrigkeit der Autofahrer immer mitdenkend. | |
| Schlechte Voraussetzungen für boomenden Radverkehr; umso mehr müsste die | |
| Stadt tun. Sie redet auch seit Jahrzehnten von Anreizen und Verkehrswende. | |
| Doch Reden fruchtet nicht. | |
| ## Radwege, die als Zwischenablage dienen | |
| Die existierenden Radwege scheinen nur angelegt, um Dritten zu dienen: als | |
| Zwischenablage für Mülltonnen und Straßenschnee, als Zwischenparkplätze | |
| sowieso und als Habitate von Verkehrsschildern, Laternen, Bushäuschen und | |
| Stromkästen. RadlerInnen in Aachen machen seit Jahren elf Prozent des | |
| Verkehrs aus – in gleichgroßen Unistädten sind es 34 Prozent (Freiburg) und | |
| 38 (Münster). | |
| Typisch in Aachen sind vierspurige Straßen mit schmalen Bürgersteigen, die | |
| zudem oft beparkt werden. Und da will man mehr von diesem Störenfried | |
| Radverkehr zwischenquetschen? Und wenn, werden Radwegstücke gestrichelt. | |
| Das gilt nur als Bitte freizuhalten, ist also fast sinnlos: Wenn, bremsten | |
| nur durchgezogene Linien die Autolenker aus. Und selbst neue Ummarkierungen | |
| gibt es nur, so ein Verwaltungspapier, wenn „die Spitzenbelastungen des | |
| Kfz-Aufkommens dies zulassen“. Das ist Kotau, keine Wende. | |
| Aachen ist stolz zertifizierte „EU-Klimaschutzkommune“, dazu Mitglied der | |
| „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Städte und Kreise in NRW“ – und, | |
| wie viele andere Städte, in erster Instanz zu Dieselfahrverboten | |
| verurteilt. Aachen hat Rechtsmittel eingelegt. Im Sommer entscheidet das | |
| Oberverwaltungsgericht. Bis dahin gilt es „Hausaufgaben zu machen“, wie man | |
| das putzig nennt. Grenzwerte sollen anders unterschritten werden: Appelle | |
| zum Radeln, Autofasten-Vorschläge oder die finanzielle Unterstützung des | |
| privaten Velocity-Leihnetzes für Pedelecs. | |
| ## „Radvorrangrouten“, die im Abseits versteckt liegen | |
| Oder eine bis 2030 geplante Radvorrangroute. Diese wurde jetzt vorgestellt: | |
| Sie besteht aus zehn Planstrecken von Außenbezirken Richtung City, meist | |
| über Nebenstrecken. Keine Autopiste wird angetastet. Radler werden im | |
| Abseits versteckt und stören das Gerase nicht mehr. Parkplätze aufgeben? | |
| Gehe oftmals nicht wegen der Bäume zwischen den Parkbuchten, schulterzuckt | |
| ein Stadtbediensteter. Für die enge, verstopfte Innenstadt gibt es | |
| überhaupt noch keine Lösung. | |
| Oder: E-Busse. Die sind seit Jahren avisiert. Nur: Niemand liefert sie. Die | |
| deutsche Autoindustrie hat auch hier den Gong nicht gehört. Und mit | |
| Zulieferern aus anderen Ländern haben Niederländer und Belgier schon längst | |
| Lieferverträge. | |
| Man könnte auch die lächerlichen Parkgebühren erhöhen, derzeit ein Viertel | |
| verglichen mit dem angenehm autobefreiten Maastricht nebenan. Die | |
| Verwaltung schlug neulich zwei Euro pro halbe Stunde vor. Empörung | |
| allerorten. Die CDU argumentierte, dann zahle keiner mehr, weil | |
| Verwarnungsgelder kaum noch teurer sind. | |
| Wahrscheinlich hat sie sogar recht. In Holland kostet Falschparken zwischen | |
| 50 und 140 Euro, bei uns bekommen „Parksünder“ für schlanke 10 Euro ihre | |
| Absolution. Aachens FDP hatte eine besonders bizarre Idee: Gebühren in den | |
| Parkhäusern runter. Dann gäbe es weniger Parkplatzsuchverkehr. | |
| ## Zwei Parkplätze gegen 300 Meter Radschutzstreifen | |
| Homo Blech regiert. Wie passend, dass der Vorsitzende des Aachener | |
| Mobilitätsausschusses auch noch Ferrari heißt. Aber gut, Achim Ferrari von | |
| den Grünen tut, was er kann. Aachens Grüne, bis 2013 mit der CDU in der | |
| Mehrheit, verantworten allerdings auch Rechtsbruch – für heiligen Parkraum, | |
| gegen Sicherheit und Inklusion. Parken ist laut Straßenverkehrsordnung vor | |
| abgesenkten Bordsteinen (§ 12, Abs. 3.5) verboten. In der Zollernstraße | |
| wurden genau an einer solchen Stelle zwei neue Parkplätze ausgewiesen. Für | |
| 300 Meter neuer Radschutzstreifen, so ein grüner Stadtrat lapidar, sei das | |
| eben der Preis gewesen. Radler bekamen dafür eine bizarre und gefährliche | |
| S-Kurve. | |
| Aktueller Tiefpunkt ist die innenstadtnahe Lothringer Straße, Teil der | |
| ersten geplanten Radvorrangroute, die laut Stadt „neue Maßstäbe setzen | |
| sollen“. Für den Umbau legte die Verwaltung im Februar vorgabenwidrig Pläne | |
| mit einer so grotesken Wegführung vor (inklusive Parkbegleitflächen neben | |
| dem anliegenden Parkhaus), dass das Gelächter so groß war, als wolle | |
| Viertligist Alemannia in fünf Jahren Champions League spielen wollen. Sogar | |
| die automane Politik sagte unisono: bitte nachbessern. | |
| Der Vorschlag war so absurd, dass den Verwaltungsbediensteten, unter denen | |
| man einige Radfreunde wähnt, schon unterstellt wird, sie hätten diesen | |
| Entwurf mit Kalkül unterbreitet. Damit vor allem fassungslose Radler das | |
| Heft des Protests in der Hand halten. Sonst ist es immer umgekehrt: Soll | |
| auch nur ein Parkplatz wegfallen, heulen CDU, FDP und Einzelhandel um die | |
| Wette. | |
| So wie 1989, kaum dass erstmalig Rot-Grün das Sagen bekam: Da machte Aachen | |
| Teile der City dicht. „Autofreie Innenstadt“ hieß das, wurde bundesweit | |
| bestaunt, war eine Wohltat für Zweiräder und Flaneure – und wurde nach | |
| wenigen Monaten auf Druck der Händlerlobby gekippt. „Aachen ist nicht mehr | |
| erreichbar, die Kunden bleiben weg …“, heißt es da. | |
| ## Baustellen, bei denen Radler vergessen werden | |
| Der Adalbertsteinweg, eine der meistbefahrenen Einfahrtschleusen in Aachens | |
| Talkessel, wird ab Ende März monatelang auf gut einen halben Kilometer | |
| Länge aufgerissen wegen der Komplettsanierung unterirdischer Leitungen. | |
| Pressekonferenz vor Ort, wie das mit dem Verkehr so laufen soll: Alles wird | |
| haarklein erklärt, tolle Pläne und Handouts gibt es, eine drei Meter lange | |
| Planskizze wird ausgerollt. Es fallen Begriffe wie gravierende | |
| Gegenverkehrssituation, Lieferverkehr-Ladezonenverlagerung, | |
| Ampelmanagement, Staugefahrverringerung. | |
| Und Fahrräder? Betretenes Schweigen. Ja, wie immer, sagt dann die Leiterin | |
| der Verkehrsbehörde. Bitte, eine einzige Spur für Busse, Pkw, Lkw und | |
| Zweiräder? Na ja, es werde halt „schon mal enger.“ Vielleicht sollten Räd… | |
| anderswo fahren, merkt ein Mitarbeiter auf, er will eine | |
| Umleitungsempfehlung aufhängen. Oder schieben, heißt es. Radabgang statt | |
| Radvorrang. | |
| Radverkehr ist in den Köpfen oft gar nicht existent. Sackgassen-Schilder | |
| sind meist nur Hinweise für Autos, ein kleiner Aufkleber (Rad- und | |
| Fußverkehr frei) könnte helfen. Es gibt ihn nur selten. Zu einer neuen | |
| Baustelle steht in der städtischen Mitteilung: „Für die Dauer ist die | |
| Strecke komplett für den Verkehr gesperrt.“ Fragt man nach, ob „komplett“ | |
| auch für Fußgänger und Radler gelte, kommt fast immer: Äh, die müssten | |
| durchkommen können… Verkehr und Autos sind Synonyme. | |
| Verkehrspsychologe Schlag hält „neue Akteure“ jenseits von Politik und | |
| Verwaltung für „sehr hilfreich, wenn sich etwas ändern soll“. So wie die | |
| Umwelthilfe oder den ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland, „die | |
| treiben Verantwortliche vor sich her.“ Vor allem setzt er auf | |
| Bürgerbegehren, „die ein positives Narrativ aufbauen können für attraktive | |
| Veränderungen“. | |
| Auch in Aachen soll jetzt, wie vielerorts, ein Bürgerentscheid Abhilfe | |
| schaffen. Vorbild ist der Erfolg der Berliner Initiative Volksentscheid | |
| Fahrrad. Gefordert ist „ein schlüssiges, sicheres und flächendeckendes | |
| Radkonzept, das zügig umgesetzt wird“. Es müsse Schluss sein, sich nur „a… | |
| lebende Luftfilter durch die Straßen zu bewegen“. Im April soll es | |
| losgehen. | |
| Nach Madeleine B.’s Todesfahrt hat die Stadt Sofortmaßnahmen angeordnet. | |
| Die rote Markierung, die sinnfrei auf ihrem Todesstreifchen mittenmang | |
| endete (genau da bog der Lkw ab), wurde ein Stück verlängert. Zudem | |
| bekommen Radler an dieser Kreuzung demnächst fünf Sekunden früher grün. | |
| Aber nur hier, nicht an ähnlich gefährlichen Stellen. Aufgesattelt wird das | |
| Eingeständnis des Scheiterns: Ängstliche Pedaleure dürfen hier auch den | |
| Fußweg befahren. | |
| ## Elf Meter roter Radweg für den Tod einer jungen Frau | |
| Für jeden Tropfen auf den heißen Stein muss es erst Tote geben. Vor 20 | |
| Jahren starb ein kleiner Junge bei Grün auf seinem Rad an einer Kreuzung, | |
| die Ampelschaltung wurde getrennt. Ein Radler wurde 2016 an einer | |
| Vorfahrtstraße umgenietet, Folge: Stopp-Schild, rote Farbe auf ein paar | |
| Metern und eine Bodenwelle – wohl weil man dem Stopp-Schild nicht traut. | |
| Kontrollen? Keine. 2017 überfuhr ein Bus eine junge Frau beim | |
| Rechtsabbiegen (Polizei: „Radfahrerin gerät unter einen Bus“), die Stadt | |
| spendete genau elf Meter roten Radweg, der mitten auf der Kreuzung endet. | |
| Die Verantwortlichen gehen mit Warnfarbe so sparsam um, als müssten sie mit | |
| ihrem eigenen Blut die Wege markieren. Beim „Radschlag Düsseldorf“ | |
| argumentierten Auto-Politiker kürzlich sehr apart mit dem Gewöhnungseffekt. | |
| Male man alle Radwege an, sei die Warnfunktion dahin. | |
| Sie sollten mal nach nebenan gucken. Radelt man aus Aachen ins | |
| niederländische Grenzörtchen Vaals, ist schlagartig alles anderes: Statt | |
| Löcherpisten lückenlos gute Radwege, auffällig leuchtend rot und: | |
| abgetrennt mit deutlich durchgezogenen Linien. Und unbeparkt. Hier wird | |
| sanktioniert, umgehend und mit 50 Euro aufwärts. Zweiräder werden in | |
| Holland beachtet, als setze es schon auf zu enges Überholen | |
| Untersuchungshaft. Auffällig: Hier fahren auch Wagen mit D-Schild | |
| zivilisierter. | |
| Verkehrspsychologe Schlag wünscht sich einen Rechtsanspruch auf Sicherheit. | |
| „Saubere Luft kann man einklagen, wenn es auch kompliziert ist. Da gibt es | |
| Grenzwerte. Warum nicht etwa bei Opferzahlen? Ist eine Kommune | |
| unfallträchtig, muss sie umbauen oder bestimmte Wege für Autos sperren.“ | |
| Wer könnte das veranlassen? „Das müsste von der EU kommen.“ Dahinter | |
| könnten sich auch die feigen LokalpolitikerInnen verstecken: Tja, Brüssel, | |
| müssen wir halt tun … | |
| ## Ein Grüner Pfeil? Aber nicht doch… | |
| Fahren, wenn Autos nicht fahren, erhöht im Zweifelsfall die Sicherheit, | |
| Ampelfarben hin oder her. Ein Grüner Pfeil zum Rechtsabbiegen nur für | |
| Radler ist in Frankreich und Belgien üblich und erlaubt. Nicht so im | |
| Geltungsbereich der deutschen Autoverkehrsordnung! Als ich in der | |
| Fragestunde im Bezirksausschuss eine solche Abbiegeduldung für Aachen | |
| anrege und ergänze, ich täte es bisweilen ohnehin, setzte es einen Rüffel: | |
| Die Ausschussvorsitzende rügt, das sei widerrechtlich, vor allem: es seien | |
| Kinder im Saal, ich möge doch bitte meine Vorbildfunktion beachten! | |
| Die Eltern der Kids lachen nachher: Schon gut, ihre Töchter verstünden die | |
| Problematik sehr gut. In einzelnen anderen Städten, etwa Köln und | |
| Stuttgart, laufen derzeit Tests mit dem Grünen Pfeil für Pedaleure. Der | |
| Fahrrad-Club ADFC fordert sie lange, auch die Gewerkschaft der Polizei ist | |
| vorsichtig dafür, der ADAC skeptisch. | |
| Neulich, ein Freitagabend: Die Critical-Mass-Tour mit fast 200 Rädern | |
| schlängelt sich durch die Stadt, von Ghostbike zu Ghostbike für die Opfer. | |
| Critical Mass heißt: Eine Gruppe von mindestens 16 Rädern (§27 | |
| Straßenverkehrsordnung) darf sich auf der Straße statt auf dem Radweg | |
| bewegen, als wäre man ein Fahrzeug. Fährt der erste an der Ampel bei Grün, | |
| darf der ganze Verband queren, auch bei Rot. „Wunderbar. Wie ein Ausflug | |
| ins Paradies“, sagt eine. | |
| Der Alltag in Aachen ist schnell zurück. Sonntag, zwei Tage danach: Eine | |
| Radfahrerin wird auf einer Kreuzung umgefahren, das Auto hatte Rot. Montag: | |
| ein schwerverletzter Radler, beim Abbiegen übersehen. Mittwoch: | |
| Rennradfahrer übersehen, Notarzt, Krankenhaus. Gleicher Tag, gleiche Zeit: | |
| Messwert Wilhelmstraße Innenstadt 121 Milligramm Stickstoffdioxid pro | |
| Kubikmeter statt des Grenzwertes 40. Atemmasken fehlen. Ein Radstreifen ist | |
| aufgepinselt. | |
| 23 Mar 2019 | |
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| Bernd Müllender | |
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