# taz.de -- Verhandlungen über neues Stammhaus: Ein Bau-Denkmal für Kühne | |
> Der groß dimensionierte Neubau von Kühne+Nagel an der Kaisenbrücke stößt | |
> auf Kritik – nicht nur wegen dessen unaufgearbeiteter NS-Vergangenheit | |
Bild: Soll einem repräsentativen Neubau weichen: Kühne+Nagel-Stammhaus in Bre… | |
BREMEN taz | Klaus-Michael Kühne ist kein Typ fürs Kleckern, er klotzt: 26 | |
Millionen Euro ist dem Großspediteur der Neubau seines Bremer Stammhauses | |
an der Kaisenbrücke wert. Immerhin arbeiten in Bremen so viele Leute für | |
ihn, wie er weltweit Niederlassungen hat: 1.000. Eine bis anderthalb dieser | |
Millionen zahlt Kühne an die Stadt, um das Gebäude auf Kosten des davor | |
liegenden öffentlichen Platzes zu vergrößern. | |
Vor dem „August-Kühne-Haus“, benannt nach dem Großvaters des heutigen | |
Mehrheitsaktionärs, sind Bauarbeiter bereits damit beschäftigt, | |
Bodenplatten abzuräumen: Sie suchen nach nicht-kartierten Leitungen, damit | |
die Bauplanung konkretisiert werden kann. Das vorhandene 60er- | |
Jahre-Gebäude einfach nur zu ertüchtigen, wie ursprünglich überlegt, ist | |
Kühne nun offenbar zu wenig. Vordergründig ist von Problemen mit der | |
Fassade und den Wasserleitungen die Rede, im Kern geht es jedoch um den | |
großen Aufschlag: „Der Unternehmer hat eben ein emotionales Verhältnis zum | |
Standort“, erklärt Uwe Bielang, Kühnes Regionalleiter für Norddeutschland. | |
Emotionen gibt es allerdings auch bei anderen: „Der Beirat wurde sehr spät | |
informiert“, kritisiert dessen Sprecher Michael Rüppel. Genau genommen habe | |
er erst aus der Zeitung von dem Vorhaben erfahren. Gilt die Angelegenheit | |
ein paar Etagen höher bereits als abgemacht? „Der Bausenator hat die Pläne | |
schon durchgewunken“, behauptete Kühne bei seiner Jubiläumsfeier auf dem | |
Markt – was dessen Sprecher auf Nachfrage jedoch deutlich anders darstellt: | |
Zunächst müsse ohnehin ein Bebauungsplan erstellt werden. | |
Senatsbaudirektorin Iris Reuther spricht immerhin bereits von „einem | |
starken Zeichen“, das der Neubau als Tor zur Altstadt setzen werde. | |
Das „Zeichenhafte“ kann man allerdings auch anders als architektonisch | |
interpretieren. „Herr Kühne hat offenbar ein besonderes persönliches | |
Interesse, sich hier ein Denkmal zu setzen“, sagt Rüppel. Er findet den | |
Entwurf schlicht „zu dominant“. Dabei handelt es sich schon um ein etwas | |
abgespecktes Modell: Anfang des Jahres hatte Kühne noch einen Elfstöcker | |
angekündigt. Doch auch mit der nun vorgesehenen Firsthöhe von 40 Metern | |
werden die Domtürme – von der Weser her gesehen – vollends verdeckt. | |
Immerhin hat der Beirat dem Architekten ein paar Fassaden-Arkaden | |
abgetrotzt. Doch nicht nur der bisherige Platz, auf dem drei große Platanen | |
und eine Linde stehen, soll komplett überbaut werden – sogar die vordere | |
Verkehrsinsel der Kaisenbrücke verschwindet. Die dann fehlende | |
Rechtsabbieger-Spur sei jedoch zu verschmerzen, sagt das Verkehrsressort. | |
Warum gibt es an dieser ausgesprochen prominenten Stelle keinen | |
Architekten-Wettbewerb? „Mit diesem Ansinnen sind wir leider gescheitert“, | |
sagt der Sprecher des Bauressorts. Kühne persönlich habe einen Wettbewerb | |
„kategorisch ausgeschlossen“. Eine Koppelung des Verkaufs an eine | |
Ausschreibung hält das Ressort für nicht praktikabel. | |
Wenigstens habe man dem Unternehmer die Zustimmung zu einem | |
„Gestaltungsbeirat“ abgerungen, der auf den vorhandenen Entwurf noch | |
einwirken könne. Das Modell der Architektin Anja Meding vom Hamburger Büro | |
MPP besteht aus drei verbundenen Baukörpern, die im Vergleich zum aktuellen | |
Gebäude um 90 Grad gedreht sind: Der so entstehende Querriegel ragt bis | |
unmittelbar an die Brücken-Kreuzung. | |
taz-Informationen zufolge will sich Bausenator Lohse im Senat für einen | |
politisch-moralischen Aspekt starkmachen: Dem Unternehmen solle bei den | |
Verkaufsverhandlungen nahegelegt werden, einen unabhängigen Historiker mit | |
der Erforschung seiner NS-Geschichte zu beauftragen. Dessen Ergebnisse | |
sollten sich dann gegebenenfalls auch am Gebäude widerspiegeln, etwa in | |
Gestalt einer Gedenktafel. Kühne+Nagel führte unter anderem das komplette | |
Eigentum der aus Westeuropa deportierten jüdischen Bevölkerung der | |
„Verwertung“, beispielsweise auf „Judenauktionen“, zu. | |
24 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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