# taz.de -- Verhältnis zwischen VAE und Israel: Dominostein zum Frieden | |
> Die Annäherung zwischen Abu Dhabi und Jerusalem könnte eine regionale | |
> Lösung der Konflikte in Nahost zurück auf die Tagesordnung bringen. | |
Bild: Die Beleuchtung eines Gebäudes in Tel Aviv in den Farben der Flagge der … | |
Zweimal in zehn Tagen leuchte das Rathaus von Tel Aviv zuletzt in den | |
Farben arabischer Staaten: Nachdem Anfang August eine gewaltige Explosion | |
die Innenstadt Beiruts verwüstet hatte, war es das Rot-Weiß der | |
libanesischen Fahne mit der grünen Zeder – als Ausdruck der Solidarität mit | |
den Betroffenen. Mitte des Monats dann strahlte das Gebäude im | |
Schwarz-Weiß-Rot der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Der Grund: Unter | |
Vermittlung der USA hatten Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und | |
der Thronfolger der Emirate, Mohammed bin Zayid Al Nahyan, eine | |
[1][Absichtserklärung unterzeichnet, diplomatische Beziehungen zwischen den | |
beiden Staaten aufzunehmen]. | |
Dass die Stadtverwaltung aus diesen Anlässen das Rathaus anstrahlen ließ, | |
sind symbolische Akte, mehr nicht, sicherlich. Doch noch vor wenigen Wochen | |
wäre das unvorstellbar gewesen, insbesondere mit Blick auf den Libanon, | |
dessen Regierung von der Hisbollah kontrolliert wird, Irans | |
Stellvertreterarmee an den Grenzen zu Israel. Seit dem Krieg mit der | |
schiitischen Parteimiliz Hassan Nasrallahs 2006 ist kaum ein Sommer | |
vergangen, an dem auf beiden Seiten der nach dem Waffenstillstand 1949 von | |
den Vereinten Nationen gezogenen Grünen Linie nicht mit einem neuen | |
bewaffneten Konflikt gerechnet wurde. | |
Diesen Kriegszustand Israels mit seinen arabischen Nachbarn zu beenden, war | |
lange Ziel internationaler Friedenspolitik. Noch 2008 verhandelte ein Team | |
des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert unter | |
Vermittlung der Türkei mit syrischen Gesandten über einen Friedensschluss | |
mit der Diktatur Baschar al-Assads. Bis ins Detail waren bereits | |
Vereinbarungen über eine Rückgabe der 1967 von Israel besetzten Golanhöhen | |
getroffen worden. Erst die Anklage wegen Korruption gegen Olmert bereitete | |
der diplomatischen Annäherung ein Ende, die Hoffnung auf einen | |
syrisch-israelischen Friedensschluss zerbrach – und auf einen mit dem | |
Libanon, der bis zum Abzug syrischer Truppen 2005 unter Kuratel von | |
Damaskus stand. | |
So betrachtet nimmt die Absichtserklärung von VAE und Israel einen Faden | |
wieder auf, der durch das [2][Scheitern des israelisch-palästinensischen | |
Friedensprozesses] aus dem Blick geraten ist: Schließlich bestand die | |
internationale Nahostdiplomatie vor Beginn der arabischen Aufstände 2010/11 | |
nicht nur auf der Schaffung eines palästinensischen neben dem israelischen | |
Staat, sondern auch auf regionale Entspannung. Die Friedensinitiative der | |
Arabischen Liga, präsentiert 2002 vom damaligen saudischen Kronprinzen | |
Abdullah in Beirut, hatte ebenfalls die Normalisierung diplomatischer | |
Beziehungen mit Jerusalem zum Ziel – freilich erst nach Rückzug Israels aus | |
den 1967 besetzten Gebieten. | |
Anders als die Führung der Emirate, die lediglich die vorläufige | |
Nichtannexion dieser Gebiete zur Bedingung für die Annäherung an Israel | |
gemacht hatten, pocht Saudi-Arabien weiter auf einem souveränen | |
palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 als Gegenleistung für eine | |
Normalisierung der Beziehungen. Doch so eng wie das Verhältnis zwischen | |
Mohammed bin Zayid und dem saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman ist, | |
wird Abu Dhabi den Schritt nicht ohne vorherige Rücksprache mit Riad | |
gemacht haben. Das dürfte dem Ziel dienen, die Friedensinitiative zur | |
Grundlage für künftige Verhandlungen zu machen. | |
## Absichtserklärung ist eine Zäsur | |
Bei aller Vorsicht über die vor allem aus wirtschaftlichen Motiven – und | |
der gemeinsamen Abwehrhaltung gegen den Iran – betriebene Normalisierung | |
zwischen den Emiraten und Israel bedeutet die Absichtserklärung deshalb | |
eine Zäsur. Sie könnte der Dominostein sein, der die festgefahrenen | |
Verhältnisse im Nahen Osten wieder in Bewegung bringt. | |
Höchste Zeit dafür wäre es, schließlich hat sich die Region seit den | |
Friedensbemühungen Olmerts und Assads fundamental gewandelt: Die 2010 in | |
Tunesien begonnenen arabischen Aufstände sind bis heute nicht beendet, | |
trotz der Niederschlagung der Proteste in Syrien und Ägypten, trotz der | |
Kriege im Jemen und Libyen. Sowohl im Libanon wie im Irak, in Algerien und | |
Sudan gehen Menschen seit 2019 aus denselben Gründen auf die Straße wie vor | |
zehn Jahren – für Freiheit, Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit und | |
Rechenschaftspflicht der Herrschenden. | |
Die Beilegung des alten Nahostkonflikts zwischen Israel und | |
Palästinensischer Autonomiebehörde ist auch dadurch in den Hintergrund | |
gerückt, dass nicht mehr Ägypten und Jordanien, die 1979 und 1994 Frieden | |
mit Israel schlossen, die Geschicke in Nahost bestimmen. An erster Stelle | |
steht für die Führungsmächte des Golf-Kooperationsrats (GCC), Saudi-Arabien | |
und die Vereinigten Arabischen Emirate, der Kampf um regionale Hegemonie | |
mit dem Iran. Ihre stärksten Verbündeten gegen die Führung in Teheran sind | |
Israel und die USA. | |
## Palästinenser sprechen von Verrat | |
[3][Dass von palästinensischer Seite nun von Verrat die Rede ist], ist | |
verständlich. Doch die Weigerung ihrer politischen Führung, auf die | |
veränderten Realitäten in der Region zur reagieren, ändert nichts daran, | |
dass die alten Regeln des Konflikts nicht mehr gelten: Nicht die Lage im | |
Westjordanland und Gaza, sondern den Iran in Schach zu halten und die | |
Staatszerfallsprozesse in Syrien, im Irak, in Jemen und Libyen auf Dauer zu | |
beenden, hat für Riad und Abu Dhabi oberste Priorität. Die Annäherung der | |
Emirate an Israel könnte dabei ein erster Schritt sein, dem möglicherweise | |
bald Bahrain und Oman folgen – und in einigen Jahren Saudi-Arabien. | |
Wirkliche Stabilität zwischen Persischem Golf und Mittelmeer freilich wird | |
sich nur erreichen lassen, wenn die Konfrontation zwischen den arabischen | |
Hegemonialmächten und Iran beendet wird – und ein Interessensausgleich | |
Teherans mit Israel erfolgt. Dann erst kann das Rathaus von Tel Aviv in den | |
Farben der iranischen Flagge leuchten. Und vielleicht auch das von | |
Ramallah. | |
25 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Markus Bickel | |
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